Johannes Egert, Head of Real Asset Finance bei der RECON AG, spricht im Interview über Mezzanine, selektive Banken, neue Spielräume bei Whole Loans. Er ordnet ein, wie sich Finanzierungsstrukturen verschieben, wo heute tatsächlich Kapital verfügbar ist und welche Assetklassen wieder in den Fokus rücken. Am 13. November ist er beim Münchner Immobilienkongress mit dabei und wird dieses Thema vertiefen.
IMMOBILIEN AKTUELL (IA): Nicht neu, aber immer gern genutzt: Die Finanzierung ist das „Schlüsselgewerk“ von Projektentwicklungen. Wie verändert sich derzeit die Rolle von Kapitalberatern angesichts steigender Finanzierungskosten und restriktiver Kreditvergabe?
Johannes Egert (JE): Eine objektive Beratung ist wichtiger denn je. Das Kapitalangebot hat enorm an Komplexität hinzugewonnen - die Strukturoptionen sind vielfältig, die Kapitaloptionen knapp. Es gilt marktfähige, platzierbare Strukturen, deren Kosten für das Projekt tragbar sind zu definieren und diese sodann zügig einzuwerben. Zudem ist Flexibilität wichtig, um gegebenfalls erforderliche Kursänderungen zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang legen wir großen Wert darauf, über die Kapitalauszahlung hinaus an Bord zu bleiben. In diesen anspruchsvollen Zeiten ist eine kontinuierliche Kommunikation auf Augenhöhe mit dazugehörenden Reportings besonders wichtig. Es dient als solides, vertrauensvolles Fundament, insbesondere wenn das Projekt den definierten Leitplanken doch einmal zu nahe kommt.
IA: Welche Kapitalstruktur-Optionen sind aktuell bei Immobilienprojekten besonders gefragt – Senior, Mezzanine, Eigenkapital? Und wo liegen die größten Verhandlungsspielräume?
JE: Klassisches Mezzanine ist mit Ausnahme von kleinen Tranchen von Family Offices und/oder Crowds unverändert kaum verfügbar beziehungsweise es ist sehr teuer. Damit bleibt nur das Eigenkapital des Entwicklers mit externem, echtem Eigenkapital im Rahmen eines Joint Ventures zu stärken. Und/oder über einen alternativen Provider mittels höherem Senior oder Whole Loan die Eigenmittelanforderung zu reduzieren. Banken sind selektiv wieder etwas interessierter und geben bei „guten“ Finanzierungen auch mal ihren Margenerwartungen nach.
IA: Ihr Capital-Advisory-Prozess setzt stark auf Markt-Plausibilisierung und Erwartungsmanagement. Vor dem Hintergrund verschärfter Eigenkapitalanforderungen und ESG-Regulierung: Wie groß ist die Lücke zwischen den Erwartungen von Projektentwicklern und den Risikokriterien institutioneller Kapitalgeber und wie lässt sie sich überbrücken?
JE: Die Platzierung darf nicht zur Suche der Nadel im Heuhaufen werden, wenngleich es sich manchmal so anfühlt. Oft gibt es auch Bestätigung von Kapitalgebern zur aufgestellten Struktur, aber irgendetwas findet man dann doch, um abzusagen. ESG-Themen sehen wir selten als Dealbreaker. Dafür gesellen sich zur Regulierung geschäftspolitische Zwänge. In den Bilanzen insbesondere kleinerer Banken schlummert – bei einem ehrlichen Blick – wohl leider noch das eine oder andere schiefliegende Engagement. Das beeinflusst natürlich das Neugeschäft. Die großen Häuser haben wohl ihre Arbeit bei den Bestandsengagements weitgehend gemacht und die Abschreibungen verdaut. Die Kluft in den Erwartungen kann mitunter durch eine ehrliche Diskussion über die Risiken und Chancen und mittels Puffern in den Kapitalstrukturen überwunden werden.
IA: Es wird von einer engen Verzahnung von Transaktions- und Finanzierungsprozessen gesprochen. Inwiefern führt diese Abhängigkeit zu neuen Risiken – oder auch zu neuen Chancen für Marktteilnehmer?
JE: Die gegenseitigen Abhängigkeiten waren bei Trading Development schon immer da. In den vergangenen Jahren wurden nun die sich darauf ergebenden Risiken sichtbar. Nur logisch, dass Kapitalpartner die Exitfähigkeit intensiver prüfen. Und hier kommt die Verzahnung im Beratungsprozess zum Tragen: Je besser man den kalkulierten Exit untermauern kann, desto eher wird man Finanzierungpartner überzeugen. Gleichzeitig prüfen die Entwickler den Exit penibler und passen die Residualwerte an. Auch deswegen liegen die Vorstellungen von Verkäufern und Käufern bei Entwicklungsflächen teilweise noch immer stark auseinander.
IA: Welche Assetklassen sehen Sie aktuell als besonders finanzierbar, welche geraten stärker unter Druck?
JE: Nach Wohnen inklusive Sonderformen haben sich Hotels in der Gunst der Kapitalgeber nach vorne gearbeitet. Die Wiederenddeckung des persönlichen Kontakts nach der erzwungenen Remote-Welle in Verbindung mit einem soliden Tourismus und der Konsolidierung des Betreibermarktes, der eine Steigerung der durchschnittlichen Zimmerraten ermöglicht, machen die Assetklasse wirtschaftlich attraktiver. Andere gewerbliche Assets funktionieren nur bei guter, langfristiger Vermietung.
IA: Bei erneuerbaren Energien sprechen Sie von einem Track Record ohne Kreditausfälle. Welche Faktoren machen dieses Segment für Kapitalgeber so attraktiv und gibt es Lehren für den Immobilienbereich?
JE: Auch wenn eine nachhaltige, dezentrale Energieversorgung zu angemessenen Preisen jüngst an Aufmerksamkeit verloren hat, so ist sie doch unverändert wichtig für eine stabile Wirtschaft und Standortqualität. Bei Photovoltaik und Wind waren die garantierten Einspeisevergütungen wichtig. Inwiefern die Politik am Gesamtgefüge etwas ändert, bleibt abzuwarten. Der Bereich Batteriespeicher wird derzeit nahezu ausschließlich von Kapital außerhalb der Banken finanziert, da den Cashflows nicht die nötige Stabilität unterstellt wird.
IA: Angesichts der Transaktionszahlen und der allgemeinen Stimmung: In den nächsten zwei bis drei Jahren sehen wir Finanzierungen vor allem im Bestand und in Umnutzungen?
JE: Ja, das Segment wird weiterhin bevorzugt sein, da Bestände teils sehr günstig sind, dadurch wirtschaftlich attraktiver als mancher Neubau. Auch die Risiken werden aus hoher Flughöhe oft geringer eingeschätzt. Es wird aber auch Negativbeispiele geben, weil man im Vorfeld nun mal nicht hinter jede Wand blicken kann.
IA: Wie wirkt sich der Zugang zu klassischen und alternativen Kapitalgebern auf die Wettbewerbsfähigkeit von Projekten aus, gerade im Vergleich zu rein bankgetriebenen Finanzierungen?
JE: Projekt-Finanzierungen werden auf Jahre hinweg knapp bleiben. Die Finanzierung ist und bleibt damit ein Schlüsselgewerk bei Projektentwicklungen. Ohne Finanzierung kein Projekt – die Finanzierung als Korrektiv. Nur Wenige werden sich davon lösen und Opportunitäten aus einer starken Eigenkapitalposition heraus nutzen können. Eine andere Frage ist, wie gerechnet wird. Häufig liegt die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung unter der eines externen Kapitalgebers.
IA: RECON ist Teil eines Unternehmensverbundes mit KINGSTONE Real Estate Debt und weiteren Partnern. Welche Synergieeffekte entstehen dadurch ganz konkret für Ihre Mandanten?
JE: Durch die enge Vernetzung und den Knowhow-Transfer zwischen den verschiedenen Einheiten (Bank, Debt Fonds, Mezz/EK-Geber, Entwickler, Assetmanager) können wir unseren Mandanten schnelle und qualifizierte Einschätzungen geben und Lösungsansätze generieren.


