Emissionshandel: „Vermieter können lediglich 50 Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen“

Emissionshandel: „Vermieter können lediglich 50 Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen“

Emissionshandel: „Vermieter können lediglich 50 Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen“
Raik Oliver Heinzelmann von der ADVANTAG Services GmbH erklärt den nationalen sowie den europäischen Emissionshandel. Copyright: ADVANTAG Services GmbH

Raik Oliver Heinzelmann, Geschäftsführer der ADVANTAG Services GmbH, erklärt im Interview den nationalen sowie den europäischen Emissionshandel und zeigt auf, was dieser für die Immobilienbranche bedeutet.

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Der europäische und der nationale Emissionshandel

Emissionshandel ist in aller Munde. Es gibt einen europäischen und einen nationalen. Können Sie ersteren kurz erklären, bitte.

Raik Oliver Heinzelmann: Der EU-Emissionshandel (EU ETS) funktioniert nach dem sogenannten Cap-and-Trade-Mechanism. Das bedeutet, die Gesamtanzahl, der durch Auktionen zur Verfügung stehenden Zertifikate wurde, bis 2018 jährlich um 1,74 Prozent, bis 2023 um 2,2 Prozent und wird ab diesem Jahr um 4,3 Prozent reduziert. Die Emissionsrechte werden von der EU und den europäischen Ländern an der Leipziger Energiebörse EEX versteigert und dann, ähnlich wie Aktien, im Sekundärmarkt gehandelt. Aktuell kostet die Emission einer Tonne CO2 in den betroffenen Industriesektoren knapp 60 Euro. Die handelspflichtigen Unternehmen, an allererster Stelle Energieproduzenten, aber auch unter anderem große Brauereien, Ziegelhersteller oder die Luftfahrtindustrie, müssen die Zertifikate erwerben und bis zum 30. September des Folgejahres stilllegen. Hierbei verbrieft jeweils ein Zertifikat (EUA / European Allowance) das Recht auf die Emission einer Tonne CO2 oder eines Äquivalents in anderen Treibhausgasen (CO2e).

Und wie sieht der nationale Emissionshandel aus?

Raik Oliver Heinzelmann: Den nationalen Emissionshandel (nEHS) hat Deutschland 2021 begonnen, da insbesondere die Sektoren Verkehr und Transport deutlich hinter ihren Reduktionszielen geblieben sind. Im nEHS werden die Zertifikate ebenfalls an der EEX ersteigert, jedoch bis 2025 zu einem steigenden Festpreis. Die Kosten des Emissionshandels erhöhen somit die Preise der fossilen Brennstoffe, um die kontinuierlich steigenden Kosten des Klimawandels abzubilden und die Verbraucher zu klimafreundlichem Verhalten zu bewegen. Handelspflichtig sind alle Unternehmen, die fossile Brennstoffe, wie Kohle, Öl, Gas, Benzin oder Diesel produzieren oder importieren und diese dann ‚in Verkehr‘ bringen.

Video: Umweltbundesamt zum Emissionshandel

Freiwilliger Emissionshandel und die Finanzierung von Klimaschutzprojekten

Emission bedeutet, dass Ausgleichzahlungen in Klimaschutzprojekte gehen. Können Sie ein Beispiel für ein solches Projekt nennen?

Raik Oliver Heinzelmann: Hier bewegen wir uns im Bereich des freiwilligen Emissionshandels. Diese Zertifikate unterscheiden sich vom EU ETS und dem nEHS dadurch, dass es sich bei den verpflichtenden Systemen um Emissionsberechtigungen handelt. Bei dem freiwilligen Kompensationsmarkt kann der CO2-Fußabdruck von sich selbst, seiner Firma oder einem Produkt kompensiert werden. Hier gilt jedoch der Grundsatz Reduktion vor Kompensation, um ein sogenanntes Greenwashing zu vermeiden. Zusätzlich empfiehlt es sich, dies ausschließlich nach international anerkannten Richtlinien zu realisieren, wie beispielsweise nach dem Goldstandard, der vom WWF entwickelt wurde.

Sinn dieses Marktes ist die Finanzierung von globalen Klimaschutzprojekten, welche durch die Erlöse aus dem Verkauf dieser CO2-Zertifikate (auch Carbon Credits genannt), nicht entstanden wären. Hierbei kann es sich zum Beispiel um ein Wasserkraftwerk in der Türkei, einen Windpark in Indien oder einen Solarpark in Marokko handeln. Für jede eingesparte Tonne CO2 im Stromnetz des Betreibers erhält dieser ein CO2-Zertifikat als Gutschrift, welches dieser veräußern kann. Der Käufer kann dies erwerben und kompensiert damit eine Tonne CO2, die er nicht oder mit nur unverhältnismäßig hohem Aufwand vermeiden kann.

Wie akquirieren Sie diese Projekte?

Raik Oliver Heinzelmann: Wir kaufen diese Projekte sowohl direkt als Zwischenhändler bei den Projektbetreibern ein sowie bei der Carbon Trade Exchange (Melbourne/London) und der Air Carbon Exchange (Singapur), an welchen wir Mitglied sind.

Gehandelt werden die Zertifikate an der Börse, so beispielsweise national an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig. Welche Qualifikation bedarf es für diesen Handel?

Raik Oliver Heinzelmann: An der EEX werden die Emissionsrechte im EU ETS und im nEHS bei Auktionen versteigert sowie danach im Sekundärmarkt gehandelt. Um am Handel und den Auktionen der EEX teilzunehmen, führt sie ein aufwendiges „On Boarding“ durch, bei welchem die fachliche Qualifikation und finanzielle sowie personelle Zuverlässigkeit der Antragsteller geprüft wird. Zudem müssen die für den Handel zugelassenen Händler eine Qualifikation nebst Händlerprüfung an der EEX vorweisen.

Die Emissionshandelspflicht und der Immobiliensektor

Seit 2021 ist der Sektor Immobilien verpflichtet, jede Tonne CO2 zu erfassen und mit einem nationalen Emissionszertifikat zu begleichen. Gibt es dazu Zahlen?

Raik Oliver Heinzelmann: Die Emissionshandelspflicht betrifft den Immobiliensektor nur sekundär. Die Abgabepflicht wird von den sogenannten „Inverkehrbringern“ der fossilen Brennstoffe vorgenommen, die Immobilienbesitzer spüren es dann bei der Rechnung für die Brennstoffe. Hat ein Gebäude beispielsweise einen Verbrauch an Heizöl von jährlich 50.000 Litern, sind das rund 150.000 Kilogramm CO2, die ausgestoßen werden, also 150 Tonnen. Hierfür hat der Ölhändler dann in diesem Jahr 6.750,00 (150 x 45,00 Euro) plus Börsen- und Brokergebühren zu bezahlen, was er dann dem Endkunden weiterbelastet. Dieser darf aber nur 50 Prozent dieser Mehrkosten an seine Mieter weitergeben.

Am Anfang, also 2021, wurde die Tonne zu einem Festpreis von 25 Euro gehandelt. Wie ist aktuell der Preis?

Raik Oliver Heinzelmann: Die Preisbildung begann 2021 bei 25 Euro je Tonne CO2 und wird 2025 bereits 55 Euro betragen. 2026 wird sich eine freie Preisbildung am Markt zeigen, die jedoch bei 65 Euro nach oben begrenzt ist. 2027 geht der Handel dann europaweit in den EU-Emissionshandel über (EU ETS II). Aktuell beträgt der Preis 45 Euro je Tonne beziehungsweise nEZ (nationales Emissionszertifikat).

Ab 2026 soll es Auktionen geben. Was ändert sich dann?

Raik Oliver Heinzelmann: Die Auktionen gibt es schon seit 2021. Nur dass diese von 2021 bis 2025 als sogenannte Festpreisauktionen bei der EEX durchgeführt werden, beginnend im ersten Jahr mit 25 Euro und im kommenden Jahr endend mit 55 Euro je nationalem Emissionszertifikat. 2026 wird dann die freie Preisbildung am Markt erfolgen mit einem „Deckel“ von maximal 65 Euro und ab 2027 wird der nationale Emissionshandel in den EU-Emissionshandel als EU ETS II überführt - ohne Deckelung. Wie erste Research Paper zeigen, wird dieser Übergang eine deutliche Preissteigerung auslösen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e. V. rechnet mit einem möglichen Anstieg auf 200 Euro pro Tonne und mehr.

Im Immobilienbereich nimmt der Anteil grüner Immobilien immer weiter zu, das Ziel ist Net Zero Emissions (Netto-Null-Emissionen). Wie schlägt sich Deutschland hier im Vergleich mit anderen Ländern?

Raik Oliver Heinzelmann: Um es kurz zu sagen – nicht gut. Gebäude sind für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Weil insbesondere Deutschland hier nicht die Sektorenziele zur Reduktion erreicht hat, musste ja das nationale Emissionshandelssystem installiert werden, um eine entsprechende Lenkungswirkung zu erzielen.

Mieter, Vermieter und die CO2-Abgaben

Für die Energiegewinnung mit fossilen Brennstoffen müssen die Eigentümer und Vermieter der Immobilien zahlen. Was können sie auf den Mieter umlegen und welchen Einfluss hat er?

Raik Oliver Heinzelmann: Die Vermieter können lediglich 50 Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen. Der Mieter hat letztendlich die Wahl, ob er eine Immobilie anmietet, die unter ständig steigenden Kosten der CO2-Bepreisung leidet, oder einer zukunftsfähigen, klimafreundlichen Fläche den Vorzug gibt, deren Nebenkosten nicht durch die CO2-Abgaben belastet wird.

Nehmen wir ein Beispiel: Ich habe ein Büro und heize mit Erdgas. Welche Mehrbelastung kommt auf mich zu?

Raik Oliver Heinzelmann: Allein die Kosten für die CO2-Bepreisung bedeuten durchschnittliche Mehrkosten in diesem Jahr in Höhe von 0,93 Euro pro Quadratmeter. Im kommenden Jahr sind es bereits 1,13 Euro und 2030 werden es wahrscheinlich mindestens 1,65 Euro pro Quadratmeter Mietfläche sein. Für Immobilen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, können diese kontinuierlichen Erhöhungen die Nebenkosten auf das Niveau einer „zweiten Miete“ anheben.

Umfassende Lösungen für die Realisierung von Net-Zero-Immobilien

Welchen Service bietet die ADVANTAG Immobilienunternehmen?

Raik Oliver Heinzelmann: Die ADVANTAG Services gehört zu der Gruppe der IGP Advantag AG, die als Dienstleister auf Infrastruktur- und Baudienstleistungen spezialisiert ist. Durch die Synergien unserer Kompetenzen mit den Gesellschaften IGP Green Solutions GmbH (Beratung für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit) sowie der IGP Ingenieur GmbH (Projektmanagement und Objektüberwachung) bieten wir Bestandshaltern umfassende Lösungen für die Realisierung von Net-Zero-Immobilien aus einer Hand an.

Im ersten Schritt analysieren wir den Ist-Zustand und geben den Eigentümern Handlungsempfehlungen zur Optimierung ihrer Immobilien, um einer Abwertung als Stranded Assets entgegenzuwirken. Dabei zeigen wir modulare Möglichkeiten von der Bestandsanalyse über den Einsatz erneuerbarer Energien bis hin zur thermischen Sanierung der Gebäude auf und setzen diese maßgeschneidert um. Den nicht oder nur schwer zu vermeidenden finalen CO2-Fußabdruck gleichen wir mit ausgesuchten Kompensations-Projekten aus. Dadurch erhält der Eigentümer eine Net-Zero-Immobilie, die in der Ära von ESG und damit abhängiger Fremdfinanzierung als eine Art Gold Standard für Immobilien gilt.

Größeren Immobilienunternehmen, welche ihre Brennstoffe selbst beschaffen und somit der Emissionshandelspflicht unterliegen, stehen wir als erfahrener Dienstleister zur Seite. Diesen bieten wir einen preisgünstigen Marktzugang an und beschaffen die Emissionsrechte im nationalen Emissionshandel oder auch im EU-Emissionshandelssystem.

Welche Rolle spielen erneuerbare Energien?

Raik Oliver Heinzelmann: Eine sehr wichtige. Zum Beispiel müssen in unserem bevölkerungsmäßig größten Bundesland Nordrhein-Westfalen ab diesem Jahr bei neuen gewerblichen Immobilien Photovoltaik-Anlagen auf das Dach. Ab 2025 ebenso bei Privatbauten. Und ab 2026 auch dann, wenn es zu einer Dachsanierung kommt. NRW ist hier Vorreiter, die EU plant dies ab 2027.

Zum Emissionshandel gehört, dass man als Unternehmen vorher einschätzen muss, wie viele Zertifikate man benötigt. Was passiert, wenn ich mich verschätzt habe?

Raik Oliver Heinzelmann: Das trifft auf den nationalen Emissionshandel definitiv zu. Das Problem hierbei ist, dass man im aktuellen Jahr bis zur letzten Auktion, die in diesem Jahr planmäßig am 05.Dezember 2024 stattfindet, Käufe tätigen muss, ohne genaue Zahlen für den letzten Monat des Jahres zu haben. Wenn sich dann beispielsweise das Wetter kühler als erwartet zeigt und man als Händler von Heizöl oder Gas mehr hinzukauft, als prognostiziert, muss man entsprechende Mengen CO2-Zertifikate im Folgejahr nachkaufen.

Das geht jedoch zum gleichen Preis nur noch für maximal zehn Prozent der Zertifikatmenge, die man per 31. Dezember des Abgabejahres auf dem Registerkonto hatte. Sollte man aber noch mehr Zertifikate benötigen, müsste man sie zum höheren Preis des aktuellen Compliance-Jahres beschaffen. Zwischen 2023 und 2024 ist die Differenz besonders hoch. Kosteten die 2023er nEZ 30 Euro, so kosten die 2024er nun 50 Prozent mehr, also 45 Euro je Tonne CO2. Durch unsere große Anzahl an Kunden und auch Counterparts können wir die Zertifikate jedoch deutlich unter 45 Euro für solche Fälle beschaffen, da es immer wieder Unternehmen gibt, die sehr genau kalkuliert oder aber zu viel eingekauft haben.

Das Pariser Klimaabkommen beschloss 2015 eine maximale globale Erwärmung von 1,5 Grad. Bereits 2009 wurde die ADVANTAG gegründet. Können Sie bitte mit ein paar Zahlen zu dem Unternehmen die Historie aufzeigen.

Raik Oliver Heinzelmann: Seit Gründung des Unternehmens haben wir etwa 60 Millionen CO2-Zertifikate und auch Grünstromzertifikate mit einem Gesamtvolumen von fast einer halben Milliarde Euro umgesetzt. Unser Team besteht aus sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hierbei arbeiten wir unter anderem für Stadtwerke, Automobilproduzenten, die Luftfahrtindustrie, große Kliniken, Ministerien und sonstige Anlagenbetreiber aus unterschiedlichen Industriebereichen. Seit diesem Jahr kommt die Schifffahrt in den Bereich des EU-Emissionshandels und wir freuen uns, auch diese Branche bei der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Emissionshandel unterstützen zu können.

2014 übernahm die ADVANTAG Services GmbH das operative Geschäft im Emissionshandel von der börsennotierten Muttergesellschaft Advantag AG. 2020 erfolgte der Zusammenschluss der Advantag AG mit der IGP Gruppe, woraus die IGP Advantag AG hervorging.

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