Frauen in der Immobilienwirtschaft: „Die Eintrittsbarrieren müssen noch aktiver abgebaut werden“

Frauen in der Immobilienwirtschaft: „Die Eintrittsbarrieren müssen noch aktiver abgebaut werden“

Frauen in der Immobilienwirtschaft: „Die Eintrittsbarrieren müssen noch aktiver abgebaut werden“
Katrin Williams, Claudia Spiegel und Andrea Meisel im Interview über Frauen in der Immobilienbranche. Copyright: Williams: Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. / Spiegel + Meisel: AOC | DIE STADTENTWICKLER

Frauen sind in der Immobilienwirtschaft immer noch in der Minderheit. Im Team des mittelständischen Unternehmens AOC | DIE STADTENTWICKLER GmbH aus Magdeburg gibt es eine 50-Prozent-Quote. Im Gespräch mit Katrin Williams, Vorstandsvorsitzende des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft, erzählen Andrea Meisel, Leitung Projektentwicklung bei AOC, und Claudia Spiegel, Vermietungsmanagement bei AOC, von ihren Erfahrungen.

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Frau Meisel, Sie sind seit wann in der Branche?

Andrea Meisel: Ich bin seit über 30 Jahren in der Projektentwicklung tätig und konnte dadurch Erfahrungen in verschiedenen Bereichen dieses spannenden Tätigkeitsfeldes sammeln. Dazu gehören die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten für private und öffentliche Auftraggeber ebenso wie in den zehn Jahren bei AOC die klassische Projektentwicklung vom Ankauf des Entwicklungsgrundstückes bis zur Übergabe der fertiggestellten Immobilie an den Endinvestor. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe ich viele Veränderungen mittragen können, die der Markt und die Entwicklung am Bau gefordert haben. Parallel kann man aber feststellen, dass gerade Genehmigungsprozesse trotz moderner Technik nicht mit der Zeit gegangen sind und man hier als Entwickler – in welchen Bereichen auch immer – mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat.

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Frau Spiegel, bevor Sie bei AOC angefangen haben, waren Sie in großen Konzernen beschäftigt: Was hat das mittelständische Unternehmen für Sie attraktiv gemacht?

Claudia Spiegel: Ich bin seit elf Jahren in der Branche. Der Mittelstand wird mit Blick auf seine Innovationsfähigkeit oft unterschätzt. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Kurze Entscheidungswege, schlanke Prozesse, spannende Projekte, eine offene Teamkultur und der starke Wachstumskurs haben mich auch mit Blick auf die persönliche Weiterentwicklung überzeugt.

Wie zieht man mehr Frauen in die Immobilienwirtschaft?

Frau Williams, bei AOC sind über die Hälfte der 35 Beschäftigten Frauen. Ist ein Verhältnis 50:50 für den Verein ein Ziel?

Katrin Williams: Natürlich wäre es sehr schön, wenn wir das bei möglichst vielen Unternehmen erreichen könnten. Noch sehen wir aber, dass dem nicht so ist. Unsere Studie, die wir im März veröffentlich haben, zeigt, dass beispielsweise nur jede fünfte Leitungsposition in der Immobilienwirtschaft in weiblicher Hand ist, im Topmanagement sogar nur jede zehnte. Von Gleichberechtigung und Chancengleichheit ist die Branche in den Führungsebenen und auch sonst noch weit entfernt. Trotzdem hat sich in den vergangenen Jahren schon sehr viel getan. Besonders gut für die Zukunft: Unsere Auswertung unter rund 97.200 Studierenden an Hochschulen zeigt ein ausgewogenes Verhältnis, denn 42 Prozent der Studierenden in immobilienwirtschaftlichen Fächern sind weiblich.

Was können Unternehmen tun, um für Frauen beste Voraussetzungen zu schaffen?

Katrin Williams: Die Frauenförderung muss als Ziel in der Unternehmensstrategie verankert, mit klaren Zielvorgaben versehen und konsequent umgesetzt werden. Auch wenn es wie Klischee klingt: Noch ist die Vereinbarkeit von Familie und Job mehr als nur eine Erwähnung wert. Es bedarf flexiblerer Arbeitszeitmodelle und damit auch eines Wandels in der Unternehmenskultur. Zudem sollte sich die Branche insgesamt Gedanken darüber machen, wie Frauen mehr gefördert werden können und wo Mentorenprogramme sinnvoll sind.

Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. fördert Frauen in der Branche

Frau Spiegel, Sie selbst sind Mitglied in dem Verein. Warum?

Claudia Spiegel: Seit über zehn Jahren bin ich inzwischen Mitglied bei den Immofrauen, und bin in meiner Zeit in Hamburg auf den Verein aufmerksam geworden. Inzwischen darf ich seit diesem Jahr die Region Dresden leiten und seit zwei Jahren die Fachgruppe Innovation. Für mich persönlich, auch als Mutter von zwei Töchtern, ist es wichtig, Frauen in der Branche zu fördern und eine Plattform für den fachlichen Austausch zu bieten. Persönliche und berufliche Weiterentwicklung lebt neben der eigenen auch von der Erfahrung anderer und dem Austausch untereinander. Die Immofrauen sind ein großes deutschlandweites Netzwerk aus starken und interessanten Persönlichkeiten über das gesamte Spektrum der Immobilienbranche hinweg und inspirieren mich immer wieder.

Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit sich mehr Frauen für diese Branche interessieren?

Claudia Spiegel: Wie schon erwähnt: Eintrittsbarrieren sollten noch aktiver abgebaut werden, indem Unternehmen auf Frauen zugehen und Angebote schaffen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit einer maximalen Flexibilität bieten. Ein Thema, das nicht nur unsere Branche betrifft. Hier gab es in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, die allerdings noch lange nicht abgeschlossen ist. Der Erfahrungsaustausch und die Förderung junger Frauen, beispielweise im Rahmen von Mentoringprogrammen, sind ein weiterer wichtiger Baustein. Fakt ist, dass die Immobilienbranche sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten bietet, die wir noch transparenter machen müssen, um damit jungen Frauen bereits in der beruflichen Orientierungsphase einen Einblick zu verschaffen.

„Natürlich ist die Branche immer noch sehr von Männern dominiert“

Frau Meisel, wie sehen Sie die Entwicklung von Frauen in diesem Bereich?

Andrea Meisel: Sehr positiv und einem ständigen Wachstum unterlegen. Natürlich ist die Branche immer noch sehr von Männern dominiert, was nicht zuletzt an den technischen Anforderungen liegt. Der Wandel in der Berufswelt macht sich aber auch hier deutlich bemerkbar. Die Frauen haben Interesse an den technischen Berufen, sind gut ausgebildet und motiviert. Zusammenfassend ist zu sagen, dass nunmehr verstärkt die Qualifikation und nicht das Geschlecht die Grundlage einer personellen Entwicklung in unserem Bereich ist.

Sind Frauen zu vorsichtig, wenn es um das Durchsetzen im Job geht?

Andrea Meisel: Teils ja, teils nein. Ein Ansatz, der zwar gerade bei erfahrenen Mitarbeitern noch verstärkt zu merken ist, sich aber zunehmend gerade mit dem Generationswechsel und der Durchmischung der Personalstruktur abstellt. Die Frau denkt klassisch globaler und hat – durch die meist stärkere doppelte Belastung mit Familie und Beruf – einen breiteren Blickwinkel auf viele Dinge. Dies führt aus meiner Sicht zu mehr Bedacht, nicht zur Vorsicht.

Die Immofrauen und ihr Mentorinnen-Programm

Frau Williams, wie ist die derzeitige Situation: Wo arbeiten denn die meisten Frauen?

Katrin Williams: Den größten Anteil in Leitungspositionen sehen wir in der Verwaltung. Fast jede zweite Führungskraft ist eine Frau (48 Prozent). Danach folgen Buchhaltung und Human Ressource mit 46 Prozent und 42 Prozent. In allen Teilbranchen mit Ausnahme des Finanzsektors haben diese Funktionen den größten Frauenanteil. Hier merkt man schon, dass auch daran gearbeitet werden muss, dass Frauen mehr in den technischen Disziplinen Fuß fassen.

Der Verein hat ein Mentorinnen-Programm: Was verbirgt sich dahinter?

Katrin Williams: Unser Mentoring-Programm gibt es seit 2019 mit der EBZ Business School. Dabei werden sogenannte Tandems gebildet: Einer Studierenden wird eine erfahrene Branchenexpertin zur Seite gestellt. Dabei geht es um fachlichen, aber auch den persönlichen Austausch. Zudem versuchen wir natürlich als Verein in den einzelnen Regionalgruppen, mit unterschiedlichen Angeboten Wissen und Praxis als gemeinsames Gut zu erleben und fördern den Austausch.

Frau Spiegel, wie wichtig ist die Unterstützung durch erfahrene Frauen?

Claudia Spiegel: Sehr wichtig. Es hilft enorm, sich über Herausforderungen auszutauschen und andere Perspektiven kennen zu lernen.

Frau Meisel, welche Dinge sollten Berufseinsteigerinnen in diesem Fachbereich unbedingt beachten?

Andrea Meisel: Wie in jedem Beruf: sich der Herausforderung stellen. Für mich persönlich ist das neben dem Engagement auch der Wunsch, immer weiter zu lernen (was keine Frage des Alters ist). Es ist wichtig, technisches Verständnis mitzubringen und möglichst viele Bereiche der Branche zu durchlaufen, um das Aufgabenfeld zu finden, welches die eigenen Stärken optimal einsetzbar macht. Und wenn das nicht Herausforderung genug ist – der Markt bietet ständig Veränderungen, auf die es zu reagieren gilt.

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