Hendrik Staiger, Vorstandsvorsitzender crenet Deutschland e.V. und Sprecher des Vorstandes der BEOS AG, spricht im Interview über die aktuelle Marktsituation von Unternehmensimmobilien, über übertechnisierte Gebäude und die allgemeine Unsicherheit. Um Transformation geht es auch bei der crenet Jahreskonferenz 2025 am 16. und 17. Juni 2025 in Frankfurt am Main.
IMMOBILIEN AKTUELL: Laut der Initiative Unternehmensimmobilien lag der Flächenumsatz in Unternehmensimmobilien im ersten Halbjahr 2024 bei rund 1,74?Millionen Quadratmetern – dem besten Halbjahreswert seit 2019. Was macht Unternehmensimmobilien so resilient gegen Krise?
Hendrik Staiger (HS): Das ist eine Kombination aus zwei Kernthemen: Auf der einen Seite ist Deutschland immer noch ein wirtschaftlich extrem starker Standort mit einer sehr breit gefächerten Unternehmenskultur von einem starken Mittelstand bis zu großen Corporates, auf der anderen Seite haben wir sehr flexible Immobilien, die mit entsprechenden Anpassungen auch für neue Nutzer und neue Nutzungen funktionieren.
IA: Welche Bedarfe sehen Sie hinsichtlich der Flächen?
HS: Wir sehen den Bedarf an allen Arten von Flächen, von Lager/Logistik über Produktion bis hin zu modernen Laborflächen, denken sie nur an Life Science. Dazu gehören aber auch zeitgemäße Bürokonzepte.
IA: ESG ist in aller Munde, beim Neubau auch nicht das Problem. Gibt es Zahlen zum Bestand in diesem Segment?
HS: Es gibt keine wirklich belastbaren Zahlen, aber die Schätzungen und die Marktbeobachtung ist da eindeutig: nicht nur bei Unternehmensimmobilien, sondern bei allen Immobilien passiert zu wenig, gerade im Bereich Dekarbonisierung.
IA: Buzzword Transformation: Im Office-Bereich sehen wir, dass viele Immobilien nicht den neuesten Ansprüchen entsprechen, Nach-Finanzierungen nur sehr schwer möglich sind, der Leerstand steigt. Wie schätzen Sie das in Ihrem Segment ein?
HS: Wir sehen in diesem Segment bei guten Objekten keine vergleichbaren Probleme, wie im Office-Bereich. Die Konditionen sind natürlich auf heutigem Marktniveau. Hoffen wir mal, dass die jüngste Senkung der Leitzinsen der EZB da etwas bewirkt.
IA: Laut Grandview Report erzielte der deutsche Smart-Building-Markt 2023 einen Umsatz von 4.850,0 Millionen US-Dollar und wird voraussichtlich bis 2030 auf 24.460,0 Millionen US-Dollar anwachsen. Das entspricht einer Wachstumsrate von 26 Prozent. Wie wichtig ist Smart Bulding in Unternehmensimmobilien?
HS: Es gibt ja nicht unbedeutende Verweise darauf, dass genau das Bau- und vor allem Unterhaltungskosten enorm in die Höhe treibt. Ich habe dazu eine klare Meinung: Technik ist der Teil am Gebäude, der am schnellsten veraltet. Ich bin für schlaue Gebäude, die möglichst wenig Technik benötigen, die dann auch im wahren Wortsinn „Smart“ sind. Das hilft auch im Betrieb, beispielsweise bei der Energieeinsparung. Es gibt aber auch übertechnisierte Gebäude, die dadurch teuer in der Erstellung und im Betrieb sind – das halte ich für einen Irrweg.
IA: Die Digitalisierung wird laut einer Studie der Technischen Universität Darmstadt von einer Mehrheit der CREM-Verantwortlichen (56 Prozent) als wichtigster Transformationstreiber im Corporate Real Estate Management angesehen. Wie hoch schätzen Sie den Digitalisierungsgrad ein und was sind die nächsten Stellschrauben?
HS: Wenn man bedenkt, wo wir im CREM herkommen, ist die Digitalisierung schon weit vorangekommen. Noch vor wenigen Jahren, hatten viele noch nicht mal die wesentlichsten Daten strukturiert vorzuliegen. Wir sind da aber noch lange nicht da, wo wir uns hinbewegen müssen und wollen. Die Relevanz einer guten Datenlage nimmt immer mehr zu und ist die Basis von jedem faktenbasierten Management und auch von allen dazu eingesetzten digitalen Tools inklusive Künstlicher Intelligenz. Ohne gute Daten geht da nichts. Der aktuelle Stand ist in der Branche noch extrem unterschiedlich – tendenziell bei den großen Unternehmen besser, aber es gibt natürlich viele Ausnahmen. Gerade KI wird hier aber in Zukunft viele Dinge in der Umstellung beschleunigen können.
IA: Der Wandel im Office-Segment wird viel besprochen. Welche Veränderungen gibt es in Ihrem Segment: Werden sich dort auch Pay-per-Use, flexible Flächenkonzepte und kurzfristigere Vermietungen durchsetzen?
HS: Ich hatte eigentlich erwartet, dass das schneller kommt, aber es wird in bestimmten Bereichen zunehmen, zum Beispiel im Laborsegment. Ich vermute, dass die Bandbreite an Lösungen groß bleiben wird von kurzfristigen Anmietungen für Projekte bis zu sehr langfristigen Anmietungen für Flächen, in den viel investiert wird, oder die aus anderen Gründen eine langfristige Perspektive haben.
IA: Laut Savills ist der Anteil von Sale-and-Leaseback-Transaktionen an Industrieimmobilien-Investments im ersten Halbjahr 2024 bereits auf über zehn Prozent gestiegen. Wie schätzen Sie hier die weitere Entwicklung ein?
HS: Die Tendenz, dass in Deutschland die Corporates und die großen Mittelständler die Eigentumsquoten reduzieren, gibt es seit Jahren. Wir sehen da aber aktuell eine schon länger erwartete Beschleunigung. Das hat Gründe von Kapitalfreisetzung bis zu Flächenflexibilisierung. Das wird erstmal so weitergehen.
IA: Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut: Welche Auswirkungen hat das für Ihr Segment?
HS: Wir sehen nur sehr begrenzt echte Flächenreduzierungen, aber es wird aktuell in vielen Firmen vorsichtig gehandelt und eher verlängert als neu gemietet. Die allgemeine Unsicherheit zur Lage der Weltwirtschaft ist natürlich nicht wirklich förderlich, aber es geht der deutschen Wirtschaft unter dem Strich besser, als es allgemein den Anschein hat. Ich will das auch gar nicht schönreden, es ist natürlich auch ein Bild, dass in den Branchen sehr unterschiedlich ist.
IA: Sie stehen seit vielen Jahren dem Verband crenet vor. Dieser sieht sich als „Impulsgeber für Menschen und Unternehmen mit Verantwortung für Betriebsimmobilien“. Welche neuen Impulse gibt es derzeit?
HS: Wir sind eher der Impuls“weiterreicher“ – von den großen Nutzern in die Immobilienwirtschaft und umgekehrt. Wir wollen, dass sich alle gegenseitig verstehen, Know-how austauschen und sich unterstützen und weiterbringen. Die Impulse kommen zurzeit insbesondere zu Themen wie Transformation, Quartier, Stadtplanung, zu Nachhaltigkeit/Energieversorgung, zu Digitalisierung/KI und zum Bauen. Das heißt vor allem Bestand, neue Materialen, serielles und modulares Bauen.
IA: Wie viele Mitglieder haben Sie und wen konnten Sie in diesem Jahr bereits neu im Verband begrüßen?
HS: Unser Verband hat insgesamt 110 Mitglieder (persönliche und Firmenmitglieder). In diesem Jahr konnten wir die Firmen LIST Bau, Wisag Facility Management, THOST Projektmanagement GmbH, Jamestown Europe GmbH, Colliers International Deutschland GmbH, CBRE GWS IFM Industrie GmbH sowie Designflooring GmbH als neue Firmenmitglieder gewinnen.
Die crenet Jahreskonferenz 2025 am 16. und 17. Juni 2025 in Frankfurt am Main steht in diesem Jahr unter dem Titel: Transformation ist nicht das Problem – es ist die Lösung!