„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“: Berlin stimmt für Enteignung!

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“: Berlin stimmt für Enteignung!

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“: Berlin stimmt für Enteignung!
Enteignungsinitiative verklagt Berliner Senat. Copyright: succo auf Pixabay

Die Unterschriftensammlung für die zweite Stufe des Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungskonzerne in Berlin hat am 26. Februar begonnen. Vier Monaten haben die Initiatoren Zeit, um in der ganzen Stadt ausreichend Unterstützerunterschriften für ihr Anliegen zu erhalten. Laut einer Umfrage lehnen die Berliner Enteignungen mehrheitlich ab und ein Staatsrechtler hält einen Volksentscheid für nicht umsetzbar. Dennoch stimmten die Berliner am 26. September 2021 für die Enteignung! Aktuell startete die Enteignungsinitiative einen Abwahlkampf gegen Bausenator Andreas Geisel.

IMMOBILÉROS - Der Podcast für die Immobilienbranche

Vor etwa einem Jahr entfachte die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ eine Enteignungsdebatte, die daraufhin in ganz Deutschland angeregt diskutiert wurde. Ziel des Vorstoßes war ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Immobilien aus den Beständen großer Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen. In Berlin träfe das um die zwölf Unternehmen, die gemeinsam 240.000 Wohnungen verwalten.

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ fordert Vergesellschaftung von Immobilien

Mittels eines Volksbegehrens soll der Senat dazu gebracht werden, ebenjenes Gesetz zu entwerfen. Über 75.000 Menschen unterstützten im ersten Schritt die Initiative mit ihrer Unterschrift – von denen knapp 60.000 als gültig anerkannt wurden. Seitdem wartet die „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“-Initiative auf einen Bescheid der Verwaltung, dass einer weiteren Unterschriftensammlung für das eigentliche Volksbegehren keine juristischen Hürden mehr im Wege stehen.

Jetzt reicht’s! Initiative verklagt den Berliner Senat

Doch dieses „Go“ ließ auf sich warten. So lange, dass sich die Initiative zum Handeln gezwungen sah und beim Berliner Verwaltungsgericht eine Klage einreichte. „Uns reichts – Wir klagen“, kommentierte die Initiative ihr Vorgehen auf ihrer Website und führte weiter aus: „Mehrere Gutachter haben die Verfassungsmäßigkeit unseres Volksbegehrens bestätigt. Dennoch gibt es noch immer keine offizielle Stellungnahme des Senats. Die rechtliche Prüfung – so ist aus dem Hause des Innensenats zu hören – sei noch immer nicht abgeschlossen. Diese Verschleppungsstrategie des Senats in Sachen Volksbegehren ist eine Zumutung für die direkte Demokratie. Unsere Geduld ist am Ende.“

Wie geht es weiter?

Die Klage wurde am 18. Mai dem Verwaltungsgericht übergeben - begleitet von einer öffentlichen Protestaktion. Ob das Verfahren damit beschleunigt wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Klar ist, geht es irgendwann weiter, müssten sieben Prozent (entspricht etwa 170.000) der wahlberechtigten Berliner dem Volksbegehren zustimmen, um im nächsten Schritt einen Volksentscheid anzuberaumen. Dessen Ergebnis hätte dann die gleiche Bedeutung wie ein Parlamentsbeschluss.

Senat hat „keine juristischen Zweifel“ an der Zulässigkeit der Initiative

Wie die Initiatoren des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ Mitte Juni bekanntgaben, hat der Berliner Senat „keine juristischen Zweifel“ an der Zulässigkeit der Initiative. Dementsprechend soll die Prüfung des Volksbegehrens bis Ende des Monats abgeschlossen werden. Bis Juli soll der Berliner Senat dann eine Stellungnahme formulieren, bevor sich das Abgeordnetenhaus dem Thema widmet. 

Als Reaktion forderte der ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, in einer Stellungnahme den Berliner Senat auf, sich auf die Ausweisung von mehr passenden Grundstücken und Flächen zur Entwicklung von neuem und bezahlbarem Wohnraum zu konzentrieren und sich klar von der Enteignungsdebatte zu distanzieren. „Die Enteignungsdebatte löst nicht die Nöte dieser Stadt“, sagt Stefanie Frensch, Sprecherin der ZIA-Region Ost. „Ich würde mir wünschen, dass sich der Berliner Senat auf Lösungen zur Beschleunigung der Schaffung von dringend benötigten Wohnraum fokussiert und geplante Budgets hier zielgerichtet einsetzt. Der Berliner Haushalt wird durch die Corona-Pandemie außerordentlich belastet, viele Berliner Unternehmen sind wirtschaftlich angeschlagen. Daher gilt es, mit Augenmaß vorzugehen.“

Frensch betont, dass der Sicherung von Quartieren und damit auch der Sicherung von lebenswerten Quartieren für Mieterinnen und Mieter eine besondere Aufmerksamkeit zugestanden werden sollte. Die Durchschnittsmieten von privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen liegen in Berlin schon heute im Berliner Durchschnitt. Im Bereich der Neuvermietungen liegen die Werte dieser privaten Unternehmen unter den Berliner Durchschnittswerten. „Berlin braucht konkrete Konzepte, den Neubau schneller voranzubringen; und dies sowohl kostengünstig als auch nachhaltig. Wir stehen hier gerne für einen gemeinsamen Dialog bereit“, so Frensch weiter.

Sind Enteignungen realistisch?

Auf parteipolitischer Ebene wird das Volksbegehren nur von den Berliner Linken unterstützt. Alle anderen Parteien sind gegen Enteignungen. Der gewichtigste Grund: Enteignungen schaffen keinen neuen, dringend benötigten Wohnraum. Zudem sei die Gefahr groß, dass Investoren, die prinzipiell gerne in der Hauptstadt bauen würden, durch ein Enteignungsgesetz ver- und abschreckt werden könnten. Zum Schutz von Mietern sei zudem der Mietendeckel deutlich wichtiger und wirksamer als Enteignungen. Juristische Stimmen sehen zudem eine Unvereinbarkeit von Enteignungen mit dem Grundgesetz und warnen vor nachfolgenden Prozessen und Entschädigungsforderungen mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen.


Die aktuellen Entwicklungen im Newsticker


Rechtliche Prüfung des Volksentscheides abgeschlossen

Update vom 18.09.2020:

Am 17. September erklärte der Berliner Senat das Volksbegehren als rechtlich zulässig. In der zugehörigen Pressemitteilung von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ heißt es dazu: „Der Senat soll jetzt nicht nur ein Gesetz erarbeiten, er wird nun auch aufgefordert, dieses dem Abgeordnetenhaus zur Entscheidung vorzulegen und alle darüberhinausgehenden Schritte zur Vergesellschaftung zu unternehmen. Mit allem, was dazu gehört: von Verwaltungsvorschriften bis zur Gesetzesvollziehung.“ Die Initiative erwartet im Februar 2021 mit der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren beginnen zu können.

Verbände und Opposition rasseln mit dem Säbel

Update, 10.12.2020: Die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und Linken im Berliner Abgeordnetne haben Gespräche mit Vertretern der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ geführt. Laut „Tagesspiegel“ habe sich dabei ein „Einigungskorridor“ ergeben. Linke und Grüne hätten sich demnach zu weitgehenden Zugeständnissen bis hin zu einer Eins-zu-eins-Übernahme der Forderungen der Initiative bereit erklärt,  die SPD hingegen gab sich verhaltener. Die Sozialdemokraten sind entsprechend eines Parteitagsbeschlusses aus dem Oktober 2019 dagegen, Immobilienkonzerne zu enteignen. Das Ziel des Begehrens, also die Vergrößerung des kommunalen Wohnungsbestandes, müsse im Vordergrund stehen, hieß es. Eine Enteignung aller Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in der Stadt, wie von den Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gefordert, werde es mit der SPD nicht geben.

Die Reaktion der immobiliepolitischen Verbände auf die neuen Entwicklungen fallen harsch aus. Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverband Deutschland IVD: „Das Entgegenkommen der rot-rot-grünen Koalition in Berlin gegenüber der Enteignungsinitiative ist ein Schlag ins Gesicht für Investoren, die mit ihrem Engagement zum diesjährigen Anstieg der Baugenehmigungszahlen beigetragen haben. Erste Erfolge beim Wohnungsneubau, die auch mit Hilfe des Bundes erzielt wurden, werden nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt.“

Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, spricht von einer „verfehlten Wohnungspolitik,“ die die Mieten nach oben getrieben habe, „statt – wie etwa in Hamburg – Wohnungen zu errichten“. Und weiter: „Die Enteignung oder mildere Formen wie der Abkauf würden nicht zu stopfende Löcher in den Haushalt der Stadt reißen – zumal das Land bereits in der Vergangenheit schon nicht als der bessere Verwalter aufgefallen ist.“

Auch die politische Opposition rasselt mit dem Säbel. Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin, etwa sagt: „Durch das Zusammenrücken von SPD und Grünen mit radikalen Kräften wird die Spaltung der Stadtgesellschaft weiter vertieft. „Wer vorgebe, bürgerliche Politik der Mitte machen zu wollen, müsse sich von Enteignungsfantasien klar distanzieren. Die neugewählte SPD-Landesführung müsse die Diskussion über Enteignungen umgehend beenden, so der Politiker.

Zweite Stufe des Volksbegehrens gezündet

Update vom 16.02.2021: Die Unterschriftensammlung für die zweite Stufe des Volksbegehrens startet am 26. Februar 2021. Das teilten kürzlich die Initiatoren vom Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mit. Demnach haben sie dann vier Monate bis Ende Juni Zeit, in ganz Berlin um die 170.000 gültigen Unterschriften für ihr Anliegen zu sammeln. Sollte dies erfolgreich sein, könnte der nachfolgende Volksentscheid parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September 2021 durchgeführt werden. Die Pandemie mit Lockdown und Kontaktbeschränkungen dürfte die Unterschriftensammlung allerdings erschweren.

Verdi und IG Metall unterstützen Volksbegehren

Update vom 17.02.2021: Die Berliner Landesverbände von Verdi und der IG Metall haben sich für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ ausgesprochen und die Berliner zu einer Beteiligung an der Unterschriftensammlung aufgefordert. Das geht aus einem entsprechenden Bericht des „Tagesspiegel“ hervor. Die IG Metall veröffentlichte demnach eine Pressemitteilung unter dem Titel „Wohnraumspekulation frisst Löhne auf“. Darin erklärt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der Gewerkschaft in Berlin: „Es ist ein Skandal, dass Immobilienkonzerne aus der Wohnraumnot Kapital schlagen und weite Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen.“ Im Hinblick auf die gestiegenen Mietpreise in den vergangenen Jahren sagt sie zudem: „Wohnen ist ein Teil der Daseinsvorsorge und alle Menschen müssen sich weiterhin ihre Wohnung auch in zentral gelegenen Stadtteilen leisten können.“

Umfrage: Knappe Mehrheit gegen Enteignungen

Update vom 02.03.2021: Etwas mehr als die Hälfte der Berliner (51 Prozent) lehnen aktuell Enteigungen von Wohnungsunternehmen ab. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap im Auftrag der CDU Berlin hervor. Demnach gaben 36 Prozent der Befragten gaben an, Enteignungen zuzustimmen Ende 2019 waren es in einer vergleichbaren umfrage noch 61 Prozent der Teilnehmer.  „Die Menschen wünschen sich nicht Ideologie und Klassenkampf, sondern faire Regelungen auf dem Boden unserer sozialen Marktwirtschaft“, kommentiert Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin, das Ergebnis. Seiner Aussage nach müsste das Land Berlin für Entschädigungen 36 Milliarden Euro zahlen. Damit könnte man gut 300.000 neue Wohnungen „zu sozialen Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter“ bauen, so sein Fazit.

Jusos und Grüne unterstützen Enteignungsinitiative

Update vom 22.03.2021: Die Berliner Jusos unterstützen das Volksbegehren zur Enteignung von Immobilien-Unternehmen. Einen entsprechenden Antrag beschloss der SPD-Nachwuchs auf der Landesdelegiertenkonferenz am 14.03.2021 und stellte sich damit gegen die Linie der Partei mit ihren Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh. Auf Twitter erklärten die Jusos: „Wir sehen darin einen geeigneten Weg, auf die sich immer weiter zuspitzende Wohnungskrise zu reagieren und Wohnen als gemeinwohlorientierten Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge vor dem Zugriff renditeorientierter Marktkräfte zu schützen.“ Direkte Konsequenzen für die Gesamtpartei, die Enteignungen ablehnt, oder den Wahlkampf wurden nicht gefordert. Kritik an den Jusos gab es von der Berliner CDU. Für Generalsekretär Stefan Evers sei ihre Entscheidung „ein historischer Tabubruch und eine Kampfansage an die eigene Spitzenkandidatin“. Franziska Giffey erscheine in dieser Frage als Königin ohne Land und ohne Volk in der SPD.

Inzwischen können sich auch die Berliner Grünen die Enteignung von Wohnungskonzernen vorstellen, um bezahlbare Mieten zu sichern und das Recht auf Wohnen für alle durchzusetzen. Auf einem Parteitag am 20.03.2021 stellten sich die Delegierten mehrheitlich hinter die Initiative. Zugleich machten sie deutlich, dass „qualitative Kriterien“ zur Frage erarbeitet werden müssten, welche Unternehmen für eine Enteignung in Frage kommen. „Die Diskussion um rein quantitative Obergrenzen sehen wir kritisch“, heißt es.

Enteignungsinitiative sammelt 50.000 Unterschriften

Update vom 26.03.2021: Innerhalb eines Monats konnte die Bürgerinitiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" rund 50.000 Unterschriften sammeln. Das Bündnis hat noch bis zum 25. Juni Zeit, die benötigten rund 170.000 Unterschriften einzusammeln, um den angestrebten Volksentscheid durchzudrücken.

Halbzeit bei Unterschriftensammlung, Mehrheit für Enteignungen und eine Klage

Update vom 26.04.2021: Nach aktueller Zählung der Landeswahlleiterin liegen nun rund 130.000 Unterschriften vor. Davon wurden 50.962 Unterschriften bereits geprüft und 75,2 Prozent dieser Unterschriften für gültig erklärt. Die Initiative “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” hat demzufolge in der Hälfte der verfügbaren Zeit mehr als 50 Prozent der benötigten 175.000 gültigen Unterschriften gesammelt. Moheb Shafaqyar, Sprecher der Initiative: „Wenn wir 1.700 Aktiven und die vielen weiteren Unterstützer in der Stadt jetzt so weiter machen, dann werden wir bis zum 25. Juni die Mindestzahl von 175.000 gültigen Unterschriften deutlich überschreiten.“

Derweil zeigt die aktuelle Umfrage BerlinTrend von infratest dimap im Auftrag der rbb-Abendschau und der Berliner Morgenpost, dass sich nach dem Scheitern des Mietendeckels immer mehr Berliner für Enteignungen aussprechen: Die Unterstützer von Enteignungen sind inzwischen in der Mehrheit, 47 Prozent der Befragten fänden die Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen gut, nur noch 43 Prozent sprechen sich dagegen aus. Damit zeigt der aktuelle BerlinTrend eine deutliche Verschiebung. Bei der letzten Befragung im November 2019, kurz vor dem Beschluss des Mietendeckels, lehnten die Berliner Enteignungen noch mit einer deutlichen Mehrheit von 61 Prozent ab. Besonders groß ist der Zuspruch bei den jüngeren Wählern unter 40 Jahren, von ihnen finden 57 Prozent Enteignungen gut. Inzwischen befürwortet auch jeder dritte CDU-Anhänger Enteignungen. Vor der Einführung des Mietendeckels war es nur jeder fünfte.

Wie außerdem bekannt wurde, geht die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" juristisch gegen den CDU-Abgeordneten Mario Czaja vor. Dieser hatte in einer Einladung zu einem Digitalen Bürgerdialog angedeutet, die Enteignungsbestrebungen der Initiative würden auch auf Wohnungsgenossenschaften abzielen. Die Initaive wirft dem Politiker eine Angstkampagne aufgrund freier Erfindungen und eine Verunglimpfung des Volksentscheids vor.

Linke überreicht über 30.000 Unterschriften an Enteignungsinitiative

Update vom 21.06.2021: DIE LINKE übergibt 32.662 Unterschriften an die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen":

Katina Schubert, Landesvorsitzende von DIE LINKE. Berlin: "Wir freuen uns, dass wir der Initiative heute 32.662 Unterschriften übergeben konnten. Damit haben wir unser selbstgestecktes Ziel von 30.000 Unterschriften deutlich übertroffen. Unsere Mitglieder haben in den letzten Monaten in allen Bezirken Unterschriften gesammelt - ob bei Wind und Wetter oder Hitze und unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie. Der Zuspruch und das Feedback der Berlinerinnen und Berliner waren groß, das Thema bewegt die ganze Stadt. Wir gehen fest davon aus, dass es am 26. September zum Volksentscheid kommen wird. Wir möchten, dass die Berlinerinnen und Berliner entscheiden können, ob wir die großen profitorientierten Immobilienunternehmen vergesellschaften."

Klaus Lederer, Spitzenkandidat von DIE LINKE. Berlin: "Wir können nicht warten bis Berlin die Stadt mit den höchsten Mieten ist und die soziale Mischung in unseren Kiezen zerstört ist, sondern wir müssen jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um den Mietenwahnsinn zu begrenzen. Dafür haben wir die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auf sozialen Kurs gebracht. Bis Ende 2021 werden sie den Bau von über 30.000 neuen Wohnungen begonnen und über 21.000 Wohnungen fertiggestellt haben. Wir arbeiten mit den Bezirken dafür, weitere Milieuschutzgebiete auszuweisen und möglichst viele Wohnungen zu rekommunalisieren. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen. Wohnungen sind keine Handelsware, jede Wohnung ist ein Zuhause. Unsere Stadt soll bezahlbar und lebenswert bleiben, in allen Kiezen und für alle Menschen, und zwar auch noch in 20,30 Jahren und darüber hinaus. Die Vergesellschaftung ist ein radikaler Vorschlag, der über 240.000 Wohnungen langfristig bezahlbar sichern könnte. Davon profitieren im Endeffekt alle Berlinerinnen und Berliner, deshalb ist es gut, wenn es im September zum Volksentscheid kommt und sie darüber abstimmen können. Es ist schließlich ihre Stadt."

Fast jeder zehnte Berliner stimmt für Enteignung

Update vom 25.06.2021: Wie die Enteignungsinitiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" auf ihrer Website verkündet, konnte sie rund 350.000 Unterschriften für einen ihren Zielen entsprechenden Volksentscheid einsammeln. Selbst wenn man die bisher recht hohe Ungültigkeitsquote von rund 30 Prozent bei den zuvor eingesammelten Unterschriften berücksichtigen würde, wären die notwendigen 175.000 Unterschriften problemlos erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Superwahljahr am Superwahltag in Berlin zu einer weiteren wichtigen Abstimmung kommt, ist also sehr hoch. 

Update vom 28.06.2021: Stand Freitag wurden von den eingereichten Unterschriften bereits 260.708 geprüft, wobei 175.782 für gültig erklärt wurden.

Kommentar: Schlechte Aussichten für ein Enteignungsgesetz

Dr. Esfandiar Khorrami zur Enteignungsinitiative. Copyright: BK Law
Dr. Esfandiar Khorrami zur Enteignungsinitiative. Copyright: BK Law

Update vom 28.06.2021: Dr. Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt und Partner bei Bottermann Khorrrami, zu den aktuellen Entwicklungen: „Die Aussichten, dass ein Enteignungsgesetz zustande kommt, sind gering. Die Chance, dass es wirksam wird, sind noch mal deutlich geringer. Zwar werden die Berliner im September darüber abstimmen können, ob Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen enteignet werden sollen. Aber dann ist der politische Prozess noch nicht zu Ende. Der neue Senat wäre dann lediglich aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, doch Enteignungen haben bei der derzeitigen und der zu erwartenden Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus nach der Wahl am 26. September nicht zwingend eine Mehrheit.

Das Gesetz müsste zudem handwerklich sehr sauber gearbeitet werden, um vor Gericht Bestand haben zu können. Berlin hat hier in der jüngeren Vergangenheit nur wenig vorzuweisen. Schwierigkeiten sehe ich insbesondere im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zwängen und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Eine Entschädigung zum Verkehrswert ist für Berlin nicht leistbar. Denn die ist über die aktuellen Mieteinnahmen kaum finanzierbar und die Mieten sollen ja auch noch abgesenkt werden. Eine Entschädigung deutlich unterhalb des Verkehrswertes müsste begründet werden, was angesichts der sehr unterschiedlichen Eigentümer, unter denen sich ja auch Religionsgemeinschaften und deren Wohlfahrtsorganisationen befinden, schwierig werden dürfte. Und jede Ausnahme muss vor dem Gleichheitsgrundsatz bestehen.

Es gibt in Deutschland kein Gericht, das Eigentum derart geringschätzt, wie sich das die Initiatoren des Volksentscheides wünschen. Abgesehen von den Initiatoren dürfte es somit kaum jemanden geben, der am anstehenden Volksentscheid und dessen Ergebnissen seine Freude haben wird.

Staatsrechtler Ulrich Battis: Der Enteignungsvolksentscheid ist nicht umsetzbar

Update, 24.09.2021: Der Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen ist nicht umsetzbar, selbst wenn am 26. September die Mehrheit der Berliner ein Kreuz bei Ja setzt. Zu diesem Schluss kommt der Staatsrechtler Ulrich Battis in einem Rechtsgutachten, das der Verein „Neue Wege für Berlin“ in Auftrag gegeben hat. Er hebt besonders zwei Punkte hervor, die seine Auffassung stützen. Erstens: Vergesellschaftung ist kein Selbstzweck, sie muss verhältnismäßig sein.  Die von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ geforderte Vergesellschaftung wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in privates Eigentum. Zweitens: Ein Vergesellschaftungsgesetz wäre europarechtlich unzulässig, weil es in nicht zur rechtfertigender Weise in die Kapitalverkehrsfreiheit eingreifen würde. Eine Ausnahme für landeseigene Wohnungsgesellschaften oder Genossenschaften verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz. Darüber hinaus fehle dem Land Berlin wie beim Mietendeckel die Gesetzgebungskompetenz für ein Vergesellschaftungsgesetz. „Auch ist von niemandem bisher ernsthaft bestritten worden, dass eine solche Vergesellschaftung bezahlt werden müsste. Und sie wäre mit der geltenden Schuldenbremse unvereinbar“, sagt Ulrich Battis.  Sein Fazit lautet: „Wenn es zu einem Gesetz käme, es würde mit Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden.“ 

Die Mehrheit der Berliner steht einer Enteignung von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften ohnehin kritisch gegenüber. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Vereins „Neue Wege für Berlin“. Demnach halten nur 23 Prozent der Befragten die Enteignung für ein geeignetes Instrument, um die Situation für Mieter und Wohnungssuchende in Berlin zu verbessern. Dagegen halten rund 68 Prozent den Neubau bezahlbarer Wohnungen für das geeignete Instrument. Civey hat insgesamt 506 Berlinerinnen und Berliner vom 16. bis 22. September befragt.  Udo Marin, Vorstand des Vereins, sagt: „Diese aktuelle Umfrage zeigt nur wenige Tage vor dem Volksentscheid, dass eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner die Situation auf dem Wohnungsmarkt sehr realistisch und mit gesundem Menschenverstand einschätzt. Das haben sie manchen in der Politik voraus.“

Ulrich Battis ist emeritierter Professor an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und Rechtsanwalt in der Kanzlei GSK STOCKMANN. Der „Neue Wege für Berlin  ist ein parteiübergreifender Zusammenschluss von engagierten Berlinerinnen und Berlinern, der sich für Neubau und bezahlbare Mieten einsetzt. Er fordert den Bau von 100.000 Wohnungen mit Mieten bis maximal 10 Euro nettokalt bis zum Jahr 2030.

Berliner stimmen für die Enteignung von Immobilien-Konzernen

Update vom 27.09.2021: Die Berliner haben sich am 26. September 2021 für eine Enteignung großer Wohnungskonzerne ausgesprochen:

Das Votum ist rechtlich nicht bindend, aber mit ihm ergeht die Aufforderung an den Berliner Senat, ein Enteignungsgesetz zu entwerfen.

ZIA fordert anlässlich Koaltionsverhandlungen Stopp der Enteignungsüberlegungen

Update vom 26.10.2021: Anlässlich der heutigen Aufnahme konkreter Koalitionsverhandlungen in den Arbeitsgruppen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke warnt der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, eindringlich davor, die Enteignung von Immobiliengesellschaften in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. „Dieses Vorhaben missachtet völlig die Realitäten im angespannten Wohnungsmarkt der Hauptstadt und ist zutiefst schädlich für die Stadt, für die Mieterinnen und Mieter sowie für die zahlreichen Wohnungssuchenden“, sagt ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke. „Die letzte Regierung ist mit der hiesigen Wohnungspolitik bereits unverantwortlich umgegangen – die neue Regierung sollte diesen Fehler nicht fortsetzen. Denn genau wie die Mietpreisbremse und der Mietendeckel wären Enteignungen ein rein populistisches Politik-Mittel und dazu ein Instrument, das den dringend benötigten Wohnungsneubau verhindert.“

Enteignungen würden nicht eine Wohnung mehr schaffen, sondern würden – trotz gegenteiliger Behauptungen bestimmter Gruppen – dafür sorgen, dass sich die Stadt noch weiter verschuldet. Mit der zu zahlenden Entschädigungssumme ließen sich über 100.000 neue Wohnungen bauen. „Wie außerdem die notorisch überlastete Berliner Verwaltung dann noch den hohen personellen Aufwand, der durch eine Übernahme der rund 200.000 betroffenen Wohnungen in Berlin entstehen würde, stemmen will, ist mir ein Rätsel“, sagt Wittke. „Nur durch einen Zusammenschluss aller beteiligten Akteure werden wir die Wohnungsmärkte entlasten können – unter anderem durch eine Beschleunigung bei der Ausweisung von passenden Grundstücken und Flächen zur Entwicklung von neuem und bezahlbarem Wohnraum.“

ZIA: Verfassungswidrigkeit von Enteignungen steht fest

Update vom 24.11.2021: SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben sich geeinigt, wie sie mit dem Enteigungs-Volksentscheid umgehen werden. Es soll eine Expertenkommission eingesetzt werden, die die Möglichkeiten der Umsetzung des Volksbegehrens prüfen und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Berliner Senat erarbeiten soll. Geplant ist, dass die Kommission als erstes die Verfassungskonformität der im Volksentscheid vorgesehenen Vergesellschaftung untersucht

Mehr zur Prüfung der Enteignung auf ihre Verfassungskonformität

Dazu erklärt Stefanie Frensch, Sprecherin der ZIA-Region Ost: „Abseits von verfassungsrechtlichen Fragen dieses Vorhabens ist eine Enteignung von Wohnungsunternehmen genau das Gegenteil dessen, was die Mieterinnen und Mieter der Hauptstadt brauchen. Es werden Milliardensummen ausgegeben, ohne dass auch nur eine einzige Wohnung gebaut wird. Das Geld wird am Ende fehlen, die erworbenen Wohnungen zu unterhalten oder im notwendigen Maße energetisch zu sanieren. Stattdessen könnte die Stadt gemeinsam mit den privaten Unternehmen für dieses Geld mindestens 137.000 modernste Wohnungen mittlerer Qualitätsstufe bauen.

Der Berliner Senat täte gut daran, nach dem Mietendeckel und der vielfachen Ausnutzung von Vorkaufsrechten nicht ein weiteres Regulierungsprojekt zu beginnen, das von Gerichten zurückgewiesen wird. Diese Kommission wird schon bei der Prüfung der Verfassungskonformität zu der Erkenntnis gelangen, dass eine solche Enteignung eine massive Verletzung privaten Eigentums darstellt und nicht durchsetzbar wäre. Zudem verstößt sie gegen das Gleichheitsgebot, weil die Enteignungsschwelle willkürlich und ohne sachlichen Grund bei 3.000 Wohnungen festgesetzt ist. Nicht zuletzt handelt es sich auch um einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, da die Enteignung zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums weder geeignet noch erforderlich ist, um ein sehr wichtiges, legitimes Ziel zu erreichen. Bei alledem geht die Berliner Landesverfassung beim Eigentumsschutz sogar noch über das Grundgesetz hinaus und enthält nur eine Eingriffsermächtigung zur Enteignung im Einzelfall.

Die Immobilienwirtschaft steht zum Dialog bereit. Wir brauchen dringend den angekündigten runden Tisch. Den angespannten Wohnungsmarkt in Berlin werden wir nur entlasten, wenn wir miteinander statt gegeneinander arbeiten. Schnellere Planungs- und Baugenehmigungsprozesse, Ausweisung von Bauflächen und eine stärkere Digitalisierung sind auch hier die Instrumente, auf die diese Stadt angewiesen ist.“

Weitere Updates

Weiter so!? In Berlin wird die Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen geprüft

(24.11.2021)

Zum Artikel


Berliner Enteignungskommission beginnt mit der Arbeit

(11.05.2022)

Zum Artikel


Berliner getäuscht? Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" räumt ein: Mieten sinken durch Enteignung nicht

(05.08.2022)

Zum Artikel


Berlin: Expertenkommission zur Vergesellschaftung stellt Zwischenbericht vor

(16.12.2022)

Zum Artikel


Berlin: Enteignungsinitiative ruft zur Abwahl des Bausenators auf

Update vom 13. Januar 2023: Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat einen sogenannten Abwahlkampf gegen den Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD) gestartet. Wie die Initiative auf einer Pressekonferenz ankündigte, will sie auf Kundgebungen, mit Flyer-Aktionen und in Haustürgesprächen zur Abwahl von Geisel aufrufen.

Die Sprecherin der Initiative, Veza Clute-Simon, sagte: „Die Wahlwiederholung erklären wir zur Kampfansage an die Immobilienlobby und an diejenigen, die den Volksentscheid blockieren. Geisel muss gehen, damit die großen Immobilienkonzerne endlich enteignet werden. Deshalb werden wir in seinem Wahlkreis besonders aktiv und machen auf sein Versagen und seine undemokratische Blockadehaltung aufmerksam. Wir stehen selbst nicht zur Wahl, aber wir haben etwas Großes zu gewinnen: die Umsetzung des Volksentscheids und endlich bezahlbare Mieten.“

Darüber hinaus will die Initiative den SPD-Kandidaten Christian Hochgrebe als Direktkandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus verhindern. Begründung: Er sei ein Freund der Immobilienlobby. Die Finale Aufforderung der Enteignungsinitiative: „Geht am 12. Februar zur Wahl - und gebt nur denen Eure Stimme, die sich klar für Enteignung aussprechen. Wer nicht enteignen will, kann diese Stadt nicht regieren!"

Michael Zahn über Enteignung, Mietendeckel und Mietenwahnsinn

Aktuelles aus der Immobilienbranche – September 2021: Wer baut im Jahr 2021 wo? Wer kauft was? Die aktuellsten Neuigkeiten vom Immobilienmarkt für den Monat September.
Trend

Aktuelles aus der Immobilienbranche – September 2021

Wohnungspolitik in Berlin: So stehen die Parteien zur Enteignung: Engel & Völkers hatte zum Wahlkampfauftakt die Spitzenkandidaten der Berliner Parteien für das Bürgermeisteramt zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Es ging um Enteignung und Mieten und den Senats-Haushalt.
Berlin/Brandenburg / Berlin

Wohnungspolitik in Berlin: So stehen die Parteien zur Enteignung

DDR-Hochhaus am Pirnaischen Platz in Dresden wird wiederbelebt: Der Leipziger Großentwickler QUARTERBACK Immobilien AG will an dem städtebaulich markanten Ort für modernes Wohnen auf über 13.000 Quadratmetern sorgen. Auch ein Anbau für gewerbliche Nutzung ist vorgesehen.
Mitteldeutschland / Sachsen / Dresden

DDR-Hochhaus am Pirnaischen Platz in Dresden wird wiederbelebt