Co-Living-Wohnformen erobern den Mainstream

Co-Living-Wohnformen erobern den Mainstream

Co-Living-Wohnformen erobern den Mainstream
Die Marke Quarters setzt unter anderem auf Shared Kitchen in ihrem Co-Living-Angebot. Copyright: Quarters / Medici Living Group

Lifestyle-Kommune statt zwei Zimmer, Küche, Bad? Die Millennials haben in Berlin ihr Mekka für neue, temporäre Co-Living-Wohnformen gefunden und stellen bisherige Arbeits-, Lebens- und Hospitality Modelle auf den Kopf. Ein paar Konzeptbeispiele.

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Ein Blog, ein Millennial-Post, eine neu-typische Situation: Young Professional Alba aus Spanien zieht nach ihrem Studium für eine befristete Stelle von Amsterdam nach Berlin – und sorgt sich nicht um das Wie des neuen Jobs, sondern wo und mit wem sie dort leben wird. Konventionelle Wohnungen und Zimmer findet sie nicht, die Mieten sind teuer, die bürokratischen Hürden hoch. Und als sie auf Co-Living- und Wohnen-auf Zeit-Angebote stößt und sich bei Frendz Living einbucht, ist sie sofort begeistert, denn das temporäre Apartmentwohnen ist eine „bequeme“ und „erschwingliche“ Lösung, sagt sie. Zugleich flexibel, mit leicht kündbaren Verträgen, hotelähnlichen Services und vor allem mit Community-Angeboten, App-Vernetzung und Anschluss an Gleichgesinnte.

„Living the Millennial Dream“, so ihr euphorisches Fazit. Vertrauter in der Fremde wohnen, flexibler leben und besser vom Mindset des Mitbewohners inspiriert sein geht nicht. Auch für die Bewohner von Quarters scheint das Lebensgefühl ähnlich, wenn sie mit ihrem Community Manager vor Ort reden und mit den Nachbarn im Haus jede Woche im Rahmen von Netzwerkveranstaltungen um die Häuser ziehen. Bei Happy Pigeons im Prenzlauer Berg oder in Charlottenburg können sich die Wohngemeinschaften vom Obergeschoss mit den lokalen Co-Working-Nomaden im Erdgeschoss treffen. Im Selina oder vor allem im The Student Hotel mischen sich wiederum kurzreisende Hotelgäste mit Studenten und Berufstätigen, die mehrere Wochen bleiben.

Temporäres Wohnen und das Businessmodell Mindful Living

Werden temporäre Wohnformen zum Mainstream? Copyright: Quarters / Medici Living Group
Werden temporäre Wohnformen zum Mainstream? Copyright: Quarters / Medici Living Group

Berlin ist zum Trend-Hotspot für die Lifestyle-Gruppen dieser Welt avanciert – vom kulturhungrigen Städtereisenden über den international Studierenden und Berufseinsteiger bis hin zum High Potential bei stark investierenden Unternehmen wie SAP. Die Stadt hat sich bei einer Leerstandsquote von 0,8 Prozent (2018) und doppelt so hohen Angebotsmieten als noch vor zehn Jahren zu einem der größten Wachstumsstandorte Deutschlands entwickelt und gilt als bundesweite Start-up-Hauptstadt. Hinzu kommt ein erstarkendes Messe- und Kongressgeschäft sowie ein Übernachtungswachstum von 5,5 Prozent 2018 (Gästeanteil aus dem Ausland: 45,9 Prozent).

Das zieht internationale Talente, Fachkräfte und damit auch Innovation an. Stories rund um die großen Themen Freiheit, Flexibilität, Mobilität, „Wir“ und Shared-Komfort lassen sich in der jungen, kontrastreichen Stadt bestens erzählen. Temporäre Wohnkonzepte – ob gewerblich oder wohnwirtschaftlich – bedienen hier wie kaum in einer anderen deutschen Metropole Mega-Trends wie Urbanisierung, Individualisierung und New Work. Wer in Berlin neue Wohnmodelle lanciert, bastelt an neuen Erlebniswelten und am neuen Businessmodell Mindful Living, sodass sich Millennials für ein bestimmtes Wohngemeinschaftserlebnis entscheiden statt für die reine Immobilie mit Zimmer, Küche, Bad.

Das Ganze für eine Generation, für die die Freizeit wichtiger ist als die Arbeit. „Und für die im Wechselspiel mit den allumfassenden digitalen Lebenswelten der Wunsch nach echten Begegnungen wächst“, beschreibt es Dr. Marc Schumacher, Managing Partner bei dem Retail-Marketing-Unternehmen Liganova, und resümiert: „Hospitality becomes the better place.“ Das Wohnen verbunden mit Hospitality und viel Austausch wird zur „Location First“. Gerade für die vielen digitalen Nomaden. Gerade in der Hauptstadt.

Co-Living: Öfter mal was Neues

Berlin ist also schon lange nicht mehr arm und sexy. Das wissen auch Berliner Immobilienunternehmen wie die Medici Living Group und verstehen sich mit ihrer Marke Quarters in Europa und den USA als einer der größten und wachstumsambitioniertesten Co-Living-Anbieter „für Kreative, Young Professionals und Gründer“. In Berlin gibt es Standorte in Friedrichshain, im Wedding und seit 2019 auch in Mitte als Teil der Stadtquartiersentwicklung Mittenmang. Das jüngste Haus, das Medici hier nahe des Hauptbahn hofes betreibt, ist mit 266 Co-Living-Betten beziehungsweise 94 Wohneinheiten in zwei siebenstöckigen Gebäuden das weltweit größte Quarters – als vollmöblierte Apartments mit zwei bis vier Schlafzimmern, Shared Kitchen und Shared Bathroom ab 599 Euro im Monat. Die 250 Quadratmeter große Gemeinschaftsfläche umfasst einen Innenhof samt nutzbarem Garten. Regelmäßig finden Gardening Events, Yoga oder Craft Beer Nights statt. Durch die eigene App bleiben alle Bewohner in Verbindung. 

Ein noch jüngeres Produkt ist Vonder. Unter dem Claim „Minimum Bürokratie, maximal Berlin“ können hier junge, internationale Fachkräfte und Neuankömmlinge in der Stadt Serviced Apartments verteilt auf zwölf Berliner Bestandsgebäude buchen. Manche Apartments befinden sich nur auf einer Etage, immer sind die Apartments zwischen 20 und 35 Quadratmeter groß und setzen auf Co-Living in der Shared Kitchen und in den Gemeinschaftsräumen. „Wir haben eine Aufenthaltsdauer von mindestens drei Monaten, die meisten bleiben rund acht Monate und wechseln danach oft in ein anderes unserer Gebäude, das sie kennenlernen wollen“, berichtet COO Rosa Höhn. „Die Lust auf Abwechslung ist bei unserer Gästeklientel groß.“ Zugleich setze man auf eine maximale Integration in den Kiez für das maximale Berlin-Erlebnis. 

Microliving für unter 40-Jährige

„Wir wollen keine Gäste über 40 Jahre“, machte Hannibal DuMont Schütte im roten Hoodie und mit schelmischen Gründerlächeln seinem Publikum bei der Serviced-Apartments-Fachtagung So!Apart Ende 2019 klar. Stayery sei ein Microliving-Produkt von Millennials für Millennials. Das erste und bisher einzige Berliner Haus in der Friedrichshainer Holteistraße umfasst 85, 30 und 22 Quadratmeter große vollmöblierte Einheiten mit Kitchenette, hinzu kommen Community-Flächen samt Waschmaschinen- und CoWorking-Space. Am Eiswagen im Eingangsbereich kann man vollautomatisiert einchecken, sowohl Short- als auch bis zu sechsmonatige Longstay-Aufenthalte sind möglich. Ab 79 Euro die Nacht oder ab 1.245 Euro pro Monat.

Tannhaus setzt auf designorientierte, großzügige Wohnqualität.Copyright: Tannhaus by David Ulrich
Tannhaus setzt auf designorientierte, großzügige Wohnqualität.Copyright: Tannhaus by David Ulrich

Auf nicht mehr ganz Millennial-Hauptstadt und damit auch auf wenig Sharing und Community setzen schließlich Tannhaus und seine Unternehmensgründer Daniel Schuldig und Alexander Bürk. Zwar gehört zu den zwei Objekten in der Warschauer und in der Brunnenstraße auch Studentisches Wohnen unter dem Namen Neon Wood. Aber die 25 bis 64 Quadratmeter großen Tannhaus-Apartments unter dem Dach der Cresco Immobilien Verwaltungs GmbH setzen verstärkt auf eine designorientierte und großzügige Wohnqualität. Auf ein „Urban Retreat“ mit Vintage-Möbeln, Sichtbeton und schwebender Küchenbarzeile. Jedes der Apartments für ein bis sechs Monate inkludiert auch einen Onsite-Concierge und On-Call-Services. Die meisten Gäste bleiben acht bis zwölf Wochen.

Wird das temporäre Millennial-Wohnen mit Co-Living- und Shared-Community-Charakter zum Mainstream in Berlin? Das hängt nicht zuletzt vom angespannten lokalen Wohnungsmarkt ab. Und wie sehr sich Co-Living für alle Altersgruppen öffnet. Erst Mindset, dann Alter. Daran wird sich künftig einiges messen lassen.

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