„Kreislaufwirtschaft ist kein Risiko, sondern Lösung“

„Kreislaufwirtschaft ist kein Risiko, sondern Lösung“

„Kreislaufwirtschaft ist kein Risiko, sondern Lösung“
Markus Steppler, Geschäftsführer der DERIX Gruppe, zeigte, wie Kreislauf am Gebäude funktioniert. Quelle: Ivette Wagner

In diesem Jahr drehte sich die Veranstaltungsreihe ‚LIST auf den Punkt‘ genau um dieses Thema. Immer noch spielt sie im Immobilien- und Bausektor – zwischen regulatorischem Druck, wirtschaftlichem Risiko und echtem Wertbeitrag – eine viel zu geringe Rolle.

Agentur

„Heute drängt sich auf, die Wirtschaft nicht länger als linearen Prozess zu verstehen – vielmehr muss dieser zirkulär gedacht werden, da Ressourcen nicht unendlich sind. Dies bedeutet, dass man sämtliche Materialien bis zum Ende der Lebensdauer des Produkts bewusst so einsetzen und entsprechend dokumentieren sollte, um sie anschließend möglichst werterhaltend und ressourcenschonend wieder in den Kreislauf zurückzuführen“, sagte Urs Baumann, CIO von Swiss Prime Site, im November 2024 in einem Interview. Das Unternehmen ist eines der größten in der Schweiz mit einem Immobilienvermögen von etwa 26 Milliarden Schweizer Franken. Das zirkuläre Denken ist nicht neu, gerade aber für die Immobilienbranche kein leichtes. Die LIST Gruppe legt mit ihrer Veranstaltungsreihe ‚LIST auf den Punkt‘ den Finger in die Wunde.

„Kreislaufwirtschaft ist kein Risiko, sondern unsere Lösung“, stieg Michelle Pigulla, Managerin ESG & Business Excellence bei der Berlin Hyp AG, in das Thema in der Strassenkicker Base Köln ein. Um direkt einzuschränken: „Eine finale Lösung haben wir auch nicht.“ Um direkt die Probleme anzusprechen: Jede Bank hat sich selbst Gedanken zu dem ESG-Fragebogen gemacht, selbst interpretiert. Dazu kommt, dass die Wesentlichkeitsanalyse als ein zentrales Element der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU „uns als Bank nur wenig hilft“, da die KPIs für die Bank nicht relevant waren. Eigentlich soll dieses Instrument Unternehmen helfen zu definieren, welche Nachhaltigkeitsthemen sie in ihrem Bericht offenlegen müssen. Damit wird im besten Fall sichergestellt, dass Unternehmen nicht wahllos alle ESG-Themen (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) berichten, sondern gezielt jene, die für ihr Geschäftsmodell wesentlich sind. „Über Madaster haben wir eine Bankenrunde aufgesetzt, da es keinen Sinn macht, wenn jeder seine eigene Logik entwickelt“, so Michelle Pigulla. Das Thema als solches müsse mehr verstanden werden, dabei komme es auf Datenaufbau und Portfolio-Transparenz an und sehr viel auf Client Engagement: „Wir müssen mit den Kunden in den Austausch gehen, es geht nur gemeinsam.“ Dabei zeige sich, welche Steuerungselemente für alle nutzbar sind.

In die erfolgreiche Praxis hinsichtlich eines Kreislaufes nahm Markus Steppler, Geschäftsführer der DERIX Gruppe, die Zuhörer bei ‚LIST auf den Punkt‘ mit. „Bei DERIX arbeiten wir leidenschaftlich an zirkulären Wirtschaftskonzepten. Wir loten aus, wie wir die notwendige Transformation zur Kreislaufwirtschaft effizient vorantreiben und ihre positiven Effekte für unsere Kunden nutzbar machen können. Das ist echte Pionierarbeit für den Ingenieurholzbau.“ Mit diesem Zitat wurde Markus Steppler angekündigt. Tiefstapeln könnte man das auch nennen. Er präsentierte ein zukunftsweisendes Projekt: Der Circl Pavillon wurde als Erweiterung der ABN AMRO Bank konzipiert und sollte zugleich zur Belebung des Amsterdamer Stadtteils Zuidas beitragen. Neben öffentlich zugänglichen Konferenz- und Veranstaltungsräumen umfasst(e) das Gebäude ein Restaurant, eine Rooftop-Bar sowie eine Dachterrasse. Planung und Bau orientierten sich konsequent an nachhaltigen, zirkulären Prinzipien, beinhalteten auch eine Rückbauanleitung sowie eine Rücknahmeverpflichtung.

So ein bisschen wie das Spiel Jenga habe sich das angefühlt, so Markus Steppler. „Es trafen der biologische und der technische Kreislauf aufeinander und zusammen. Natürlich ist das mit Abstrichen verbunden, aber zwischen 50 und 60 Prozent können in das Re-Use gehen“, so der Experte. Im Januar 2024 kam dann der Anruf: Das Gebäude sollte nach sieben Jahren zurückgebaut werden, ein neuer Eigentümer wollte dort lieber Wohnen realisieren. Der Rückbau erfolgte, für Markus Steppler zeigte er zwei neue Fakten auf, die in der Zukunft beachtet werden müssen: „Die Interessenten für gebrauchte Bauteile standen Schlange, das könnte fast ein neues Geschäftsmodell werden. Zugleich haben wir gesehen, dass beispielsweise der Horizont einer Bank nach etwa zehn Jahren aufhört. Niemand kann aber jetzt sagen, was in zehn Jahren welches Bauteil wert ist“, so Markus Steppler. Das sei wie bei gebrauchten Autos, da könne ebenfalls niemand vorhersehen, was es in fünf oder zehn Jahren wert sei. Das komme aauf die Pflege, auf Unfälle, auf andere nicht vorhersehbare Komponenten an.

Einen dritten Impuls setzte Jan Martin, Bereichsleiter bei Tiefbau LIST Ingenieure. Verwerten statt Entsorgen, so sein Motto. „Im Tiefbau betrachten wir das Baufeld als Ressource und erzeugen aus Abfällen neue Baustoffe.” Der Deponieraum nehme in den kommenden Jahren massiv ab, schon allein deshalb müsse man sich Gedanken machen. Die Baustelle ist für Jan Martin ein Big Picture. Das zeigte er an einem Logistik-Projekt, einem früheren Reifenlager. Mit all den unangenehmen Dingen wie PCP, also Pentachlorphenol, Asbest, weiteren Schadstoffen im Boden. Die Recyclingquote lag bei etwa 95 Prozent. Heißt: Material musste nicht entsorgt werden, was Kosten und Emissionen durch LKW-Fahrten einsparte sowie zu einer enormen Zeitersparnis durch mobile Anlagen führte, die wiederum noch einmal den Gesamtpreis positiv beeinflussten. „Brownfield ja, Abfall nein“, fasste er sein Ansinnen für die kommenden Projekte zusammen.