Ambulante Versorgungsstruktur: „Kein kleiner Satellit, sondern ein großer in sozialer Infrastruktur“

Ambulante Versorgungsstruktur: „Kein kleiner Satellit, sondern ein großer in sozialer Infrastruktur“

Ambulante Versorgungsstruktur: „Kein kleiner Satellit, sondern ein großer in sozialer Infrastruktur“
Mit dem Investment in dieses MVZ in Mainz stieg neworld in die Assetklasse Ambulante Versorgung ein. Quelle: neworld

Ambulante Gesundheitsimmobilien entwickeln sich vom Nischensegment zur strategisch wichtigen Klasse sozialer Infrastruktur. Die Fallzahlen steigen, Kliniken schließen, Behandlungen wandern in spezialisierte Zentren. Branchenakteure zeigen, warum der Bedarf hoch ist, weshalb Investoren das Segment neu bewerten und welche strukturellen Faktoren das Wachstum treiben.

Agentur

Der Umbau des deutschen Gesundheitswesens schreitet voran ,und er verändert den Immobilienmarkt. Während Krankenhäuser schließen, verlagern sich Leistungen zunehmend in den ambulanten Bereich. Felix Rotaru, Director Healthcare bei Hauck Aufhäuser Lampe, beschreibt die Dynamik: „Ambulante Gesundheitsimmobilien sind Trend.“ Die Dimensionen sind beachtlich: 97 Prozent aller Behandlungsfälle erfolgen heute ambulant, jährlich werden 580 Millionen Patientenkontakte verzeichnet. Für Felix Rotaru hat das klare Konsequenzen: „Die Landschaft in diesem Bereich ändert sich und damit auch die Immobilien-Infrastruktur.“

Dass es dabei keinen einheitlichen Gebäudetyp gibt, ist für ihn zentral. „DIE ambulante Gesundheitsimmobilie gibt es nicht, sondern sehr unterschiedliche Nutzungskonzepte.“ Diese reichen von Ärztehäusern, Facharztzentren und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) über ambulante OP-Zentren und Rehazentren bis zu Laboren, Dialyse-Zentren und intersektoralen Gesundheitsstandorten.

Die Auswertung der bundesweit gehandelten Objekte zeigt deutliche Muster:

Diese Struktur macht das Segment sowohl skalierbar als auch divers und damit attraktiv für Investoren, die stabile Cashflows und geringe Ausfallrisiken suchen. Carsten Demmler, Geschäftsführer von HIH Invest, sieht insbesondere im Bereich der Medizinischen Versorgungszentren erhebliches Wachstum. „Wir haben eine breite Mischung aus Allgemeinmedizinern und Fachmedizinern“, sagt er. Gleichzeitig steigt der Bedarf in einzelnen Fachrichtungen deutlich. „In den Bereichen Psychosomatik und Suchterkrankungen sehen wir stark steigende Zahlen, genau deshalb schauen wir uns diese Immobilien sehr genau an.“

Neben der medizinischen Versorgung rückt ein zweites Thema immer stärker in den Fokus: altersgerechtes Wohnen. „Sieben Millionen Haushalte sind älter als 70 Jahre“, so Carsten Demmler. „Zehn Prozent davon brauchen altersgerechte Versorgung.“ Das entspricht einem Bedarf von 700.000 geeigneten Wohnungen bei einem derzeitigen Bestand von nur 300.000. Für ihn ist klar: Ambulante Gesundheitsinfrastruktur und betreutes Wohnen werden sich stärker verzahnen.

HIH Invest hat für beide Bereiche klare Investitionskorridore definiert: Einzelobjekte bewegen sich zwischen zehn und 25 Millionen Euro, die Ausschüttungsrendite liege „momentan mindestens bei fünf Prozent“. Carsten Demmler betont, dass ambulante Gesundheitsimmobilien „kein kleiner Satellit, sondern ein großer Teil sozialer Infrastruktur“ seien.

Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment bei Hauck Aufhäuser Lampe, sieht das ähnlich und sagt: „Wir folgen keiner Mode, sondern investieren nachhaltig.“ Auch er und sein Team setzen auf klare konservative Leitlinien: kein Fremdkapital, ein Renditeziel von 4,75 Prozent und strikte Risikobegrenzung. „Diversifizierung ist Trumpf“, betont er. Single-Tenant-Risiken im Gesundheitswesen schließt er konsequent aus. „Das Betreiberrisiko wollen wir unseren Investoren nicht zumuten.“ Stationäre Pflegeobjekte kommen daher grundsätzlich nicht ins Portfolio. Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank (HAL REIM) legte im Juni 2025 gemeinsam mit IntReal den zweiten Spezialfonds für soziale Infrastruktur in Deutschland auf. Der Fonds HAL Soziale Infrastruktur Deutschland 2 investiert vor allem in ambulante Gesundheitsimmobilien wie Ärztehäuser und Gesundheitszentren. Im Fokus stehen Core- und Core+-Objekte, ergänzt um rund 30 Prozent Value-Add-Investments mit Entwicklungs- und Verdichtungspotenzial. Er ist als Eigenkapitalvehikel mit einem Zielvolumen von 150 bis 250 Millionen Euro konzipiert und strebt eine Cash-on-Cash-Rendite von über 4,75 Prozent pro Jahr bei einem Prognosezeitraum von zehn Jahren an. Zum Start sind zwei Seed-Investoren aus Banken- und Versicherungssektor an Bord, das erste Closing liegt bei über 30 Millionen Euro.

Ambulante OP-Zentren verändern die Versorgungslogik

Einen besonders dynamischen Teilmarkt beleuchtet Alexander Lackner, CEO von neworld. Die Investmentgesellschaft beteiligte sich erstmals an einer Gesundheitsimmobilie und investierte in ein medizinisches Versorgungszentrum in Mainz-Bretzenheim. Das von KAP Architektur Development entwickelte Neubauprojekt umfasst vier Gebäude mit 17.450 Quadratmetern Bruttogrundfläche, rund 12.500 Quadratmetern Mietfläche, mehreren OP-Sälen sowie einer Tiefgarage mit 200 Stellplätzen. Das Bauvolumen liegt bei etwa 60 Millionen Euro. Die Flächen sind vollständig vermietet, überwiegend an ärztliche Nutzer. Das Versorgungszentrum ist barrierefrei, verfügt über gute ÖPNV-Anbindung und wird im KfW50E-Standard gebaut. „Von vielen Ärzten hören wir den Wunsch nach einem ambulanten OP-Zentrum“, so Alexander Lackner. Die Gründe liegen in der Überlastung stationärer Häuser. „In der Versorgung in Kliniken kommt es zu Engpässen. Damit fehlt bei Ärzten und Patienten Planbarkeit.“ Ambulante OP-Zentren arbeiten dagegen ohne Notfallbetrieb und damit ohne Verschiebungen und Ausfällen von OPs. „Das Segment ist relativ konjunkturunabhängig mit einer bonitätsstarken und standorttreuen Mieterschaft, was stabile und langfristige Cashflows garantiert“, so Alexander Lackner. Bis zu eine Million operative Fälle könnten jährlich in den ambulanten Bereich verlagert werden.