Büros schlagen Einzelhandelsflächen

Büros schlagen Einzelhandelsflächen

Büros schlagen Einzelhandelsflächen

Der Investmentmarkt boomt weiter. Doch während Büroimmobilien begehrt wie selten sind, wirkt sich die Krise des stationären Handels immer stärker auf den Einzelhandelsimmobilienmarkt aus. 

Einladung zur Real Estate Mitteldeutschland

Was die architektonische Gestaltung des 2006 eröffneten Einkaufszentrums „das Schloss“ in Berlin- Steglitz betrifft, kann man mit Fug und Recht geteilter Meinung sein. Doch unbestritten ist, dass es zu den gut funktionierenden Shopping-Centern Deutschlands zählt. Das war auch der Grund dafür, dass 2018 die Fondsgesellschaft Deka die Einzelhandelsimmobilie von WealthCap erwarb und dafür 255 Millionen Euro bezahlte.

Doch diese Transaktion – eine der größten, die im vergangenen Jahr in Berlin über die Bühne ging – ist eine Ausnahme. „Die Assetklasse Shopping-Center ist nicht mehr so gefragt“, stellt Rüdiger Thräne fest, Leiter der Berliner Niederlassung der Immobilienberatungsgesellschaft JLL. Und Ulf Buhlemann, Head of Capital Markets bei Colliers International in Berlin, greift gar zu drastischen Worten: „Wir werden im mehrgeschossigen Einzelhandel eine Menge Blut die Straße hinunterlaufen sehen.“

Textilanbieter in der Krise

Hauptsächlich verantwortlich dafür ist der wachsende Anteil des Online-Handels, der den stationären Handel immer massiver unter Druck setzt. Am stärksten davon betroffen ist – zahlreiche Insolvenzen, zuletzt beispielsweise von Gerry Weber, zeugen davon – der Textilhandel, der in den Einkaufszentren traditionell besonders viel vertreten ist. Aber auch in den klassischen Einkaufsstraßen sind die Auswirkungen auf den Mietmarkt unübersehbar: Nach Angaben der Beratungsgesellschaft COMFORT sind im vergangenen Jahr die Einzelhandelsmieten bundesweit nur noch in vier der 132 erfassten Städte gestiegen. Unter den vier Ausnahmen befand sich auch Berlin, wobei COMFORT allerdings lediglich die Höchstmiete ermittelt hat.

Diese Entwicklung bleibt natürlich den Investoren nicht verborgen. Nach Angaben von JLL ging der Anteil von Einzelhandelsimmobilien am bundesweiten Transaktionsvolumen (inklusive Wohn- und Pflegeimmobilien) im vergangenen Jahr von 16 auf 13 Prozent zurück. „Trotzdem konnten auf der Preisebene Rekordergebnisse erzielt werden, wenn die Einzelhandelsimmobilien präzise auf das Anlageprofil des jeweiligen Investors zugeschnitten waren“, konstatiert Jörg Krechky, Director und Head of Retail Investment Germany bei Savills. „Hierunter fallen Kriterien wie Berlin als Standort, langfristig gesicherte Lebensmittelanker sowie geringere Textilanteile im Branchenmix.“ Die Bedeutung der Lebensmittelhändler, die als weitgehend online-resistent gelten, unterstreicht auch Sandra Ludwig, Head of Retail Investment bei JLL in Deutschland: „Der Fokus wird sich im laufenden Jahr vor allem auf Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker richten.“

Die Vorliebe der Investoren für Fachmärkte und Fachmarktzentren bewirkt auf Renditeseite eine bemerkenswerte Verschiebung. Während Einkaufszentren stets deutlich teurer waren als Fachmarktzentren und entsprechend eine niedrigere Rendite aufwiesen, hat sich das jetzt geändert: Nach Angaben von Savills lag Ende 2018 die Spitzenrendite von Fachmarktzentren mit 4,0 Prozent erstmals unter derjenigen von Einkaufszentren (4,2 Prozent).

Berlin: Büros haben die Nase vorn

Diese gesamtdeutschen Tendenzen schlagen sich auch auf dem Berliner Investmentmarkt nieder. Allerdings war in einem Punkt der Trend gegenläufig: Im Jahresvergleich legte der Anteil der Einzelhandelsobjekte laut JLL von acht auf 15 Prozent zu. Dafür verantwortlich war neben dem Verkauf des Einkaufszentrums „das Schloss“ in erster Linie die Fusion von Karstadt und GALERIA Kaufhof, die ja neben dem operativen Geschäft auch die Immobilien betrifft.

Einen wesentlich höheren Anteil am Transaktionsvolumen hatte mit 34 Prozent das Bürosegment. „Die Nachfrage ist deutlich größer als das Angebot“, sagt Ulf Buhlemann von Colliers International. „Bei strukturierten Bieterverfahren bekommen wir in der Regel mehr als zehn Gebote für ein Objekt.“ Entsprechend zahlreich sind die Bürodeals auf dem Hauptstadtmarkt. So kaufte zum Beispiel caleus für eine Gruppe privater Investoren von der Deutschen Bank deren historisches Gebäude Unter den Linden.

Ein besonders prominentestes Beispiel ist der 235 Millionen Euro schwere Verkauf des neuen Zalando-Hauptquartiers am Ostbahnhof, das Mitte 2018 das Unternehmen Hines für einen von ihm betreuten Fonds erwarb. Dieses Beispiel illustriere die „hohe Dynamik des Berliner Investmentmarktes“, sagt Peter Starke, Leiter der Berliner Aengevelt- Niederlassung. Denn das Headquarter habe vor Fertigstellung bereits zweimal den Eigentümer gewechselt und dabei um 40 Millionen Euro zugelegt. Einen Abnehmer gefunden hat Signa für das Büroprojekt Up!, also das ehemalige GALERIA-Kaufhof- Gebäude am Ostbahnhof, das künftig ebenfalls Zalando nutzen wird. Der Kaufpreis dafür betrug laut Marktkreisen um die 340 Millionen Euro.

Auch in anderen Fällen unterschreiben Investoren oft frühzeitig im Rahmen von Forward Deals einen Kaufvertrag. So veräußerte die zur Consus Real Estate AG gehörende SSN Group Anfang 2019 praktisch zeitgleich mit dem Baubeginn ihr Franklin- Haus in Charlottenburg an BNP Paribas REIM. „Wir sehen für die kommenden Jahre ein hohes Entwicklungspotenzial für Büroimmobilien in besten Berliner Lagen“, sagt Michael Tockweiler, CEO der SSN Group.

Ganz besonders begehrt sind jedoch Bestandsobjekte, deren Mietverträge demnächst auslaufen. „In solchen Fällen haben wir Kaufpreisfaktoren von über 45 auf die Ist-Miete gesehen“, berichtet Ulf Buhlemann von Colliers International. Der Grund für diese enorm hohen Preise ist die Erwartung der Käufer, die Mieten bei Neuvermietung kräftig anheben zu können. Allein 2018 erhöhte sich die Berliner Büro-Spitzenmiete laut JLL um 13 Prozent, während die Durchschnittsmiete sogar um 17 Prozent zulegte. Treiber dieser Entwicklung ist die starke Nachfrage nach Büroflächen, denen kein ausreichendes Angebot gegenübersteht – der Leerstand ist auf nur noch etwa 1,5 Prozent zurückgegangen. Das führt dazu, dass neue Lagen in den Blick der Investoren geraten. „Ein Ausweichen in Randlagen sowohl auf Nutzer- als auch auf Investorenseite könnte in den nächsten Jahren den Markt prägen“, heißt es bei Savills.

Steigt der Büroleerstand wieder?

Denkbar ist allerdings, dass der Investmentmarkt durch das wachsende Angebot unter Druck geraten wird. Denn vor dem Hintergrund der starken Nachfrage nach Büroflächen verstärken die Projektentwickler derzeit ihre Aktivitäten massiv. Colliers International erwartet, dass 2019 rund 494.000 und 2021 sogar etwa 839.000 Quadratmeter Bürofläche auf den Markt kommen werden. Zwar ist davon ein Großteil bereits jetzt vermietet; der Büroleerstand könnte aber trotzdem bis 2023 auf sechs Prozent steigen. Sollte das eintreten, würde das Mietwachstum abflachen. Angenommen wird dabei, dass die Zahl der Büroarbeitsplätze bis 2023 um 50.000 zunehmen wird.

Robert-Christian Gierth, Regional Manager von Colliers International in Berlin, hält allerdings ein anderes Szenario für realistischer: Die Zahl der zusätzlichen Arbeitsplätze bis 2023 könnte demnach sogar 100.000 betragen. Gleichzeitig wird laut Robert-Christian Gierth das Fertigstellungsvolumen möglicherweise hinter den Erwartungen zurückbleiben, da die Baukapazitäten ausgelastet sind und die öffentliche Hand zu wenige Bebauungspläne verabschiedet. Sollte das so eintreten, würde der Leerstand auf niedrigem Niveau verharren, und die Mieten würden weiter stark steigen – für Bestandshalter von Büroimmobilien eine verlockende Vorstellung.

Ein negatives Szenario für den Berliner Investmentmarkt kann Robert-Christian Gierth im Übrigen nicht erkennen. Zum einen sei keine signifikante Zinserhöhung zu erwarten. Zum anderen würde sich nicht einmal eine Eintrübung der Konjunktur negativ bemerkbar machen. „Je mehr die Wirtschaft schwächelt, desto mehr braucht sie die Digitalisierung“, argumentiert er – und im Bereich der Digitalisierung sei Berlin besonders stark. Zudem benötige der Bund – ganz unabhängig von der Konjunktur – in Berlin mehr Büroflächen.

Damit bremst nach Ansicht der Marktbeobachter weiterhin nur ein Faktor den Berliner Investmentmarkt: das zu geringe Angebot an Objekten und Projekten. Für das laufende Jahr erwartet Colliers International deshalb ein Transaktionsvolumen von gut sechs Milliarden Euro für gewerblich genutzte Objekte – deutlich weniger als 2018, als die Marke von sieben Milliarden Euro geknackt wurde.

 

Abb. oben:

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