Mit 15.362 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2024 liegt der Berliner Wohnungsneubau erneut unter dem selbst gesteckten Ziel von jährlich 20.000 neuen Einheiten. Zu wenig für die wachsende Nachfrage. Vertreter der Periskop Development, der Instone Real Estate, der Investitionsbank Berlin, der Strategis AG sowie der WvM Berlin Immobilien zeigen Probleme und Lösungen auf.
„Wir leben noch von den Genehmigungen aus den Vorjahren und werden kurzfristig vom Bauüberhang profitieren.“ Mit diesem Satz bringt Andreas Tied, Bereichsleiter Immobilien- und Stadtentwicklung bei der Investitionsbank Berlin (IBB), die gegenwärtige Schieflage auf dem Berliner Wohnungsmarkt auf den Punkt. Der Neubau reicht längst nicht mehr aus, um mit der wachsenden Nachfrage Schritt zu halten, und die Mietbelastung klettert auf neue Höchststände. Andreas Tied verdeutlichte: Die Zahl der Baugenehmigungen ist von ihrem Höchststand im Jahr 2016 mit rund 25.000 Einheiten auf inzwischen unter 10.000 gefallen. „Die Baufertigstellungen sinken mit Zeitverzug und nicht ganz so stark – 2024 wurden 15.362 Wohnungen fertiggestellt.“ Der Grund sei ein nach wie vor vorhandener Bauüberhang, der sukzessive abgeschmolzen werde. Das reiche jedoch nicht: „Wir brauchen nach wie vor mindestens 20.000 neue Wohnungen pro Jahr, allein um den Bedarf zu decken“, sagt Andreas Tied. Und mit Blick auf die Zuzugszahlen – 2024 wuchs die Berliner Bevölkerung um über 19.000 Menschen – dürfte sich der Druck weiter verschärfen.
Ein positives Beispiel in der angespannten Lage ist die „Friedenauer Höhe“. Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes Wilmersdorf entwickelt Instone Real Estate gemeinsam mit der OFB Projektentwicklung ein neues autofreies Stadtquartier mit rund 1.100 Wohnungen, Nahversorger, Schule und Kita. „Wir liegen ein halbes Jahr vor dem Terminplan“, berichtet Saidah Bojens, Niederlassungsleiterin Berlin bei Instone Real Estate. „Das ist uns gelungen, weil wir 2022 in einem noch sehr stabilen wirtschaftlichen Umfeld starten konnten. Heute wäre das in dieser Form deutlich schwerer.“ Vom ersten politischen Beschluss bis zur Genehmigung vergingen fast zehn Jahre. Der Bau selbst dauert nicht einmal vier. „Unser Ziel bei der Entwicklung unserer Quartiere ist es, Lebensräume zu schaffen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen gerecht werden“, so Saidah Bojens. In der Friedenauer Höhe entstehen 537 Mietwohnungen, darunter 238 geförderte Einheiten, die von der HOWOGE übernommen wurden. Weitere 131 Wohnungen werden als Eigentum angeboten – zu einem Preis von durchschnittlich 8.000 Euro pro Quadratmeter. Die Mieten liegen bei etwa 25 Euro je Quadratmeter.
Sascha Nöske, Vorstand der Strategis AG, bestätigt diese Preisentwicklung. „Wir sehen in gefragten Lagen wie Prenzlauer Berg oder Schöneberg inzwischen Neubau-Mieten von 20 bis 28 Euro pro Quadratmeter.“ Die Folge: „Die 30-Prozent-Belastungsquote ist längst überholt – viele Haushalte geben inzwischen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Miete aus.“ Besonders betroffen seien zugezogene Haushalte mit mittleren Einkommen, die keine Altverträge haben und direkt in den teuren Neubau einsteigen müssten. Auch im Verkauf stoßen viele Projekte an Grenzen. „Wir versuchen, um die 8.000 Euro anzubieten – das ist für die meisten Entwickler kaum mehr darstellbar“, sagt Sascha Nöske. Erschwert werde die Situation durch die Finanzierung: „Einige Banken fordern mittlerweile bis zu 50 Prozent Eigenkapital von Eigennutzern, was oft schwer zu realisieren ist.“ Die Leichtigkeit sei aus dem Markt verschwunden.
Die wvm Berlin Immobilien, ein Tochterunternehmen der Kölner wvm Gruppe, ist derzeit mit sechs Projekten und insgesamt 585 Wohnungen aktiv. In Karlshorst entsteht mit dem „Zwieseler Hof“ ein Ensemble aus 321 Einheiten, davon 30 Prozent als geförderter Wohnraum. Die Eigentumswohnungen werden zwischen 5.900 und 7.400 Euro je Quadratmeter angeboten. Die serielle Bauweise erfolgt in Zusammenarbeit mit Goldbeck, die Planung stammt von Nöfer Architekten. „Wir glauben, dass es eine Marktopportunität gibt und gehen von einem steigenden Käuferinteresse aus“, sagt Dr. Clemens Paschke, Geschäftsführer der wvm Gruppe Berlin. Entscheidend sei, „bei der nächsten Erholung vorne zu stehen – mit Wohnungen, die fast fertig sind“.
Clemens Paschke zeigte auf, wie sehr sich Anforderungen und Wirtschaftlichkeit in Berlin reiben: Um die durch die Kooperative Baulandentwicklung festgesetzte Sozialquote zu erfüllen und zusätzliche Auflagen etwa für Schulbau zu tragen, müssten erhebliche Mehrkosten auf die übrigen Wohnungen umgelegt werden – mit 300 bis 400 Euro pro Quadratmeter schlägt sich das direkt im Preis nieder.
Dass auch strategischer Flächenankauf unter schwierigen Rahmenbedingungen möglich ist, zeigt Periskop Development. Geschäftsführer Dr. Simon Kempf berichtet vom geplanten Quartier an der Konrad-Wolf-Straße in Lichtenberg: 72.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sind dort vorgesehen – 80 Prozent Wohnen, 20 Prozent Gewerbe. „Die leerstehende Hotelruine wird zurückgebaut. Geplant ist ein gemischtes Quartier mit Nahversorgung und einem neuen Hotel für das benachbarte Sportforum“, so Simon Kempf. Etwa 17.000 Quadratmeter Wohnfläche sollen als mietpreisgebundener Wohnraum entstehen – umgesetzt nach dem Berliner Modell der Kooperativen Baulandentwicklung. Periskop Development plant aktuell rund 9.000 Wohneinheiten in Berlin und Brandenburg. Doch Simon Kempf warnt: „Ob ein Projekt vorankommt, hängt weniger vom Bezirk als von den Verwaltungsmitarbeitern ab.“ Der Umgang mit Artenschutzauflagen etwa sei zunehmend absurd. „In fast jedem Quartier tauchen heute Zauneidechsen auf. Allein deren Umsiedlung kann sechsstellige Beträge kosten.“ Zugleich mahnt Simon Kempf an, dass das Schneller-Bauen-Gesetz nur in Verbindung mit gezielten Fördermaßnahmen für Kommunen funktioniere – etwa durch Auslagerung von Planungsverfahren an zertifizierte externe Büros unter kommunaler Aufsicht. „Wir müssen weg von der Haltung, dass neuer Wohnraum Belastung ist. Er ist Voraussetzung für lebendige Städte.“