Mit dem Projekt Jardin Hermsdorf soll im Berliner Norden ein Projekt entstehen, das gemeinschaftliches Leben und individuelle Freiheit verbindet. Entwickelt von URBANSKY ARCHITEKTEN, geht es um eine Baugemeinschaft und eine Marktnische.
In Berlin-Hermsdorf soll ein Projekt entstehen, das Wohnen jenseits klassischer Familienmodelle neu denkt. Jardin Hermsdorf richtet sich an Menschen, die eigenständig leben und zugleich Teil einer verlässlichen Nachbarschaft sein möchten, an die Altersgruppe 50plus. Die Fakten: Auf einem rund 2.500 Quadratmeter großen Grundstück entstehen 44 barrierefreie Eigentumswohnungen mit zwei bis vier Zimmern und Flächen zwischen 50 und 115 Quadratmetern. Zum Konzept gehören gemeinschaftlich nutzbare Räume wie ein Wohnzimmer, ein Atelier, eine Sauna im Garten und eine Gästewohnung, insgesamt etwa 80 Quadratmeter. Über eine digitale Plattform werden Kommunikation, Nachbarschaftsaktivitäten und Mobilitätsangebote organisiert.
So weit, so bekannt: „Wir arbeiten schon sehr lange an dem Thema, wie die Menschen in einer urbanen Umgebung lange selbstbestimmt leben können“, sagt Malte Schröder. „Es gibt sehr viele Projekte im hochpreisigen Bereich, aber nur sehr wenig für die breite Mittelschicht.“ Genau diese Lücke will Jardin Hermsdorf schließen. Auf dem Marktplatz von Hermsdorf testete das Team, wie das Produkt bei der Zielgruppe ankommt. „Es war unglaublich, wie viele Anwohner zu uns gekommen sind und sich informiert haben“, so Sebastian Brüning, bei URBANSKY ARCHITEKTEN verantwortlich für Health & Care, Sozialbauten und inklusives Wohnen. „Obwohl wir noch nicht in die Werbung gegangen sind, hatten wir nach wenigen Tagen bereits acht Vormerkungen.“
Dabei bringen die möglichen späteren Bewohner direkt ihre Ideen mit: „Ein Ehepaar fragte an, ob es mehrere Wohnungen zusammenlegen kann, die dann wieder voneinander entkoppelt werden können, wenn der Platz nicht mehr gebraucht wird“, so Malte Schröder. Viele wollen eher unabhängige Konzepte, ergänzt Anna Schingen, die mit ihrem Unternehmen Anna Schingen Concepts & Consulting Expertin in diesem Segment ist und das Jardin-Team begleitet. Und noch ein weiteres Thema spricht sie an: Aktuell werden Wohnformen häufig in zwei Kategorien gedacht: normales Wohnen oder betreute Betreiberimmobilien, Zwischenlösungen fehlen weitgehend. „Gefragt sind niedrigschwellige Angebote, die außerhalb der bekannten Pfade von Pflegeheim, klassischer Betreiberstruktur oder Demenz-WG liegen.“ Anna Schingen sieht darin ein gesellschaftlich relevantes Modell: „95 Prozent der über 60-Jährigen und selbst 85 Prozent der über 75-Jährigen haben keinen Pflegebedarf. Sie suchen Teilhabe und Sicherheit, keine Versorgung.“ Vielmehr komme es auf eine gute Durchmischung und Urbanität an. „Schon der Begriff Senior Living schreckt viele um die 50 ab, weil sie dann die Vorstellung haben, dass sie nur mit alten Menschen zusammenwohnen. Wenn man noch sehr fit ist, gefällt einem diese Vorstellung nicht.“
Das Konzept orientiert sich an den Prinzipien der sogenannten Blue Zones – Regionen, in denen soziale Einbindung, Bewegung und Sinn als Grundlage eines langen Lebens gelten. Geplant ist auch der Einsatz eines Community-Managers, der das Zusammenleben begleitet und unterstützt, die Aktivitäten in den Gemeinschaftsflächen managt. „Diesen Manager haben wir direkt in das Projekt-Budget mit reingenommen für zwei Jahre, mit der Verantwortlichkeit die Basis der Community aufzubauen“, so Malte Schröder. Für die Zeit danach können die Eigentümer der Wohnungen dann selbst entscheiden, ob sie das weiter benötigen oder nicht. „Da wir ohne Betreiber arbeiten, halten sich die Kosten in allen Bereichen in Grenzen.“
Das Projekt wird als Baugemeinschaft umgesetzt, mit der Möglichkeit, Architektur, Ausstattung und Organisation des Zusammenlebens aktiv mitzugestalten. In der gegründeten Entwicklungsgesellschaft sind die Eigentümer als Kommanditisten integriert, eine Partnerbank kümmert sich um die individuellen Finanzierungen. „Viele Menschen wünschen sich heute ein Zuhause, das sich an Lebensentwürfe anpasst“, erläutert Malte Schröder. Immer wieder fällt im Gespräch das Wort Teilhabe.
Mit seinem Unternehmen URBANYSKY ARCHITEKTEN hat er zusammen mit seinem Partner Marcus Schröger bereits verschiedene Mehrgenerationen-Projekte in Baugemeinschaften umgesetzt, unter anderem in Weißensee oder Neukölln. Viel Aufmerksamkeit bekam das Architekturbüro für sein inklusives Wohnprojekt in der Prinzregentenstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Projekt – in Kooperation mit der Aktion Mensch – verbindet soziale Zielsetzung mit baulichen Nachhaltigkeitsstandards.
Der Neubau umfasst fünf Mietwohnungen und eine Wohngemeinschaft mit insgesamt zehn Zimmern sowie einem gemeinsamen Aufenthaltsbereich. Das Konzept richtet sich an Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, die hier in einer gemeinschaftlich organisierten Wohnform zusammenleben. Bewohner ohne Unterstützungsbedarf wohnen mietfrei und übernehmen im Alltag Aufgaben, die Menschen mit Beeinträchtigungen entlasten. Das Modell reagiert auf zwei aktuelle Herausforderungen: den Mangel an bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum und die zunehmende Versorgungslücke im Bereich der Betreuung.
Bauherr des Wohnprojektes ist die Aktion Mensch, Träger des Wohnprojektes ist die gemeinnützige Stephanus-Stiftung, eine diakonische Einrichtung mit Schwerpunkt auf der Betreuung von Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf. Im Erdgeschoss entsteht ein Concierge-Bereich mit Beratungsstelle („Stephanus vor Ort“), der auch für Nachbarschaft und Stadtteil als niedrigschwellige Anlaufstelle rund um Fragen zu Pflege und Unterstützung geöffnet ist. Der Bau setzt auf ressourcenschonende Materialien und Energieversorgung. Das Gebäude wird als reiner Holzbau errichtet und zählt zu den ersten fünfgeschossigen Holzbauten in Berlin-Wilmersdorf. Zur Aussteifung wird ein Treppenhaus aus Beton eingesetzt. Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme, die Anforderungen des Effizienzstandards KfW 55 werden erfüllt. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage installiert, die einen Teil des Strombedarfs deckt.
Die Preise im Jardin beginnen bei 5.900 Euro pro Quadratmeter, das Investitionsvolumen liegt bei rund 22 Millionen Euro. Der Bauantrag soll bis Juni 2026 eingereicht werden, der Baubeginn ist für September 2026, die Fertigstellung für Herbst 2028 vorgesehen. Für Malte Schröder steht fest, dass er dieses Projekt skalieren will: „Es passt in Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, mit einer guten Mittelschicht, da wir auf Käufer aus dem regionalen Einzugsgebiet setzen.“


