"KI ist die größte Gefahr für Immobilienkäufer"

"KI ist die größte Gefahr für Immobilienkäufer"

"KI ist die größte Gefahr für Immobilienkäufer"
Quelle: Jan Moritz Becker

Künstliche Intelligenz gilt als Meilenstein für den Immobilienmarkt. Sie bringt Geschwindigkeit, Transparenz und eröffnet Käufern wie Profis neue Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren undenkbar waren. Preise lassen sich vergleichen, Exposés auswerten, Sanierungskosten kalkulieren – vieles wird einfacher und nachvollziehbarer. Doch so groß die Chancen sind: Jan Moritz Becker, Geschäftsführer der Cashflow Quartier – Real Estate GmbH, kümmert sich nicht um die Sonnenseiten, sondern um die Risiken. Denn wo Algorithmen Sicherheit suggerieren, können Fehlentscheidungen entstehen, die Käufer teuer zu stehen kommen.

Eine der größten Stärken von KI ist die Geschwindigkeit. Innerhalb weniger Sekunden entstehen detaillierte Kalkulationen: Eine Dachsanierung soll 150 Euro pro Quadratmeter kosten, die neue Heizung 18.000 Euro, die Fassade 80 Euro pro Quadratmeter. Was auf den ersten Blick präzise wirkt, ist in Wahrheit trügerisch.

Ob das Dach statisch verstärkt werden muss, ob asbesthaltige Platten verbaut sind oder ob zusätzliche Dämmmaßnahmen nötig sind, bleibt in keiner Kalkulation sichtbar. Auch bei Heizsystemen zählen Durchschnittswerte wenig, wenn ein Altbau erst mit großem Aufwand an Wärmepumpen-Technik angepasst werden muss. Zahlen ohne Kontext suggerieren Sicherheit – und genau das macht sie gefährlich.

Die Illusion vollständiger Klarheit

Besonders problematisch ist die Autorität der Zahlen. Wenn ein Algorithmus berechnet, dass eine Modernisierung 120 Euro pro Quadratmeter kostet, wirkt das seriös. Doch sobald unvorhersehbare Arbeiten auftauchen – feuchte Wände, marode Leitungen, Schadstoffe im Boden – steigt die Summe schnell um ein Vielfaches.

Noch gravierender sind die „blinden Flecken“ der Systeme. Eine KI kennt die Bodenrichtwerte einer Lage, aber nicht, dass auf der Nachbarfläche bereits ein Gewerbegebiet geplant ist. Sie kann den Energieausweis lesen, aber nicht erkennen, dass Wärmebrücken im Mauerwerk neue Probleme verursachen. Und sie sieht nicht, dass ein vermeintlich charmantes Viertel soziale Spannungen erlebt. Immobilienkäufe sind mehr als eine Rechenaufgabe. Sie sind immer auch Entscheidungen über Lebensqualität, Nachbarschaft und Atmosphäre.

Datenqualität als Maßstab

Das Potenzial der KI steht und fällt mit der Datenbasis. Werden nur oberflächliche Werte eingespeist, entstehen Ergebnisse, die wie harte Fakten wirken, in Wahrheit aber nicht belastbar sind. Jedes Gebäude ist individuell, jede Lage bringt Besonderheiten mit. Fehlen diese Informationen, folgt daraus eine falsche Realität.

Umgekehrt zeigt sich hier die Chance: Wenn Baupläne, Gutachten, Energieberichte und Marktdaten in hoher Qualität eingebunden sind, kann KI Muster sichtbar machen, Auffälligkeiten erkennen und Transparenz schaffen. Damit wird sie zu einem Werkzeug, das Laien Orientierung und Profis Effizienz bringt – solange ihre Ergebnisse kritisch eingeordnet werden.

Rechtliche Verantwortung bleibt beim Käufer

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Haftungsfrage. Was passiert, wenn ein KI-Tool Sanierungskosten massiv unterschätzt? Die meisten Anbieter arbeiten mit umfassenden Disclaimern und schließen jede Gewährleistung aus. Juristisch betrachtet sind die Berechnungen unverbindlich. Das bedeutet: Die Verantwortung bleibt immer beim Käufer – selbst wenn er sich auf scheinbar exakte Zahlen verlassen hat.

Die Gefahr liegt also weniger in der Technik selbst als in der Versuchung, Verantwortung an sie abzugeben. KI erzeugt die Illusion, komplexe Entscheidungen ließen sich delegieren. Doch die Konsequenzen trägt am Ende immer der Mensch.

Fazit: Chance und Risiko zugleich

Künstliche Intelligenz ist ein Meilenstein für den Immobilienmarkt. Sie eröffnet Transparenz, beschleunigt Prozesse und macht Informationen zugänglich, die früher verborgen waren. Für Käufer ist das eine enorme Chance.

Doch sie ist kein Ersatz für Erfahrung und kritisches Denken. Blindes Vertrauen führt zu falscher Sicherheit und teuren Fehlern. Richtig eingesetzt, ist KI ein wertvolles Werkzeug, das Analysen vereinfacht und Entscheidungen unterstützt. Aber nur, wenn Menschen Verantwortung behalten und Expertise mit Technik verbinden.

Die Revolution ist real – doch sie gelingt nur im Zusammenspiel von Daten, Erfahrung und gesundem Menschenverstand.

Autorenbeschreibung:

Jan Moritz Becker ist Immobilieninvestor, Gutachter und Geschäftsführer der Cashflow Quartier – Real Estate GmbH. Er verhilft Unternehmern sowie Privatpersonen dazu, Immobilien ohne Eigenkapital zu kaufen und finanzielle Freiheit zu erlangen.