Dr. Florence Gaub eröffnete den Tag der Immobilienwirtschaft des ZIA. Als Forschungsdirektorin des NATO Defense College in Rom sprach sie über Macht, Unsicherheit und die Illusion planbarer Zukunft – und stellte unbequeme Fragen zur Rolle von Rationalität, Geheimdiensten und militärischer Stärke. Wer glaubte, Geopolitik sei ein Schachspiel mit festen Regeln, wurde eines Besseren belehrt.
Geopolitische Szenarien und Sätze wie „Krieg ist kein Fußballspiel“ oder "Krieg ist immer das unwahrscheinlichste Szenario, das macht die Analyse so schwer.“: Damit hat Dr. Florence Gaub bei dem Tag der Immobilienwirtschaft vom ZIA sofort die Zuhörer in ihren Bann gezogen. Sie ist Forschungsdirektorin der NATO Defense College in Rom und Expertin auf dem Gebiet der Sicherheit und Konflikte im Nahen Osten und Nordafrika und hielt die Keynote.
Die Zukunft, so Florence Gaub, sei kein Zufall – aber auch nicht vollständig planbar. Ihre Analyse machte deutlich: In der Außen- und Sicherheitspolitik dominiere oft nicht Wissen, sondern Annahmen. Es werde viel spekuliert, die Datenlage sei schwach, Geheimhaltung ein strukturelles Hindernis. Dabei gebe es keine lineare Rationalität, wie sie oft unterstellt werde. „Rationalität als Konzept existiert nicht“, so Florence Gaub. Staaten handelten oft widersprüchlich, Interessen würden verschleiert – mit bewussten Signalen, Täuschung und Unsicherheit. Der Human Factor sei sehr entscheidend, da oft nur eine kleine Gruppe Entscheidungen trifft.
Ein zentrales Thema war die veränderte Natur internationaler Machtverhältnisse. Die klassische Vorstellung militärischer Dominanz – also die Anzahl von Soldaten, Panzern oder Munition beispielsweise – weiche zunehmend einem Verständnis von Macht als Netzwerk: geprägt von Allianzen, technologischer Kompetenz und gesellschaftlicher Bildung. Florence Gaub sprach in diesem Zusammenhang von „flüssigen Allianzen“: Kooperationen, die je nach Situation und Interessenlage wechseln. Supermächte im klassischen Sinne gebe es nicht mehr.
Auch mit Blick auf Bedrohungsszenarien forderte Gaub einen realistischeren Umgang. Krieg sei nicht planbar wie ein Spiel mit klaren Regeln – „Krieg ist kein Fußballspiel“ –, sondern das unwahrscheinlichste, aber folgenreichste Szenario. Die Rückfallquote bewaffneter Konflikte zeigt sich dabei als sehr hoch. Besonders hob Florence Gaub aktuelle Entwicklungen im Bereich hybrider und unterseeischer Kriegsführung hervor: Unterwasserdrohnen seien aus ihrer Sicht ein strategisch unterschätztes Feld, auf das sich Staaten wie Russland und China längst einstellten.
Der Appell der Zukunftsforscherin: Staaten sollten nicht alles wissen wollen, sondern resilienter und flexibler mit Unsicherheiten umgehen. Die „kindliche Erwartungshaltung“, Geheimdienste könnten jederzeit präzise Prognosen liefern, sei realitätsfern. Vielmehr komme es auf Innovationsfähigkeit, institutionelle Lernbereitschaft und gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit an. „Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein“, so Florence Gaub. Denn: Die Zukunft wird Überraschungen haben.