Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung: Leipziger Bundestagskandidaten auf den Zahn gefühlt

Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung: Leipziger Bundestagskandidaten auf den Zahn gefühlt

Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung: Leipziger Bundestagskandidaten auf den Zahn gefühlt
IMMOCOM-Geschäftsführer Michael Rücker (stehend) begrüßt Gäste und Politikvertreter ((v.l.) Sören Pellmann (Die Linke), Norman Volger (Bündnis 90/Die Grünen), Nadja Sthamer (SPD), Jessica Heller (CDU), Siegbert Droese (AfD) und Sven Morlok (FDP)

Was planen die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien künftig in den Bereichen Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung? Sechs Leipziger Direktkandidaten legten beim IMMOCOM-Wahlhearing vor Vertretern der Leipziger Immobilien- und Wohnungswirtschaft ihre Positionen zu Mietpreisdeckel, Milieuschutzgebieten und wachsenden Klimaschutzanforderungen dar.

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Was haben die Parteien in der kommenden Legislaturperiode in den Bereichen Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung vor? Wie stehen sie zu Mietpreisdeckel, Milieuschutzgebieten und wachsenden Klimaschutzanforderungen? Um diese und weitere Fragen ging es knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl 2021 beim IMMOCOM-Wahlhearing in der Oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses von Leipzig.

Die Initiative dazu ging von den BFW-Stadtgestaltern im BFW Landesverband Mitteldeutschland e. V. aus. Mitveranstalter waren der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG), die Plattform Leipziger Wohnungsgenossenschaften, der Leipziger Fachkreis Gewerbeimmobilien sowie Haus & Grund Sachsen.

Vor den Vertretern der Leipziger Immobilien- und Wohnungswirtschaft legten sechs Leipziger Direktkandidaten ihre Positionen dar – und erfuhren aus erster Hand, wo die Probleme in der Branche liegen. Unter der Leitung des Berliner Wirtschaftsjournalisten Christian Hunziker diskutierten Nadja Sthamer (SPD), Jessica Heller (CDU), Sven Morlok (FDP), Sören Pellmann (Die Linke), Siegbert Droese (AfD) und Norman Volger (Bündnis 90/Die Grünen).

Ist der Leipziger Wohnungsmarkt angespannt?

Schnell wurden in der Diskussion die unterschiedlichen Standpunkte der Parteienvertreter deutlich. So beispielsweise, als der Moderator die Kandidaten bat, jeweils nur mit „Ja“ oder „Nein“ auf die Frage zu antworten, ob Leipzig einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild brauche. Von der (nicht nur politisch, sondern auch räumlich) linken Seite des Podiums, wo Sören Pellmann, Norman Volger und Nadja Sthamer Platz genommen hatten, kam dazu ein klares „Ja“, während Jessica Hiller, Siegbert Droese und Sven Morlok ebenso deutlich mit „Nein“ votierten.

Das Wahlhearing fand in der Oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses von Leipzig statt. Copyright: IMMOCOM / Jörn Glasner
Das Wahlhearing fand in der Oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses von Leipzig statt. Copyright: IMMOCOM / Jörn Glasner

Nicht so eindeutig war die politische Zweiteilung bei der Frage, ob es in Leipzig schon jetzt einen angespannten Wohnungsmarkt gibt. Eine Mehrheit bejahte dies zwar generell, es wurde aber auch darauf verwiesen, dass es schon heute bestimmte innerstädtische Gebiete gebe, beispielsweise die Südvorstadt oder Schleußig, in denen die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot übersteigt. „Dies treibt die Mietpreise in die Höhe, die sich dann bestimmte Personengruppen eventuell nicht mehr leisten können“, gab Norman Volger zu bedenken. „So weit darf es nicht kommen“, warf Nadja Shtamer ein. Eine gute soziale Durchmischung der Quartiere sei auch Ausdruck sozialer Gerechtigkeit, so die Sozialdemokratin.

Jessica Heller wies darauf hin, dass es bei bestimmten Wohnungsgrößen Engpässe gebe – bei kleinen, für Singles geeigneten Quartieren ebenso wie bei großen Wohnungen, die auch für Studenten-WGs interessant seien. „Generell muss die Stadt mehr Baugrundstücke ausweisen“, verlangte sie. Für die dort zu planenden Projekte müsse ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen festgeschrieben werden, ebenso wie Wohnungsgrößen und Ausstattung, die sich an der Nachfrage der hiesigen Bevölkerung orientieren. Stehe ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung, erübrige sich auch die Diskussion über einen Mietendeckel.

Löst der Mietendeckel die Probleme?

Die Pläne zur Einführung eines solchen Mietendeckels bezeichnete Sven Morlok als „ungerecht und verfassungsmäßig problematisch“. Damit werde es Vermietern, die in ihren Wohnungsbestand investiert haben, praktisch verboten, diese Investitionen zurückzuverdienen. Dies betreffe gerade die in Leipzig stark vertretenen privaten Vermieter. „Das Geld für Investitionen kommt überwiegend vom Kapitalmarkt. Sinkt hier durch den Mietendeckel die Rendite, wandert dieses Kapital in lukrativere Märkte und steht demzufolge für Investitionen in den Wohnungsmarkt nicht mehr zur Verfügung“, gab der Liberale zu bedenken.

Siegbert Droese zog Parallelen zur Vergangenheit, als er darauf hinwies, wie der Wohnungsbestand hierzulande aussah, als der Staat die Mietpreise regulierte. „So etwas brauchen wir nicht noch einmal“, sagte er. Sören Pellmann sprach sich für einen möglichst bundeseinheitlichen Mietendeckel aus, insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten. „Die derzeit deutlich zu hohen Mieten müssen gesenkt werden“, sagte er.

Kontrovers diskutiert wurde auch über Sinn und Nutzen der Einrichtung von Milieuschutzgebieten, sprich: Wo fangen hier Luxussanierungen an beziehungsweise wo verhindern soziale Erhaltungssatzungen beispielsweise den Einbau von Personenaufzügen oder Video-Gegensprechanlagen? Dinge, die vor allem älteren Mietern zugutekommen würden und von diesen auch eingefordert werden.

CO2-Kosten und das Thema Ehrlichkeit: Kontroversen gab es auch beim Klima

Auch als es um den Beitrag der Immobilienwirtschaft zum Klimaschutz ging, wurden die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich. Sind acht Prozent Kostenumlage auf die Mieter nach einer energetischen Modernisierung angemessen oder zu viel? Wer soll den seit diesem Jahr geltenden Heizkosten-Aufschlag durch den CO2-Preis tragen – allein die Mieter, da sie durch ihr Heizverhalten unmittelbaren Einfluss auf den Energieverbrauch haben, oder auch die Vermieter, um sie zu Energiespar-Investitionen anzuregen? Ginge es nach der Linken, muss die Modernisierungsumlage abgeschafft werden. „Sie dient der Mietsteigerung, nicht dem Klimaschutz“, sagte Sören Pellmann. Aufschläge auf die Miete sollten seiner Ansicht nach nur noch in Höhe der erreichten Einsparung bei Heizung und Warmwasser zulässig sein.

Nadja Sthamer plädierte für eine hälftige Beteiligung der Vermieter an den durch die Klimaschutzabgabe verursachten Mehrkosten. „Hier waren wir uns in der Regierungskoalition im Bund bereits einig, bevor die CDU/CSU-Fraktion den Kompromiss wieder gekippt hat“, monierte sie. Bündnis 90/Die Grünen sehen bei der energetischen Sanierung nach wie vor den Staat in der Verantwortung. So müsse beispielsweise die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung selbstgenutzten Wohneigentums weiter erhöht werden. „Der Staat muss hier seinen Teil der Verantwortung übernehmen“, so Norman Volger.

Jessica Heller stimmte zwar zu, dass die Mieter nicht die komplette CO2-Kostenbelastung tragen sollten, andererseits sollten den Vermietern durch Steuervorteile, beispielsweise verbesserte Abschreibemöglichkeiten oder Zuschüsse, Anreize für klimafreundliche Baumaßnahmen geschaffen werden.

Mirjam Luserke vom VSWG bringt ihren Standpunkt in die Diskussion ein. Copyright: IMMOCOM / Jörn Glasner
Mirjam Luserke vom VSWG bringt ihren Standpunkt in die Diskussion ein. Copyright: IMMOCOM / Jörn Glasner

Für mehr Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler plädierte Sven Morlok: „Geld, das für den Klimaschutz ausgegeben werden muss, steht für andere Ausgaben nicht mehr zur Verfügung. Wenn man das will, wird Wohnen teurer. Das sollte man den Menschen dann aber auch so deutlich sagen.“ Für die AfD ist klar, dass die Energiepreise nicht noch weiter steigen dürfen. „Die CO2-Steuer ist sozial ungerecht, sie muss deshalb abgeschafft werden“, sagt Siegbert Droese. Eine Reduzierung von CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit funktioniere nur durch eine Rückkehr zur Kernenergie. Deutschland sollte sich hier ein Beispiel an seinen europäischen Nachbarn nehmen.

„Sind Teil der Lösung, nicht das Problem“

Nachdem die Podiumsteilnehmer ihre Standpunkte ausgetauscht hatten, nutzten die anwesenden Branchenvertreter die Gelegenheit, den Politikern einiges mit auf den Weg zu geben. So warnte Mirjam Luserke, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V., mit Blick auf den Mietpreisdeckel vor „kultivierter Panikmache“. Angesichts einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 5,23 Euro in den Leipziger Genossenschaftswohnungen stelle sich diese Frage nicht. Außerdem gebe es bereits ausreichende Instrumente zur Mietbegrenzung wie die Mietpreisbremse oder die Vergleichsmiete. Käme der Mietpreisdeckel, würde er allerdings negative Auswirkungen auf die Wohnungsgenossenschaften haben, da diese dann ihre Investitionen nicht mehr refinanzieren könnten. „Bestraft würden dadurch letzten Endes jene Vermieter, die sich in der Vergangenheit sozial verhalten haben“, so Mirjam Luserke.

Ins selbe Horn stieß Ronald Linke, Vorsitzender von Haus & Grund Leipzig: „Wer vor zehn oder zwanzig Jahren teils erhebliche Geldbeträge für eine Immobilie in die Hand genommen hat, muss diese Investition refinanzieren können. Der Mietpreisdeckel macht aber jede vernünftige Kalkulation unmöglich.“ Und Ingo Seidemann plädierte generell für einen „vorurteils- und ideologiefreien Umgang“ mit der Branche: „Wir sind nicht das Problem, sondern Bestandteil von Lösungen, bei deren Erarbeitung wir uns als Partner im Dialog verstehen“, so der Geschäftsführer der S&G Development GmbH.

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