Der europäische Immobilienmarkt steht vor einer spürbaren Trendwende. Nach einer neuen Studie von AEW sollen Spitzenimmobilien ab 2026 wieder deutlich höhere Renditen liefern, getragen von sinkenden Leerständen, stabilen Mieterfundamentaldaten und attraktiven Finanzierungskonditionen. Gleichzeitig warnt Rick Romano, Head of Global Real Estate Securities Business bei PGIM, vor politischen Risiken, hohen Anleiherenditen und möglichen Wachstumsbremsen durch neue US-Zölle. Zwischen Erholungssignalen und makroökonomischen Störgeräuschen entsteht ein Marktbild, das Chancen bietet, aber eine klare Selektionsstrategie verlangt.
Der europäische Immobilienmarkt arbeitet sich aus der Krise, bleibt aber ein Terrain mit deutlich sichtbarem Risikoaufschlag. Nach dem neuen europäischen Immobilienausblick von AEW dürfte die Erholung ab 2026 spürbar an Tempo gewinnen. Im Basisszenario prognostiziert AEW für Spitzenimmobilien über 20 Länder hinweg durchschnittliche Gesamtrenditen von 8,4 Prozent pro Jahr im Zeitraum 2026 bis 2030. Großbritannien liegt mit erwarteten 10,3 Prozent pro Jahr an der Spitze, Spitzenbüroobjekte gelten europaweit als renditestärkster Sektor mit 9,3 Prozent pro Jahr.
Hans Vrensen, Head of Research and Strategy Europe bei AEW, beschreibt einen Markt, der trotz Gegenwind an Stabilität gewinnt. „Der europäische Immobilienmarkt zeigt weiterhin Anzeichen einer Erholung, wobei die Spitzenrenditen in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich leicht um 30 Basispunkte sinken werden, obwohl Prognosen von steigenden Anleiherenditen ausgehen“, erläutert Hans Vrensen. Die Erholung stütze sich auf eine Kombination aus besseren Fundamentaldaten und wiederkehrender Liquidität. „Unsere Einschätzung zu den Spitzenrenditen wird durch solide Fundamentaldaten auf Mieterseite, reichlich verfügbares und wertsteigerndes Fremdkapital sowie eine verbesserte Stimmung unter Immobilienmanagern gestützt“, so Hans Vrensen. Der Renditeaufschlag von aktuell rund 160 Basispunkten gegenüber Staatsanleihen dürfte nach seiner Einschätzung in den kommenden fünf Jahren stabil bleiben.
Mietmärkte: Wohnimmobilien vorne, Logistik mit moderatem Rücklauf beim Leerstand
Auf der Mietseite zeigt die AEW-Studie ein differenziertes Bild. Die Leerstandsquoten haben sich in vielen Segmenten nach der Pandemie bereits zurückgebildet. Bei Büroimmobilien erwartet AEW, dass die Quote ihren Höhepunkt erreicht hat und bis Ende 2030 auf 6,3 Prozent sinken wird. Die Kluft zwischen zentralen Lagen und Randlagen dürfte sich verringern, auch weil das Neuflächenangebot zurückgeht.
Im Logistikbereich ist der Leerstand von 2,5 Prozent im Jahr 2022 auf 5,6 Prozent gestiegen. Bis 2030 rechnet AEW mit einem schrittweisen Rückgang auf 4,1 Prozent. Die Projektpipeline fällt knapper aus, da geringere Margen im Bau die Realisierung neuer Flächen bremsen. Spitzenwohnimmobilien bleiben laut Prognose der stärkste Treiber bei den Mieten: AEW kalkuliert im Zeitraum 2026 bis 2030 mit durchschnittlichen Mietzuwächsen von 3,2 Prozent pro Jahr und damit vor Büroobjekten mit 2,6 Prozent sowie Logistik mit 2,0 Prozent. High Street und Einkaufszentren dürften mit 1,6 beziehungsweise 1,2 Prozent pro Jahr unter dem Durchschnitt wachsen.
Finanzierung: Fremdkapital bleibt Hebel für Renditen
Auf der Finanzierungsseite attestiert AEW Investoren weiterhin attraktive Rahmenbedingungen, insbesondere in der Eurozone. Die Fremdkapitalkosten liegen dort im dritten Quartal 2025 bei rund 3,9 Prozent und damit deutlich unter den sektorübergreifenden Spitzenrenditen von 5,2 Prozent. Auch in Großbritannien bleibt der Einsatz von Fremdkapital grundsätzlich interessant, obwohl Swapsätze und Margen höher sind als in der Eurozone.
Parallel dazu hat sich die Refinanzierungssituation entspannt. Die von AEW geschätzte europäische Kreditfinanzierungslücke für den Zeitraum 2024 bis 2026 ist auf 74 Milliarden Euro gesunken, ein Rückgang um 18 Prozent gegenüber der vorherigen Schätzung. Der Anteil der Finanzierungslücke am ausstehenden Kreditvolumen liegt mit 12 Prozent unter dem zuletzt veranschlagten Wert von 13 Prozent, mit Ausnahmen in einzelnen Märkten wie Frankreich.
Im Transaktionsgeschehen geht AEW von einem allmählichen Wiederanziehen der Volumina aus. Für 2025 werden europaweit rund 200 Milliarden Euro erwartet, für 2026 etwa 220 Milliarden Euro. Alternative Immobiliensegmente haben ihren Anteil am Gesamtvolumen in den vergangenen vier Quartalen auf 20 Prozent ausgebaut.
Bewertung und Renditen: Abschläge bleiben, Spitzenrenditen ziehen leicht an
Nach massiven Anpassungen in den Jahren 2022 bis 2024 haben sich die Spitzenrenditen laut AEW im zweiten Quartal 2024 bereits leicht von ihren Höchstständen entfernt. In den kommenden Jahren rechnet das Haus über alle Segmente hinweg mit einer weiteren, jedoch moderaten Kompression um etwas mehr als 30 Basispunkte bis 2030. Büroimmobilien gelten dabei als stärkster Profiteur mit einem erwarteten Rückgang der Spitzenrenditen um 45 Basispunkte, gefolgt von Einkaufszentren und Logistik mit 35 beziehungsweise 30 Basispunkten.
Räumlich betrachtet sieht AEW die höchsten Gesamtrenditen im Vereinigten Königreich mit durchschnittlich 10,3 Prozent pro Jahr. Dahinter folgen Märkte in Mittel- und Osteuropa mit 9,1 Prozent, begünstigt durch hohe Ertragsrenditen, sowie Spanien mit überdurchschnittlichen Mietzuwächsen. Einkaufszentren rücken nach ihrer Neubewertung wieder stärker in den Fokus institutioneller Anleger und sollen im europäischen Schnitt 8,6 Prozent pro Jahr liefern.
Während AEW die Marktphase vor allem als Einstieg in eine neue Erholungsphase beschreibt, bleibt die Perspektive aus Sicht börsennotierter Immobilienanleger deutlich zweigeteilt. Rick Romano, Head of Global Real Estate Securities Business bei PGIM, verweist auf Bewertungsabschläge und politische Unsicherheiten. „Trotz seiner überdurchschnittlichen Performance dieses Jahr weist der europäische Markt weiterhin erhebliche Abschläge im Vergleich zu seinen langfristigen Bewertungskennzahlen auf. Die Wachstumsaussichten in Europa dürften 2025 und auch 2026 weiterhin verhalten bleiben“, so Rick Romano.
Die geopolitische und fiskalische Lage bleibt ein Risikofaktor. „Obwohl die USA sowohl mit Großbritannien als auch mit der EU Rahmenhandelsabkommen abgeschlossen haben, stellen mögliche US-Zölle weiterhin ein potenzielles Abwärtsrisiko für das Wachstum dar“, betont Rick Romano. „Die Anleiherenditen in Großbritannien bleiben auf einem hohen Niveau und setzen die Finanzlage des Landes zusätzlich unter Druck. Die Inflationszahlen in der Eurozone sind weitgehend unter Kontrolle und entsprechen den Erwartungen der Zentralbank. In Frankreich, wo zwei Premierminister daran gescheitert sind, einen Haushalt zu verabschieden, und in Großbritannien, wo möglicherweise Steuererhöhungen bevorstehen, sind erneut politische Risiken aufgetreten.“
Gleichzeitig sieht Rick Romano im börsennotierten Segment Chancen, die über die aktuelle Zyklusphase hinausreichen. „Trotz der vorherrschenden makroökonomischen Unsicherheit sind die Aussichten für den börsennotierten Immobilienmarkt in Europa leicht positiv. Die Immobilienwerte auf dem Private Market haben in den meisten Sektoren ihren Tiefpunkt erreicht und die Aktienkurse auf dem Public Market bieten nach wie vor erhebliche Abschläge gegenüber diesen Bewertungen. Zudem verzeichnen viele Unternehmen derzeit attraktive Cashflow-Renditen. Weitere Zinssenkungen wären förderlich, insbesondere für europäische Unternehmen mit einer höheren Verschuldung.“
Strategisch richtet PGIM den Blick vor allem auf strukturell wachsende Teilmärkte. „Die Fundamentaldaten des Mietermarktes in den strukturell wachsenden Sektoren sind positiv und das Neugeschäft grundsätzlich unter Kontrolle“, erklärt Rick Romano. „Um dieses Risiko zu steuern, konzentrieren wir uns bei unseren Investitionen in Europa auf Wachstumssektoren mit positiven Mietertrends: Rechenzentren, ausgewählte Mehrfamilienhäuser, Studentenwohnheime, Logistik und Net Lease.“ Im Einzelhandel bleibt PGIM nach den deutlichen Neubewertungen übergewichtet. „Zudem behalten wir eine Übergewichtung ausgewählter Einzelhandelsunternehmen bei, da sich der Konsum als sehr widerstandsfähig erwiesen hat, die Cashflow-Renditen auf historischen Höchstständen liegen und höhere Kapitalisierungsraten Akquisitionsmöglichkeiten bieten“, so Rick Romano.
Dem europäischen Büromarkt begegnet PGIM dagegen zurückhaltend. „Insgesamt bleiben wir vorsichtig und untergewichten den Büromarkt aufgrund höherer Leerstände in sekundären Lagen, erheblicher Investitionsrückstände und der Möglichkeit weiterer Wertanpassungen auf dem privaten Markt“, sagt Rick Romano. Bei neuen Engagements setzt PGIM auf klare Anlagehypothesen und potenzielle Katalysatoren. „In Europa bieten viele Unternehmen attraktive relative Bewertungen. Wir tätigen entweder neue Investitionen oder erhöhen unsere Positionen in Unternehmen, in denen wir Katalysatoren sehen und von deren Gewinnwachstum und oder außergewöhnlichen Wertchancen überzeugt sind.“


