Hotels entstehen längst nicht mehr nur auf der grünen Wiese. Alte Bürogebäude, leerstehende Verwaltungsbauten oder ganze Areale werden neu gedacht als Orte des Aufenthalts, der Arbeit, des Überganges. Daniel Schneider, Gründer und Head of Development beim Zürcher Architekturbüro Monoplan, spricht über die Transformation der Hotellerie, über Grenzen des Machbaren und über die Kunst, wirtschaftliche Realität mit Designqualität zu verbinden.
IMMOBILIEN AKTUELL (IA): Wie verändert sich der Hotelmarkt in Deutschland und Europa derzeit?
Daniel Schneider (DS): Wir erleben seit etwa zwei Jahren eine deutliche Bewegung sowohl auf Investorenseite als auch bei den Betreibern. Die Umnutzung von Bestandsimmobilien ist zu einem zentralen Thema geworden. Seit etwa 2019 gab es zunächst Leerstände im Retail- und Bürobereich, weil große Ankermieter weggefallen sind. Diese Liegenschaften waren für uns eine Chance zur Neupositionierung. Dafür kamen Hotels, Gastronomie, öffentliche Nutzungen in Frage. Dann kam die Pandemie, und der Markt stand zwei Jahre still. Danach erlebte die Hospitality aber eine schnelle Erholung. Reisen, Begegnung, Freizeit: Das Bedürfnis danach war sofort wieder da. Jetzt kommen die institutionellen Investoren zurück. Leere Bürogebäude mit 5.000 Quadratmetern oder mehr sind für viele von ihnen plötzlich interessant. Hotels sind Single-Tenant-Produkte mit langfristigen Verträgen, das ist attraktiv.
IA: Viele dieser Projekte entstehen im Bestand. Wo liegen die größten architektonischen Herausforderungen bei der Umwandlung?
DS: Der wichtigste Punkt ist die Substanz. Nicht jedes Produkt funktioniert an jedem Standort. Wir prüfen zu Beginn: Was passt zum Markt, welche Vertragsmodelle sind möglich, was lässt sich baulich überhaupt umsetzen und was ist finanzierbar? Viele Angebote scheitern daran, dass die Grundlogik nicht stimmt. Wir lehnen lieber Projekte ab, als unrealistische Träume zu verfolgen. Renderings kann jeder, aber man kann sie nicht bauen.
IA: Können Sie Beispiele nennen, bei dem eine Umnutzung besonders gut funktioniert hat?
DS: In Zürich haben wir ein leerstehendes Bürogebäude zu einem Motel One mit rund 400 Zimmern umgebaut, ein Projekt, das wir übrigens über ein Wochenende durchkalkuliert haben. Inklusive Risikobewertung, Skizzierung des Umbaus, Kosten- und Zimmeranzahl-Prognose. Der Investor hat sich darauf eingelassen und ist bis heute zufrieden. Das war eine klassische Win-win-Situation: Wir haben ein brachliegendes Grundstück reaktiviert und ein funktionierendes Produkt geschaffen. Ein anderes Beispiel ist das CitizenM in Genf. Das war ein ehemaliges Büro- und Retailgebäude in einer Einkaufsmeile. Heute ist es das erste CitizenM-Hotel in der Schweiz, ein Lifestyle-Produkt, das in enger Zusammenarbeit mit einem institutionellen Investor realisiert wurde. Beide Projekte zeigen, wie man Leerstände in Wert setzen kann.
IA: Internationale Hotelketten arbeiten mit detaillierten Design Manuals. Wie viel Raum bleibt einem Architekten bei solchen Vorgaben?
DS: Mehr, als man denkt. Diese Manuals sind wichtig, weil sie eine Marke definieren, sie umfassen oft mehrere hundert Seiten. Aber wir hinterfragen sie dort, wo sie den Standort nicht widerspiegeln. Architektur lebt vom Kontext. Ein Holiday Inn in São Paulo funktioniert anders als ein Mandarin Oriental in Zürich, selbst wenn die Marke global gedacht ist. Wir bringen unsere Erfahrung ein, um Standards an den Ort anzupassen, ohne den Markenkern zu verlieren.
IA: Hotels sind technisch hochkomplexe Gebäude. Welche planerischen Details entscheiden darüber, ob ein Haus langfristig funktioniert?
DS: Technik und Logistik. Ein Hotel braucht Küchen, Haustechnik, Lüftung, Schallschutz, alles auf engem Raum, bei hoher Frequenz. Wenn man hier Kompromisse eingeht, leidet der Betrieb. Wichtig ist, dass wir von Beginn an mit den Betreibern und technischen Fachplanern zusammenarbeiten. Nur so entsteht ein Konzept, das in der Realität funktioniert.
IA: Viele Betreiber kalkulieren mit Renovierungszyklen von fünf bis sieben Jahren. Wie wirkt sich das auf die Planung aus?
DS: Es beeinflusst den gesamten Entwurf. Wir arbeiten mit modularen Grundrissen und wiederverwendbaren Bauteilen, die sich einfach erneuern lassen. Materialien müssen langlebig, aber auch flexibel austauschbar sein. Wenn Design und Technik auf Verschleiß vorbereitet sind, bleibt das Haus wirtschaftlich.
IA: Monoplan arbeitet für Marken wie Mandarin Oriental, CitizenM und Holiday Inn. Wie gelingt es, diese internationale Vielfalt zu steuern?
DS: Wir verstehen uns als Gesamtdienstleister – von der Konzeptstudie bis zum Preopening. Architektur, Interior und Branding greifen ineinander, aber immer mit einer wirtschaftlichen Logik. Wir kennen die Unterschiede in den verschiedenen Bauordnungen, im Handwerksstandard und vor allem auch in der Kultur. Es ist wichtig lokal anzupassen, ohne die Identität einer Marke zu gefährden.
IA: Wohin entwickelt sich die Hotellerie aus architektonischer Sicht?
DS: Wir sehen eine klare Tendenz zu gemischten Nutzungen: Coworking, Coliving, Long- und Shortstay, Senioren- oder Studentenwohnen – alles Teil eines größeren, gewerblichen Wohnsegmentes. Das klassische Hotel wird dadurch neu gedacht: flexibler, nachhaltiger, offener. Aber egal, wie sich der Markt entwickelt, am Anfang steht immer die Analyse. Wenn das Produkt, der Standort und die Finanzierung stimmen, entstehen Orte, die Bestand haben. Und nur dann lohnt es sich zu bauen.


