Stadtverwaltung und SachsenEnergie legen Planungen für den Brückenersatz und für Fernwärme- sowie Trinkwasserleitungen vor. Eine Grundsatzentscheidung im Stadtrat soll vor der Sommerpause fallen. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt fordert ein Planfeststellungsverfahren.
Die Landeshauptstadt Dresden will dem Stadtrat noch vor der Sommerpause eine Grundsatzentscheidung über den Wiederaufbau der Carolabrücke vorschlagen. Nach dem Teileinsturz der bestehenden Brücke steht die Frage im Raum, ob diese mit einem sogenannten Ersatzneubau möglichst schnell wiederhergestellt werden soll – oder ob ein aufwendigeres Planfeststellungsverfahren mit erweitertem Gestaltungsspielraum eingeleitet wird, das eine Bauverzögerung von drei bis sechs Jahren bedeuten könnte.
Auf Grundlage eines beauftragten Rechtsgutachtens spricht sich die Stadtverwaltung für einen Ersatzneubau aus. Dieser ermögliche es, die Brückenverbindung zeitnah wiederherzustellen und dennoch notwendige Anpassungen vorzunehmen. Laut dem Gutachten der Kanzlei Redeker Sellner Dahs können etwa regelkonforme Radwege ergänzt oder die Auffächerung an den Brückenköpfen reduziert werden – ohne dass dafür ein Planfeststellungsverfahren notwendig ist.
„Wir brauchen die Carolabrücke in Dresden. Nun geht es darum, sich auf einen Prozess zu einigen, mit dem wir möglichst schnell die Brückenverbindung wiederherstellen“, erklärte Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Auch Baubürgermeister Stephan Kühn betont die Bedeutung einer zukunftsorientierten Planung: „Die Brücke wird bis in das nächste Jahrhundert das Stadtbild prägen und muss auch zukünftige Entwicklungen wie die Umgestaltung des Stadtraums St. Petersburger Straße ermöglichen.“
Unabhängig vom gewählten Verfahren gelten bestimmte Rahmenbedingungen für den Neubau. So hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung signalisiert, dass zusätzliche Pfeiler im Elbbereich mit den Anforderungen der Schifffahrt nicht vereinbar wären. Die europaweite Ausschreibung der Planungs- und Bauleistungen wird voraussichtlich Zeit in Anspruch nehmen. Nach Beteiligung der Öffentlichkeit und einem Beschluss des Stadtrats zur konkreten Gestaltung folgen Genehmigungsplanung, Vergabe und Bau. Die Stadt sieht im Ersatzneubau die Chance, eine funktionale und städtebaulich zukunftsfähige Brückenverbindung zu schaffen – ohne unnötige Verzögerungen.
SachsenEnergie bearbeitet mehrere Varianten für Fernwärme und Trinkwasser
Nach dem Teileinsturz der Carolabrücke im September 2024 hat die SachsenEnergie Maßnahmen ergriffen, um die Fernwärme- und Trinkwasserversorgung der Dresdner Neustadt aufrechtzuerhalten. Innerhalb von nur 73 Tagen wurde eine provisorische Fernwärmeleitung über die Augustusbrücke installiert und in Betrieb genommen. Die dafür entstandenen Kosten belaufen sich auf insgesamt rund 5,3 Millionen Euro, einschließlich baulicher Anpassungen am Carolaplatz. Die Betriebsführung des Provisoriums verursacht laufende zusätzliche Kosten, teilte das Unternehmen mit.
Parallel zur Notsicherung wurde eine langfristige Lösung zur Elbquerung der Fernwärmeleitungen entwickelt. Im Fokus der Machbarkeitsstudien, die im Oktober 2024 in Auftrag gegeben wurden, stehen zwei technische Varianten: zum einen die Verlegung der Fernwärmeleitung innerhalb einer neuen Carolabrücke zum anderen eine unterirdische Querung der Elbe.
Beide Varianten wurden hinsichtlich technischer Umsetzbarkeit, Bauzeit und Kosten geprüft. Die unterirdische Lösung würde mit rund 40 Millionen Euro etwa dreimal so teuer werden wie die Integration in den Brückenneubau (geschätzt 15 Millionen Euro). Letztere setzt jedoch belastbare Informationen zu Bauzeit und tatsächlichen Kosten des Brückenneubaus voraus – diese liegen derzeit noch nicht vor. Eine vorschnelle Entscheidung über die Technologieauswahl gilt daher als wirtschaftlich nicht vertretbar.
Zusätzlich zur Kostendifferenz bestehen bei der unterirdischen Variante erhebliche planungsrechtliche Hürden, insbesondere aufgrund potenzieller Eingriffe in Schutzgebiete. SachsenEnergie rechnet hier mit einer Vorlaufzeit von mindestens ein bis zwei Jahren allein für das Genehmigungsverfahren. Die bauliche Komplexität sowie der hohe Personal- und Ressourceneinsatz könnten zudem negative Auswirkungen auf weitere Infrastrukturprojekte haben.
Solange keine endgültige Entscheidung zum Wiederaufbau der Carolabrücke getroffen ist, bleibt das Provisorium über die Augustusbrücke bestehen. Erst mit der Inbetriebnahme einer dauerhaften Leitung kann dieses wieder zurückgebaut werden.
Trinkwasserversorgung: Ersatz für Leitung in der Carolabrücke notwendig
Mit dem vollständigen Abriss der Carolabrücke fällt auch eine der drei Haupttrinkwasserleitungen in die Neustadt weg. Diese Leitung mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern ist essenzieller Bestandteil der redundanten Versorgung. Kurzfristig lässt sich der Ausfall über die verbleibenden zwei Leitungen kompensieren. Längerfristig jedoch – insbesondere mit Blick auf die anstehende Sanierung der Königsbrücker Straße und den damit verbundenen Ausfall einer weiteren Leitung – ist ein Ersatz zwingend erforderlich. Derzeit prüft SachsenEnergie mehrere Optionen für ein Trinkwasserprovisorium. Eine Möglichkeit wäre die Mitverlegung in einem vorhandenen Schacht in der Marienbrücke oder im geplanten Fernwärmedüker an gleicher Stelle. Auch eine dauerhafte Neuverlegung der Wasserleitung wird im Variantenvergleich betrachtet.
GHND fordert reguläres Planfeststellungsverfahren für Neubau der Carolabrücke
Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) spricht sich für ein reguläres Planfeststellungsverfahren beim Neubau der Carolabrücke aus. Hintergrund ist ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das klären sollte, ob der Neubau im beschleunigten Verfahren umgesetzt werden kann. Das Ergebnis: Bereits kleinere Änderungen – etwa eine neue Fahrspuraufteilung oder zusätzliche Radwege – würden ein reguläres Verfahren notwendig machen.
Aus Sicht der GHND lässt sich eine zukunftsorientierte städtebauliche Entwicklung nur mit einem solchen Verfahren realisieren. Insbesondere die angrenzenden Verkehrsachsen wie die St. Petersburger Straße könnten sonst nicht sinnvoll umgestaltet werden. Ein beschleunigtes Verfahren würde diese Spielräume verbauen.
Die GHND ruft deshalb dazu auf, von Anfang an den sicheren und rechtlich belastbaren Weg über ein Planfeststellungsverfahren zu gehen. Am 11. September – ein Jahr nach dem Einsturz eines Brückenteils – lädt der Verein zu einer Veranstaltung im Dresdner Rathaus ein, um über den Wiederaufbau und die Perspektiven für den Stadtraum zu diskutieren.