„Bergbau ist Folklore“

„Bergbau ist Folklore“

„Bergbau ist Folklore“
Dr. Ulrich Nagel hat das neue Veranstaltungsformat initiiert.

Ein ehemaliges Wohnhaus aus der Gründerzeit, heute Galerie, Eventlocation und Arbeitsort – und Schauplatz eines intensiven Austauschs über Energiesicherheit in der Immobilienwirtschaft: Beim Immo Think Tank im BOLD in Berlin standen zwei Impulse im Zentrum, die gegensätzlicher kaum sein könnten – und doch beide unmittelbar mit der Zukunftsfähigkeit des Immobiliensektors verknüpft sind.

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Das BOLD in Berlin-Mitte selbst liefert die räumliche Übersetzung dieser Zukunftsfragen. Entwickelt und betrieben von Steffen Kühn, Gründer und Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft Best4Project, steht das Haus an der Michaelkirchstraße exemplarisch für den Wandel von Nutzungen, ohne Abriss und ohne starre Festlegung auf eine einzelne Assetklasse. Seit zwölf Jahren erfährt das Gebäude eine funktionale Transformation: von einer Fabrik zu Wohnungen, ein Teil der Wohnung wird später zum Büro, das Büro nun zu Galerie und Veranstaltungsraum – ein stetiger Übergang, der den Anforderungen des jeweiligen städtischen Kontextes folgt. Nachhaltigkeit bedeutet hier nicht Technologiewechsel, sondern intelligentes Weiterbauen im Bestand. „Das BOLD zeigt, wie nachhaltige Entwicklung geht, denn wir können die Räume jederzeit wieder für eine andere Assetklasse öffnen“, so Steffen Kühn.

Steffen Kühn hat im Laufe der Jahre das Gründerzeithaus mehrere Transformationen durchlaufen lassen, nun ist es ein Veranstaltungsraum sowie eine Galerie.

Diesen Gedanken des gezielten Ressourceneinsatzes griff auch der erste Impuls auf: Marko Uhlig, Geschäftsführer der Zinnwald Lithium GmbH, stellte eines der zentralen Rohstoffprojekte für die europäische Energiewende vor. In Sachsen entwickelt das Unternehmen eine untertägige Lithiumgewinnung mit geplanter eigener Weiterverarbeitung. Das Vorkommen bei Altenberg zählt zu den größten Europas; auf rund 70 Jahre ist allein die erste Betriebsphase ausgelegt. Die geplante Jahresproduktion: 18.000 Tonnen Lithiumhydroxid – ein Schlüsselrohstoff für Batterietechnologien.

Marko Uhlig betonte die Bedeutung der Eigenversorgung: „Deutschland ist zu einhundert Prozent abhängig von Importen. Ohne eigene Vorkommen bleiben wir verwundbar – nicht nur bei der Elektromobilität, sondern in jeder Branche, die Speichertechnologien benötigt.“ Lithium habe eine extrem hohe Energiedichte; der Bedarf werde sich bis 2030 mehr als verdoppeln. Doch die Umsetzung sei komplex. Aktuell arbeitet das Unternehmen an der endgültigen Machbarkeitsstudie sowie an der sogenannten ESHIA – einer Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfung nach internationalen Standards. Die Gesamtinvestition liegt bei über einer Milliarde Euro. Bis zu 400 Arbeitsplätze sollen entstehen.

Marko Uhlig sprach über den Lithium-Abbau in Sachsen und zeigte dabei auf, welche Bedeutung dieses Milliardeninvestment im Freistaat für Deutschland hat.

Marko Uhlig wies zugleich auf die besondere Rolle des deutschen Bergrechtes hin, das präzise regle, welche Eingriffe in welchem Zeitraum zulässig sind und damit an sich bereits nachhaltig sei. Im Gegensatz zu Förderstandorten in Südamerika, wo Umwelteingriffe oft nicht dokumentiert oder kontrolliert würden, sei der Rohstoffabbau in Deutschland an strenge ökologische und soziale Kriterien gebunden. Gleichzeitig bleibe die Akzeptanz in der Bevölkerung eine Herausforderung: „Bergbau ist für viele nur noch Folklore – die Verbindung zur Realität ist abgerissen.“

Im zweiten Vortrag sprach Michael Fesselmann, Geschäftsführer des ESG-Beratungsunternehmens Green Lion Consulting, über die Notwendigkeit konsequenter Dekarbonisierung im Neubau und im Bestand. Dabei kritisierte er die anhaltende Orientierung an fossilen Technologien: „Wir müssen weg vom Verbrennen – nicht irgendwann, sondern jetzt.“ Der energetische Wandel sei technisch machbar, wirtschaftlich notwendig und gesellschaftlich längst überfällig.

Michael Fesselmann von Grenn Lions Consulting zeigte an verschiedenen Best practice, wie energetische Bestandssanierung möglich ist.

Zudem machte er deutlich, dass energetische Effizienz nicht bei der Technik ende, sondern bei politischen Weichenstellungen beginne. Die Branche brauche Verlässlichkeit bei Fördermechanismen, Genehmigungszeiten und Netzanschlüssen. Zugleich sei der Bestand der größte Hebel – dort, wo die meiste Energie verloren gehe, liege auch das größte Potenzial. Michael Fesselmann plädierte für mehr pragmatische Lösungen in der Fläche: „Es geht nicht um Ideologie, sondern um die logischen nächsten Schritte.“