Bittere Wahrheit auf dem Wohnungsmarkt: GdW-Präsident Axel Gedaschko fordert Kehrtwende in der Wohnungspolitik und sieht die wirkliche Krise erst noch kommen.
Die Prognosen sind düster: Statt der dringend benötigten Neubauimpulse steuert der Wohnungsbau auf ein historisches Tief zu. Laut dem GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen werden im Jahr 2024 nur knapp 30.000 Wohnungen von GdW-Unternehmen fertiggestellt – ein Rückgang um rund 40?Prozent. Insgesamt rechnet der Verband mit einem Einbruch auf lediglich 128.000 Wohnungsfertigstellungen deutschlandweit. „Das ist ein massiver Einschnitt, den wir seit Langem angekündigt haben – jetzt ist er da“, betont GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die bittere Essenz: Selbst wenn die Politik heute gegensteuert, wird sich der Engpass auf dem Wohnungsmarkt mittelfristig nicht entspannen. Die Ernte – sofern sie noch kommt – werden erst zukünftige Regierungen einfahren.
Auch wenn sich Stornierungen aktuell leicht rückläufig zeigen, bleibt das Niveau alarmierend niedrig. Baukosten, die sich laut GdW um über 49?Prozent gegenüber dem Jahr 2020 erhöht haben, machen einen bezahlbaren Neubau faktisch unmöglich. Axel Gedaschko spricht von einer „Sondersituation, wie wir sie seit fast 50 Jahren nicht mehr hatten“. Während sich die Preise auf hohem Niveau stabilisiert haben, steigen sie weiter – „Wer denkt, das Schlimmste sei überstanden, liegt falsch.“
Besonders dramatisch ist die Lage im sozialen Wohnungsbau. Die Zahl der geförderten Sozialwohnungen sinkt weiter, auch im Bestand. Zwar erkennt Axel Gedaschko an, dass Fördermittel und die Anzahl geförderter Projekte gestiegen seien – dennoch bleibe die Zielmarke von 100.000 geförderten Wohnungen unerreichbar. Der Grund: „Die Fördersummen pro Wohnung steigen massiv, weil die Baukosten so hoch sind – es kommt schlicht zu wenig Wohnraum dabei raus.“ Das im Jahr 2024 gestartete KNN-Programm zur Förderung bezahlbaren Neubaus wird laut GdW kaum genutzt. Die Kritik: Zu komplizierte Verfahren, fehlende Mietenbegrenzung, unpraktikable Baukostenobergrenzen und mangelnde Kompatibilität mit Landesprogrammen. Der Verband schlägt deshalb eine grundlegende Neujustierung vor – mit einer Mietobergrenze von zwölf Euro pro Quadratmeter, realistischer Kostenbasis und klaren Förderbedingungen.
Ein Grundproblem sieht der GdW auch in den rechtlichen Hürden: Artenschutz, Emissionsschutz, Klimaanforderungen – all das verzögere den Bau überproportional. „Wenn wir verschiedene Rechtsgüter abwägen, müssen wir uns ehrlich fragen: Wird dem Recht auf Wohnen überhaupt noch Rechnung getragen?“ Die Antwort sei eindeutig: nein. Der angekündigte Bau-Turbo der Bundesregierung sei ein wichtiger Schritt, aber keinesfalls ausreichend. Gedaschko fordert eine Notfallverordnung – rechtssicher und klar definiert – um Verfahren spürbar zu beschleunigen.
Angesichts der wachsenden Wohnraumkrise plädiert der GdW für eine befristete Bevorzugung des Wohnungsbaus in Planungs- und Genehmigungsverfahren – analog zur EU-Notfallverordnung für erneuerbare Energien. Das Menschenrecht auf Wohnen müsse in akuten Mangellagen Vorrang vor Einzelinteressen erhalten. Voraussetzung seien klare Kriterien, begrenzte Laufzeiten und ein politischer Konsens über die Systemrelevanz bezahlbaren Wohnraums. ie Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) verfehlt laut GdW ihre Wirkung: Sie ist kurzfristig angelegt, ineffizient und begünstigt vor allem wohlhabende Haushalte. Zudem liegt die reale Energieeinsparung rund 38 Prozent unter den Erwartungen. Der GdW fordert eine gesetzlich abgesicherte, langfristige Förderung, die gezielt vermietete Wohnungen adressiert, Mindestanforderungen flexibilisiert und Einzelmaßnahmen stärker unterstützt.
Auch die Betriebskosten entwickeln sich zur Belastung: Seit Januar 2022 ist Fernwärme laut GdW um 57?Prozent teurer geworden – stärker als jeder andere Energieträger. Gedaschko fordert deshalb erneut ein bundesweites Transparenzregister für Betriebskosten sowie eine funktionierende Preisaufsicht durch die Bundesländer. „Wir müssen auch über Kostendeckel nachdenken“, so Axel Gedaschko. Die derzeit kolportierten Angebotsmieten in Online-Portalen hätten mit der Realität der Wohnungsunternehmen nichts zu tun: „Unsere sechs Millionen Wohnungen liegen deutlich darunter.“
Allein durch eine Wiederauflage der EH55-Förderung hätten laut GdW rund 17.300 Wohnungen entstehen können – viele davon sind bereits genehmigt. Doch bei 1.900 dieser Projekte droht der Ablauf der Genehmigung. Theoretisch könnten so rund 51.000 Wohneinheiten entstehen – eine Zahl, die das drastische Defizit zumindest etwas abfedern könnte.
Der GdW bietet der Bundesregierung erneut seine Erfahrung an – auch mit Blick auf die Förderpolitik. „EH85 reicht vollkommen aus. Damit würden wir bei den Kosten sehr viel weiter runterkommen“, so Axel Gedaschko. Dabei gehe es nicht darum, Klimaschutz aufzugeben, sondern um die Rückkehr zu „Maß und Mitte“. Die aktuellen Anforderungen, insbesondere in Kombination mit der angestrebten Klimaneutralität bis 2045, würden Investitionen von bis zu 5,26 Billionen Euro erfordern – eine Summe, die für die Unternehmen schlicht nicht tragbar sei. „Wenn der Staat fordert, muss er fördern.“
Auch für den Gebäudebestand fordert der Verband eine Neuausrichtung. Der Gebäudetyp?E – eine standardisierte, vereinfachte Bauweise – könne helfen, Zeit und Kosten zu sparen. Doch vielerorts blockieren kommunale Vorgaben die Umsetzung. „Die Kommunen sind das Nadelöhr. Wenn sie nicht mitziehen, können wir nicht realisieren“, so Axel Gedaschko. Er verweist auf positive Beispiele aus Hamburg, Berlin und Niedersachsen, wo bereits vereinfachte Regelungen für das serielle Bauen oder Stellplatznachweise bei Seniorenwohnungen eingeführt wurden.
Der Blick in den Abgrund sei keine Dramatisierung, so Axel Gedaschko, sondern eine nüchterne Analyse des Status quo. Was jetzt zählt, ist politische Entschlossenheit – und die ehrliche Bereitschaft, auch unbequeme Reformen auf den Weg zu bringen.