Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen: Deutschland steuert auf Wohnungs-Debakel zu

Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen: Deutschland steuert auf Wohnungs-Debakel zu

Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen: Deutschland steuert auf Wohnungs-Debakel zu
Copyright: (links) Dimitris Vetsikas auf Pixabay; (rechts) ZIA

ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen heute Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. Kernsignale dieser Analyse: Bauinvestitionen sind in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft regelrecht zerbröseln. Der gewerbliche Immobilienmarkt gilt in weiten Teilen nach wie vor als robust; angesichts stark gestiegener Energiekosten rücken hier zunehmend die Energiebilanzen der Gebäude in den Fokus. Für den Wohnungsmarkt jedoch drohe bald „ein schlimmes Erwachen“.

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Beim Wohnungsbau zeichnet sich eine zunehmende Dramatisierung ab. Erreichbare Mieten liegen nun immer häufiger unterhalb der Kostenmieten. Der ZIA fordert angesichts der immer schärferen Zuspitzung der Lage einen radikalen Abschied von finanziellen und regulatorischen Begrenzungen, mit denen staatliche Akteurinnen und Akteure die Immobilienwirtschaft in Krisenzeiten zusätzlich ausbremsen.

Andreas Mattner:

„Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir ein Wohnungs-Debakel in 2025 nicht mehr abwenden können. Hier ist es nicht mehr fünf nach zwölf, sondern Viertel nach drei, und es wird um sechs ein unangenehmes Erwachen geben.“

Ukraine-Krieg als Zäsur - Bauinvestitionen vollkommen unattraktiv

„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen Wendepunkt für Europa und nimmt starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung“, kommentiert Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, der in dem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage analysiert hat, die Veränderungen. Er hält fest: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“

Ein Befund Felds mit Blick auf die Branche: Bauinvestitionen sind aktuell so unattraktiv wie seit langem nicht mehr. Seine Analyse: „Vielen Projektentwicklern und Wohnungsunternehmen fehlen die Anreize zu bauen, weil zum einen die Aussicht auf sinkende Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Baukosten und teuren (Zwischen-)Finanzierungen riskant ist. Zum anderen ist die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen gering, und das schmälert die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen.“

Stopp beim Wohnungsneubau als unheilvolles Anzeichen für Branchenentwicklung

Der Stopp großer Akteure beim Wohnungsbau sei möglicherweise „ein Menetekel“ für die Entwicklung der Branche, warnt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner zur Präsentation des Frühjahrsgutachtens. Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes sei, speziell im Büro und Logistikbereich und bei modernen Gebäuden mit energetischen Nachhaltigkeitsstandards, zwar weiter gegeben. Für den Bereich Wohnen aber könnte die wachsende „Wirtschaftlichkeitslücke“ eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen.

„Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung, für 2025 könnte das Gap aus ZIA-Sicht bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Millionen Menschen liegen“, so Mattner, „das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“

Ukraine-Flüchtlinge treiben den Bedarf an Wohnungen

Wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Deutschland Hilfe suchen, ist der Bedarf zusätzlich gestiegen. Der dramatische Mangel ist umso ernster; als erschwinglicher, klimagerechter Wohnraum zu den Grundlagen eines guten Zusammenlebens der Gesellschaft gehört. „Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird“, warnt Mattner. Mit konventionellem Wohnungsbau mit „X Jahren Genehmigungsvorlauf und mindestens zwei Jahren Realisierungszeit“ sei selbst bei einem Start in diesem Februar eine Fertigstellung 2025 schon nicht mehr zu schaffen.

Eine weitere Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt sei daher eine „sehr konkrete Gefahr“, aber „eben kein Automatismus“, betont Mattner mit Blick auf Prof. Felds Prognose einer allenfalls kurzen und milden Rezession. Der konventionelle Wohnungsbau komme nur noch durch einen Dreiklang aus:

  1. Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote am Produkt
  2. Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
  3. Verzicht auf eine weitere Begrenzungen der Einnahmeseite: Dafür fordert Mattner den Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.

Weitere ZIA-Forderungen aus dem Frühjahrsgutachten 2023

Bundesbauministerin Klara Geywitz habe sich immer wieder offen gezeigt für die Fakten der Praktikerinnen und Praktiker, so Mattner. Für den Bereich Wohnen aber müsse der Bundeskanzler die Wende zur Sache der gesamten Regierung machen, wie er dies einst in seiner Regierungszeit in Hamburg erfolgreich getan habe. Es sei an der Zeit, „unangenehme Wahrheiten auszusprechen“, sagte Mattner. Der Staat selbst müsse auf breiter Front „Abschied nehmen vom Modell ‚Kassieren und Regulieren‘“. Bislang habe Politik Mangel allzu oft mit Regulierung beantwortet und damit das Problem vergrößert, weil so weniger Wohnungen entstünden.

Fazit des ZIA-Präsidenten angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen:

„Wir sind zu spät gekommen, uns bestraft schon das Leben – beim Wohnungsmarkt geht es inzwischen ums Überleben.“

Das Frühjahrsgutachten zum Download

Reaktionen auf das Frühjahrgutachten der Immobilienweisen 2023

Politiker wie Ulrich Lange von der CSU nutzten die Erkenntnisse des Frühjahrsgutachtens, um die Bauministerin Klara Geywitz zu attackieren. Sie forderten gegenüber den Zeitungen der Mediengruppe Bayern unter anderem "realistische und praktikable energetische Anforderungen und auskömmliche Förderung, die echte Anreize für Wohnungsneubau bietet."

Klara Geywitz dagegen hielt schon bei der Präsentation des Gutachtens dagegen und lehnte ein Mehr an Fördermitteln ab. Auf Twitter unterstrich sie ihren Standpunkt: "Die Gleichung 'Mehr Geld = mehr Wohnungen' geht nicht auf. Bloßes Subventionieren führt gerade in angespannten Wohnungsmärkten zu steigenden Preisen. Daher setzen wir neben zielgerichteter Förderung auf Angebote und Maßnahmen, die die richtigen Impulse für mehr Wohnraum geben." Sie setze zudem auf den Durchbruch des seriellen Bauens und die Digitalisierung von Bauanträgen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus.

Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen hat sich in den 20 Jahren seit dem Start zum bewährten Datenfundus für Immobilienwirtschaft, Politik, Wissenschaft sowie die breite Öffentlichkeit entwickelt und wird vom ZIA – dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der 37.000 Mitglieder vertritt – herausgegeben.

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