Das Gremium hat eine Zwischenbilanz für die Jahre 2021 und 2024 gezogen. Allerdings brodelt die Diskussion über Sinn und Unsinn schon viel länger. Die Aufgabe ist einfach: Die Gestaltungskommission Dresden ist seit 2016 beratend tätig, wenn es um architektonische Qualität, Baukultur und den öffentlichen Raum geht. In vierteljährlich stattfindenden Sitzungen diskutiert das interdisziplinär besetzte Gremium gemeinsam mit dem Stadtrat über relevante Bauvorhaben – sowohl städtische als auch private.
„Die Gestaltungskommission bildet gemeinsam mit unseren Gestaltungsleitlinien für Architektur und Stadtraum sowie dem Erlweinpreis einen Dreiklang der Baukultur in Dresden. Die anfänglichen Zweifel bei ihrer Gründung im Jahr 2016 sind längst verflogen – die Kommission hat mehrfach gezeigt, wie wirkungsvoll sie Impulse für qualitätsvolles Bauen setzt“, erklärte nun Baubürgermeister Stephan Kühn. Zwischen 2021 und 2024 gab es 15 Sitzungen, deren Inhalt 47 Projekte waren. Thematisch reichte die Spannbreite von der Standorterweiterung bei Infineon Technologies über die bauliche Entwicklung des Sächsischen Landtages – auf den später noch eingegangen wird – bis hin zur Kulturwerkschule in Trachau, einem Neubau für das Herzzentrum in der Johannstadt und einem Planungswettbewerb für eine thermische Abfallbehandlungsanlage.
Im Jahr 2022 prüfte Infineon Technologies Standortalternativen in Europa, den USA und Asien für eine Produktionsausweitung. Die Gestaltungskommission begleitete den Dresdner Standort bereits frühzeitig. Diskutiert wurde insbesondere, wie sich ein Großprojekt dieser Dimension angemessen in das Landschaftsbild integrieren lässt. Die Analogie zur Festung Königstein diente als gestalterische Idee für die Wirkung am Hang der Dresdner Heide. „Mit der Entscheidung für Dresden setzte Infineon die Planungen im engen Schulterschluss mit den Empfehlungen der Kommission fort“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt. Allerdings gefiel die Fassade der Gestaltungskommission überhaupt nicht, in der Sächsischen Zeitung war zu lesen: „Es kommt höchst selten vor, dass die Mitglieder der Gestaltungskommission und Investoren unversöhnlich auseinandergehen.“
Die geplante Erweiterung des Sächsischen Landtages – auf einem Grundstück zwischen Bestandsgebäude und Erlweinspeicher – erfordere eine besonders sorgfältige städtebauliche Einbindung, so die Kommission. Es ging um Sichtachsen zur Brühlschen Terrasse, zur Marienbrücke und zu weiteren Denkmalbereichen entlang der Elbe. 2023 musste der renommierte Architekt Peter Kulka seinen neuen Entwurf für den Landtag 'rechtfertigen'. Innerhalb des Bauausschusses hatten Stadträte, laut Dresdner Neuester Nachrichten, den Entwurf mit einer DDR-Schule verglichen. Torsten Kulke forderte einen Wettbewerb, der Architekt ließ über die Lokalzeitung ausrichten: „Hat ein Wettbewerb irgendwann etwas besser gemacht in Dresden? Wir brauchen für gewisse Dinge Leute, die es können. Und das hier kann ich.“
An der Leipziger Straße in Trachau entsteht mit der Kulturwerkschule ein Bildungsbau mit eigenem pädagogischem Profil. Aufgrund der besonderen Lage an der Schnittstelle zwischen blockhafter und offener Bebauung wurde das Vorhaben in die Gestaltungskommission gegeben. Die Kommission regte an, den Werkstattcharakter und die Adressbildung des Gebäudes in einem weiteren Entwurf weiter zu akzentuieren. In der aktuellen Pressemitteilung steht dann folgender Satz: „Das Projekt wird bis zum geplanten Satzungsbeschluss des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 2025 weiterentwickelt.“
Ende 2023 war das neue Herzzentrum Thema der Gestaltungskommission: Ab 2030 soll auf der bisher unbebauten Ecke zwischen Blasewitzer und Fiedlerstraße ein Klinikstandort entstehen. Die Gestaltungskommission gab erste ‚Anregungen‘: Während die Fassade mit vorgehängten Betonelementen des fünfgeschossigen Hauses gelobt wurde, gibt es Nachbesserungsbedarf an anderen Stellen: Wie sieht es mit der Höhenentwicklung an dieser markanten Stelle aus? Die Haustechnik solle nicht auf das Dach, sei eine Verlagerung nicht möglich, dann müsse die „Technik gestalterisch eingefasst werden“, schrieb die Sächsische Zeitung. Zudem wäre ein geschlossener Innenhof besser, die „Zufahrt zum unterirdischen Wirtschaftshof solle architektonisch möglichst dezent gestaltet werden“. In der offiziellen Pressemitteilung liest sich das so: „Bis zur Realisierung wird es noch einige Jahre dauern – doch mit den Empfehlungen der Gestaltungskommission nimmt das Projekt weiter Gestalt an."
Immer noch in Erinnerung: 2017 liefen drei Initiativen – Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND), StadtbilDDresden und Stadtbild Deutschland – gegen das Hotelprojekt Super8 an der Antonstraße Sturm. Torsten Kulke, GHND-Vorstand, erklärte damals: „Wir haben ein generelles Problem, weil sehr viele Klötzer entstehen.“ Zwar habe die Stadt eine Gestaltungskommission, die „das richten soll, was die Ämter versaubeutelt haben“. Dieses Gremium habe allerdings keine Werkzeuge und werde „im Walde des Dresdner Baugeschehens“ stehen gelassen. Immer wieder gab es auch die Forderung, dass mehr Dresdner Teil des Gremiums sein sollten. Bei der Bebauung an der Sternstraße in Mickten nannte ein Kommissionsmitglied den Entwurf „anspruchslos, hilflos und spannungslos“, wie in Pieschen-Aktuell.de nachzulesen war im Jahr 2019.