Planungen neuer IT-Forschungsfabriken müssen auf Urbanität setzen

Planungen neuer IT-Forschungsfabriken müssen auf Urbanität setzen

Planungen neuer IT-Forschungsfabriken müssen auf Urbanität setzen
Martin Czaja, Sprecher des Vorstands der BEOS AG. Copyright: BEOS AG

Ob Berlin-Adlershof oder München-Garching – die Standorte für IT- und Tech-Forschung muten oft ein wenig wie städtische Parallelwelten an, entweder aufgrund ihrer Lage oder ihrer retortenhaften Ästhetik. Inzwischen hat bei der Planung neuer Forschungszentren jedoch ein Umdenken eingesetzt, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich die Standortfaktoren ändern, die Wissen und Innovation anziehen. Erfolgreiche Forschung fragt mehr und mehr nach Urbanität.

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Was aber ist Urbanität? In erster Linie ist sie vielschichtig. Es geht keineswegs um die Tatsache, sich innerhalb einer Metropole wie Hamburg oder an Wissensstandorten wie Darmstadt zu befinden. Wie urban ein Standort ist, hängt unter anderem mit sozialräumlichen Strukturen zusammen, also mit dem jeweiligen Maß an Interaktion oder Isolation.

Räumliche Nähe ist für Forschungszentren auch im Digitalzeitalter wichtig

Die Stadt Berlin und auch andere Standorte haben auf diese Entwicklungen bereits reagiert: Sie planen eine stärkere Vernetzung von Industrie und Wissenschaft. Der Hintergedanke: Die räumliche Nähe des jeweiligen Campus zu herausragenden Einrichtungen aus den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie zu den wirtschaftlichen Nervenzentren begünstigen Ansiedlungen und unterstützen Expansionen.

Dies gilt auch für die IT- und Tech-Forschung, die offener für die digitale Kommunikation ist – und vermeintlich ohne physischen Austausch auskommt. Doch selbst in einer Zeit, in der Strategiemeetings per Videokonferenz abgehalten und die wichtigen Daten für einen neuen Prototypen direkt zum 3D-Drucker gesendet werden, ist der persönliche Austausch sowohl zwischen internen und externen Forschenden als auch die Interaktion mit den anderen Abteilungen im jeweiligen Unternehmen essenziell. Wenn ein Produkt am selben Ort entwickelt und getestet werden kann, vereinfacht und befördert das ein interdisziplinäres Zusammenwachsen. Zusätzlich zu den kurzen Wegen innerhalb des städtischen Raums ist also eine räumliche Verschränkung auf dem Campus notwendig – ein Faktor, der maßgeblich von der Konzeption und der Flexibilität des Areals abhängig ist.

Neue Urbanität: Ein intelligent entworfener IT- und/oder Forschungscampus ist Teil eines lebendigen Quartiers

Ein produktives Arbeitsumfeld – beziehungsweise ein intelligent entworfener Campus – reicht jedoch nicht allein aus. Früher haben die Menschen sich den favorisierten Arbeitgeber ausgesucht und erst im zweiten Schritt auf die Stadt und die Lage des Arbeitsplatzes geachtet. Heutzutage ist es in vielen Fällen umgekehrt: Die Arbeitnehmer wissen, wie begehrt sie sind, und sie suchen sich einen gesellschaftlich relevanten Ort aus, der sie interessiert und der sie inspiriert.

Für echte Urbanität und Interaktion im Arbeitsumfeld braucht es Forschungsstätten innerhalb eines Quartiers, das Vielfalt bietet – von Gastronomie und Aufenthaltsqualität über Unternehmen der Logistik und Leichtproduktion bis hin zu Büros und Wohnungen – und zwar dergestalt, dass der Übergang zwischen Forschungsstandort und Kiez gar nicht spürbar ist. Diese Wechselwirkung zwischen Raum und sozialem Austausch zeigt sich beispielsweise darin, wie leicht es einem neu Zugezogenen fällt, Kontakte zu knüpfen. Oder auch darin, ob sich das Zusammenspiel der einzelnen Flächen organisch gewachsen anfühlt, oder aber gekünstelt wirkt. Bei der Frage, wie gut sich ein Forschungscampus tatsächlich in ein urbanes Quartier einfügt, geht es also um subtile Kriterien der subjektiven Wahrnehmung.

Standorte von IT-Forschungsfabriken müssen Talente anziehen und halten

Wichtig ist zudem, dass Innovationszentren flexibel gestaltet sind. Sie müssen sich im Laufe der Zeit bei Bedarf schnell wieder wandeln können. Alle Zahnräder der Urbanität und auch die Zahnräder, die künftig noch dazukommen, müssen ineinandergreifen. 

Ein Erkläransatz, warum dieses Ineinandergreifen gerade von der IT- und Tech-Forschung künftig noch stärker nachgefragt werden könnte, ist die Theorie der technologischen Lücke. Sie bezieht sich originär auf den Außenhandel und bezeichnet den technologischen Rückstand eines Landes, das von seinen Handelspartnern Waren importiert und diese Lücke anschließend durch Imitation dieser Waren schließt. Mit Blick auf urbane Gewerbequartiere weist die Theorie darauf hin, dass die Qualität technologischer Vorteile von der Bildung und Qualifikation der Mitarbeiter abhängt, die wiederum den technologischen und innovatorischen Vorteil eines Standorts spiegeln.

Unternehmen, die wissensintensive Leistungen anbieten oder eben auch forschend tätig sind, benötigen demnach einen Standort, an dem ein Wissensvorsprung langfristig gewährleistet ist. Vereinfacht gesagt: Die Standorte müssen die großen Talente anziehen und halten. Das geht weder mit Langeweile noch mit Isolation.

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