GSG Gewerbe-Pulsschlag 2025: Ist ESG am Ende?

GSG Gewerbe-Pulsschlag 2025: Ist ESG am Ende?

GSG Gewerbe-Pulsschlag 2025: Ist ESG am Ende?
Quelle: Marc-Steffen Unger

In seinem Meinungskommentar beleuchtet Oliver Schlink, Geschäftsführer der GSG Berlin, das Dauerthema Nachhaltigkeit und befindet: "Erwachsen statt am Ende". 

Agentur

Flucht in bessere Qualitäten und Lagen – so ließ sich der Berliner Büroimmobilienmarkt (ähnlich wie anderenorts auch) lange zusammenfassen. Denn eine Vielzahl an Unternehmen wollte ihren Mitarbeitern durch neue Büros einen klaren Mehrwert bieten und Anreize schaffen, überhaupt weiterhin ins Office zu kommen. Da sich viele Unternehmen im Umzugsfall verkleinert haben – Stichwort weniger Raumbedarf vor Ort durch entsprechende Homeoffice-Quoten –, konnten sie sich dabei auch eine höhere Quadratmetermiete leisten. Zu den besagten besseren Qualitäten zählten ausdrücklich auch ESG-Kriterien, die die Büros erfüllen sollten. Einerseits forderten die Mitarbeiter vieler Unternehmen immer mehr, dass ihr Office die Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens ausreichend spiegelt. Andererseits waren und sind viele Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen, in die auch ESG-Qualitäten des Büros einfließen, wodurch sich das Gesamtergebnis inklusive CO?-Fußabdruck je nach Fall verbessern kann. Zuletzt wurde aber die Frage immer lauter, ob ESG in der Immobilienwirtschaft am Ende ist – und ob Nachhaltigkeit weiterhin ein von allen Seiten mitgetragenes Kriterium darstellt.

Erwachsen statt am Ende

Der Gewerbe-Pulsschlag 2025 unseres Hauses, den wir gemeinsam mit Bulwiengesa erarbeitet haben, gibt hierauf folgende Antwort: ESG ist nicht vom Tisch, sondern bleibt unverzichtbar. Das zeigt sich in Berlin unter anderem daran, dass Büroobjekte mit energetischen Defiziten längst unter Mietpreisdruck geraten sind. Aber klar ist auch: Die Immobilienwirtschaft befindet sich in einer Phase der ESG-Neuausrichtung am Übergang zu einer nächsten, erwachseneren Entwicklungsstufe, da viele ESG-Ziele in der Praxis zunehmend auf eine herausfordernde wirtschaftliche Realität stoßen. So bleiben die Baukosten für die entsprechenden Maßnahmen sowie die zugehörigen Finanzierungskosten hoch. Hinzu kommen je nach Eigentümer eine unklare ESG-Datenlage und mit der Erhebung verbundene Ressourceneinsätze, beispielsweise wenn Gewerbemieter für ihr ESG-Reporting beim Eigentümer nach immobilienbezogenen Zahlen fragen. Insgesamt werden pragmatische Lösungen mit messbaren Mehrwerten an Bedeutung gewinnen, also mehr Substanz und weniger Labeln. Entscheidend ist daher nicht mehr, ob ESG sich rechnet, sondern wann. Besonders gefragt sind aktuell sogenannte No-Regret-Maßnahmen, die geringe Investitionen mit schneller Amortisation verbinden – etwa LED-Technik, smarte Steuerung oder einfache Dämmmaßnahmen.

Das „S“ ist ESG

Der Gewerbe-Pulsschlag 2025 zeigt außerdem, dass die soziale Komponente (das „S“ in ESG) am Markt für Gewerbeimmobilien wieder stärker ins Rampenlicht rückt. Das betrifft unter anderem ein Feld, das auf den ersten Blick abseits der besagten Gewerbeimmobilie liegt: nämlich die Wohnimmobilie. Hintergrund ist: In vielen Großstädten – auch in Berlin – ist bezahlbarer Wohnraum knapp, was die Ansiedlung von Fachkräften erschwert. Immer mehr Unternehmen greifen deshalb ein altes Konzept auf: Werkswohnungen. Eine Ende 2024 veröffentlichte Studie im Auftrag des Bundes zeigt, dass bereits 17 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Beschäftigten bei der Wohnungsversorgung unterstützen. Rund fünf Prozent der Firmen stellen direkt Werkswohnungen oder Wohnheimplätze bereit, weitere 12 Prozent helfen indirekt – etwa durch Mietzuschüsse oder Vermittlung von Wohnungen. Neben der Tatsache, dass Werkswohnungsangebote den Ausschlag geben können, ob ein Bewerber ein Jobangebot annimmt, leistet jede neue Wohnung einen gesellschaftlichen Beitrag, der unter ESG-Gesichtspunkten die soziale Verantwortung des Unternehmens unterstreicht.

Gewerbliches Wohnen als Option

Vermieter können hier insofern ihren Mietern helfen, indem beispielsweise nicht mehr benötigter Büroraum aus eigenen, benachbarten Beständen zu Wohnungen umgenutzt werden und Gewerbemieter für ihre Mitarbeiter auf die neuen Wohnungen zugreifen können. Auch sogenanntes gewerbliches Wohnen mit zeitlicher Befristung der Mietverträge für möblierte Apartments kann helfen, sofern es sich auch tatsächlich um zusätzliche Angebote handelt und keine Umwidmung von bereits bestehenden, bislang „klassischen“ Wohnungen darstellt. Die GSG Berlin prüft derzeit in Berlin-Kreuzberg die Umwandlung von Gewerbeflächen zu gewerblichem Wohnen, das man vor dem genannten Hintergrund auch als Werkswohnen 2.0 bezeichnen kann: Die Unternehmen sind weder Bauherren noch Eigentümer der Wohnungen, aber entscheiden sich bewusst für Bürostandorte, die gewerbliches Wohnen im direkten Umfeld aufweisen.