„Serielles Bauen ist ein Werkzeug und kein Dogma“

„Serielles Bauen ist ein Werkzeug und kein Dogma“

„Serielles Bauen ist ein Werkzeug und kein Dogma“
Ivette Wagner interviewte David Fischer, Chef der Berliner Niederlassung der wvm Gruppe.

Die wvm Gruppe Berlin gehört zu den wenigen privaten Entwicklern, die serielle Verfahren im Eigentumssegment einsetzen. Für Geschäftsführer David Fischer, der die Berliner Niederlassung mit Dr. Clemens Paschke leitet, ist das kein Stilbruch, sondern eine Weiterentwicklung der Baukultur. Das Unternehmen hat derzeit in Berlin knapp 600 Wohnungen im Bau und für die kommenden fünf Jahre deutschlandweit eine Projekt-Pipeline von 1,1 Milliarden Euro.

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IMMOBILIEN AKTUELL: (IA): Wenn in Berlin von seriellen Verfahren die Rede ist, denken viele sofort an die Platte. Sie sind hier groß geworden, wie wirkt dieser Begriff heute auf Sie?

David Fischer (DF): Die Platte gehört zu meiner Biografie. Sie stand einerseits für Gleichförmigkeit, andererseits dafür, dass man überhaupt eine Wohnung bekam. Dieses Spannungsfeld ist historisch, aber mit dem heutigen seriellen Bauen hat es kaum noch etwas zu tun. Damals war es ein zentralistisches, vereinheitlichendes Modell. Heute sprechen wir über präzise Prozesse, die sich anpassen lassen. Wir standardisieren Strukturen, nicht Menschen. Und genau dort entsteht Freiheit: in klaren Abläufen, die architektonische Unterschiede ermöglichen, statt sie zu verhindern.

IA: Wie erklären Sie Menschen, die serielles Bauen noch immer automatisch mit ‚Massenwohnungsbau‘ der Vergangenheit verknüpfen, die neue Entwicklung?

DF: Der entscheidende Hebel ist die Qualität, die wir sichtbar machen können. Wir überzeugen durch Visualisierungen und reale Referenzen. Damit stellt sich die Frage nach ‚Massenwohnungsbau‘ gar nicht erst. Wir haben Grundrisse deutlich weiterentwickelt. Vor fünf Jahren lag der Durchschnitt noch bei rund 75 Quadratmetern für eine Drei-Zimmer-Wohnung, heute sind wir bei 65. Die Bedürfnisse der Nutzer haben sich verändert, genau wie die Umgebungsvariablen. Genau darauf reagieren wir. Gleichzeitig ist klar: Entscheidend sind die Gesamtkosten. Serielle Bauweise ermöglicht Kostensicherheit und Planbarkeit, ohne bei der Wohnqualität Abstriche zu machen. Auch Eigentumswohnungen mit höherem Standard lassen sich seriell umsetzen. Natürlich sind bei der Individualität mit dieser Bauweise auch Grenzen da. Serielles Bauen ist ein Werkzeug und kein Dogma.

IA: Warum passt dieser Ansatz gerade zu Berlin?

DF: Weil Berlin Geschwindigkeit braucht, aber nur solche, die man erklären kann. Diese Stadt misstraut impulsiven Versprechen, aber sie honoriert nachvollziehbare Qualität. Serielle Systeme bieten genau das: klare Abläufe, stabile Kosten, verlässliche Planung. In einer Stadt, in der Vertrauen die knappste Ressource ist, wird Prozessklarheit zu einem eigenen urbanen Wert. Berliner Kunden überzeugt man nicht mit der großen Geste, sondern mit Verlässlichkeit.

IA: In Berlin-Karlshorst realisieren Sie gerade ein Projekt, bei dem auch serielles Bauen eine Rolle spielt. Was entsteht dort

DF: Das Projekt ist im Bezirk Lichtenberg, an der Zwieseler Straße, es heißt bei uns Zwieseler Hof. Insgesamt entstehen dort 321 Wohnungen, aufgeteilt in Eigentumswohnungen, klassische Mietwohnungen und geförderten Wohnungsbau. Serien- und Modulbauweise spielt dabei eine wichtige Rolle: Wir kombinieren die Vorteile industrieller Vorfertigung mit der Möglichkeit, insbesondere bei den Eigentumswohnungen individuelle Ausstattungsvarianten zu realisieren. Bei den anderen Einheiten steht ein effizienter, serieller Prozess im Vordergrund. Ergänzt wird das Quartier durch eine eigene Kita, Grün- und Spielflächen sowie moderne Energie- und Mobilitätsstandards. Durch die Vorfertigung erreichen wir eine hohe Ausführungsqualität und eine zügige bauliche Umsetzung.

IA: Wie viel schneller kann serielles Bauen tatsächlich sein?

DF: Der größte Hebel liegt im Rohbau. Unter guten Bedingungen steht ein Geschoss in etwa einer Woche. Über das ganze Projekt hinweg führt diese Systematik zu deutlichen Zeitersparnissen, bis zu 25 Prozent. Und das ist weit mehr als ein ökonomischer Vorteil. Kürzere Bauzeiten reduzieren Risiken, stabilisieren Kosten und machen Entscheidungen nachvollziehbarer. Prozesse, die funktionieren, schaffen Sicherheit für alle Beteiligten.

IA: Das bedeutet aber auch, dass die Eigentumswohnungen schneller verkauft werden müssen.

DF: Ja, das ist richtig. Das muss man von vornherein mitdenken. Gerade bei dem schon besprochenen Projekt sehen wir, dass es funktioniert. Wir liegen dort beim Verkauf im Plan. Insgesamt bewegen wir uns inzwischen auf über 200 seriell entwickelte Eigentumswohnungen zu. Für einen privaten Entwickler ist das ein beachtliches Volumen.

IA: Serielles Bauen spart Zeit und Geld. Soweit so gut. Was gibt es denn aber noch zu beachten.

DF: Bei seriellen Bauprojekten muss die Vorauszahlungslogik sehr genau im Blick behalten werden. Wir leisten Zahlungen für Gewerke, bevor die entsprechenden Bauteile sichtbar auf der Baustelle stehen. Schon mit dem Rohbaubeginn fließen die ersten Zahlungen, und dann geht es in engen Takten weiter, etwa nach Fertigstellung des zweiten Geschosses und so weiter. Durch die serielle Bauweise sind diese Intervalle kürzer, denn ein komplettes Geschoss steht, wie schon erwähnt, mitunter innerhalb einer Woche. Das ist ein großer Vorteil für die Geschwindigkeit im Projekt und verlangt gleichzeitig ein präzises Finanz- und Prozessmanagement.

IA: Wie reagiert die Berliner Verwaltung auf serielle Konzepte?

DF: Mit konstruktivem Interesse, aber auch mit nachvollziehbarer Vorsicht. Das gehört dazu. Wir legen Wert auf vollständige Unterlagen, saubere Dokumentationen, konsistente Abstimmungen. Wenn man das tut, entsteht Vertrauen und Vertrauen beschleunigt.

IA: Kritiker sagen, serielle Verfahren schränken die Gestaltung ein. Sie widersprechen. Warum?

DF: Weil wir mit typologischer Flexibilität arbeiten. Wir entwickeln Systeme, die sich in Varianten denken lassen und dadurch unterschiedliche Zielgruppen, Grundrisse und Materialitäten aufnehmen können. In der Liebermannstraße sieht man das sehr gut: 48 Eigentumswohnungen, klare Klinkerarchitektur, runde Gebäudeecken in Ortbeton als gestalterische Akzente und all das kombiniert mit den Vorteilen des seriellen Bauens. Das Gebäude folgt dem architektonischen Gedanken des Entwurfs und zeigt, wie sich eine präzise Systematik mit einem eigenständigen gestalterischen Ausdruck verbinden lässt. Es ist vollständig in die Umgebung eingebettet und basiert dennoch auf einer strukturierten Logik. Beim Zwieseler Hof rückt eine andere Dimension in den Vordergrund: die funktionale Integration eines ganzen Quartiers.

IA: Wiederholbarkeit wird oft missverstanden. Welche Rolle spielt sie für Sie?

DF: Wiederholbarkeit bedeutet nicht Monotonie. Es bedeutet, dass ein funktionierender Prozess erneut funktioniert. Im Bauwesen ist das enorm wertvoll. Wenn Abläufe klar definiert sind, entsteht Präzision. Präzision erzeugt Qualität. Und Qualität wird zu Effizienz, weil sie reproduzierbar ist. Serielles Bauen ist dabei nicht der Verursacher von Wiederholbarkeit. Wiederholende Grundrissstrukturen und Fassadenabwicklungen existieren auch im konventionellen Bau.

IA: Wann wurde für Sie klar, dass serielle Verfahren im Eigentumssegment funktionieren?

DF: Das wurde für uns klar, als wir sahen, dass serielle Verfahren und Eigentumsentwicklung nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich gegenseitig stabilisieren. Die Anforderungen privater Käufer kannten wir seit Jahren: Qualität, Individualität, Wertbeständigkeit. Die entscheidende Erkenntnis war, dass sich all das mit einer präzisen, standardisierten Systematik verbinden lässt. Wenn Planung, Prozesse und Schnittstellen sauber organisiert sind, bleibt genug Raum für persönliche Entscheidungen. Unsere Ausstattungslinien sind entsprechend breit angelegt. Der Kunde hat viel Spielraum bei Parkett, Fliesen, Türen, Armaturen und auch bei Grundrissanpassungen im Trockenbau.