Ein Expertenpanel beleuchtet die Chancen für den Ausbau von Infrastrukturinvestitionen in Deutschland: Die unterschiedliche Erwartungshaltung hemmt die Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft. Bei Anlegern gefragt sind Investitionen im mittleren Marktsegment.
Das Sondervermögen der Bundesregierung über 500 Milliarden Euro wird nicht ausreichen, um die notwendigen Infrastrukturinvestitionen zu tätigen; zusätzliches privates Kapital ist erforderlich. Allein um die selbstgesteckten Ziele zur Energiewende bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müssten insgesamt eine Billion Euro investiert werden. Doch es gibt zahlreiche Hindernisse, die eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft erschweren. In einer Expertenrunde diskutierten Christoph Kraiker, Vorstandsvorsitzender bei Hauck & Aufhäuser Fund Services, Dirk Krupper, Geschäftsführer von Helaba Invest, und Martin Hüwel, Rechtsanwalt und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, über die Chancen und Herausforderungen privatwirtschaftlicher Investitionen in Infrastrukturprojekte.
Renditestarke Anlageklasse, begrenzte Möglichkeiten im Inland
„Die Werte für Infrastrukturinvestitionen sind vielversprechend“, erläutert Dirk Krupper. Seit dem Jahr 2010 erzielen Infrastrukturinvestitionen eine durchschnittliche jährliche Rendite von 10,7 Prozent. Gleichzeitig fallen die jährlichen Renditeschwankungen mit durchschnittlich 3,8 Prozent vergleichsweise gering aus. Für beispielsweise ausschüttungsorientierte Infrastrukturinvestitionen (Core-Plus) liegt die interne Verzinsung zwischen acht und elf Prozent auf Zielfondsebene. Bei wachstumsorientierten Value-Add-Infrastrukturinvestitionen erreicht die interne Verzinsung sogar Werte zwischen elf und fünfzehn Prozent. „In Deutschland ist das Angebot für Infrastrukturinvestitionen noch überschaubar. Dabei ist das Interesse groß. Weil die Nachfrage im Inland nicht bedient werden kann, investieren viele deutsche Investoren wie Familienunternehmen, Versicherungen und Versorgungswerke stattdessen im Ausland“, fasst Dirk Krupper zusammen.
Das liegt laut Christoph Kraiker unter anderem daran, dass die Rahmenbedingungen für Infrastrukturinvestitionen in anderen europäischen Ländern besser seien. „Länder wie die Niederlande, Großbritannien, Frankreich, die Schweiz oder Österreich verfügen über umfangreiche Erfahrungswerte mit öffentlich-privaten Partnerschaften. Das hat zur Folge, dass es eine große Auswahl und eine hohe Kompetenz bei den Marktakteuren gibt. So werden beispielsweise in Österreich Autobahnen und Schnellstraßen von der Firma ASFINAG betreut. Sie erhält keine Mittel aus dem Staatshaushalt, sondern finanziert sich ausschließlich über Mauteinnahmen und Anleihen am Kapitalmarkt. Wenngleich ASFINAG dem Staat gehört, unterliegt sie keiner Steuerung durch die Politik. Das sorgt für eine große Stabilität bei der strategischen und finanziellen Ausrichtung und macht sie attraktiv für Investoren“, erläutert Christoph Kraiker.
Darüber hinaus seien in Deutschland Projekte im Bereich öffentlich-privater Partnerschaften noch immer selten, und die Vorbehalte groß. Das liege unter anderem an den unterschiedlichen Interessen von öffentlicher Hand und Investoren. „Politiker denken in Legislaturperioden. Sie wollen den schnellen Erfolg. Infrastrukturprojekte sind hingegen langfristig angelegt. Oft dauert es von der Planung bis zur Inbetriebnahme über zehn Jahre“, führt Martin Hüwel aus. Darüber hinaus stellt er auf beiden Seiten unterschiedliche Erwartungen fest: „Kommunen denken vornehmlich an die Daseinsvorsorge, ob sie beispielsweise genügend Kindertagesstätten oder Bildungseinrichtungen für ihre Bürger haben und ob diese in einem guten Zustand sind. Investoren hingegen haben Interesse an gut strukturierten Projekten mit überschaubaren Risiken, die einen stabilen Kapitalfluss und eine möglichst hohe Rendite erzielen. Bei der vertraglichen Gestaltung von öffentlich-privaten Partnerschaften hakt es zudem häufig an der Ausgestaltung von Mitspracherechten der Investoren, etwa bei der Auswahl der Betreiber.“
Die Experten sind sich einig, dass die Hürden erfreulicherweise sinken und sich bei der Politik – gleich ob auf Bundes- oder Kommunalebene – die Einsicht durchsetzt, dass sich das Land ohne privates Kapital nicht zukunftssicher aufstellen kann. Das gilt vor allem für die Bereiche erneuerbare Energien, Strom- und Fernwärmeversorgung sowie den Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur. „Dabei ist es wichtig, Standardverträge und einheitliche Prozesse zu entwickeln, damit beispielsweise Stadtwerke und Investoren schneller zusammenfinden. Es kostet viel Zeit und Energie, wenn Anleger mit jedem Stadtwerk einzelne Vertragsbestandteile verhandeln“, ist sich Martin Hüwel sicher.
Verbesserte Regulatorik könnte die Marktdynamik steigern
Christoph Kraiker ergänzt: „Neben dem Kreieren von Pooling-Vehikeln müssen bei Infrastrukturinvestitionen auch vertretbare Laufzeiten gewährleistet sein. Viele Investoren suchen nach zehn Jahren den Ausstieg. Dabei könnten neben klassischen Fonds als Alternative auch Infrastruktur-Kreditfonds aufgelegt werden, die vertraglich recht flexibel gestaltet und vergleichsweise kurzfristig realisiert werden können, da sie weniger Auflagen erfüllen müssen.“
Mehrere Gesetzesänderungen sorgen derzeit für mehr Sicherheit und eine bessere Planbarkeit. Zu nennen sind das Fondsstandortgesetz, das Zukunftsfinanzierungsgesetz Teil Eins, die Anpassung der Anlageverordnung sowie das Standortfördergesetz, das Anfang des Jahres 2026 in Kraft treten soll. Letzteres soll gezielt Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien vereinfachen. Ferner setzt sich die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag auf europäischer Ebene für eine praxisnahe Überarbeitung von Solvency Zwei ein. Ziel ist es, das Investitionspotenzial der Versicherungswirtschaft stärker für Infrastruktur- und Wagniskapitalprojekte zu mobilisieren und übermäßige nationale Kapitalpuffer nach Möglichkeit abzubauen.
Besonders beliebt: Investitionen in Energie, soziale Infrastruktur und Logistik
Als besonders spannende Investitionsziele sieht Christoph Kraiker den Ausbau von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz: „Hier hinkt Europa hinter den Vereinigten Staaten und China hinterher. Ferner sind Investitionen in Energie stark nachgefragt. Das gilt vor allem für Solar- und Windparks. Darüber hinaus stehen Investitionen in die soziale Infrastruktur weit oben auf der Liste der Investoren. Dazu zählen unter anderem Gesundheits- und Bildungseinrichtungen.“ „Das Augenmerk der Investoren richtet sich vor allem auf Core- und Core-Plus-Produkte“, beobachtet Martin Hüwel.
Laut Dirk Krupper werden künftig auch wichtige Nischensektoren an Relevanz gewinnen, wie Investitionen in Biomasse oder Waldflächen. „Ich bin mir sicher: Je mehr Bedeutung Infrastrukturinvestitionen künftig haben, desto stärker werden auch Nischenangebote an Gewicht gewinnen.“
Was die Größe der Investitionen betrifft, sei nach Dirk Krupper das mittlere Marktsegment besonders stark nachgefragt. Dies ermögliche es Anlegern, ihr Portfolio zu diversifizieren und in mehrere vielversprechende Infrastrukturprojekte zu investieren, um Klumpenrisiken zu vermeiden.
Um den Knoten der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu lösen, ist privates Kapital unerlässlich. In Deutschland ist der Markt aus Investorensicht jedoch noch nicht gut vorbereitet. Es existieren viele Hürden und Vorbehalte, die eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Organen und Privatwirtschaft behindern. Gleichwohl hat die Politik diese Problematik erkannt und verschiedene Gesetze verabschiedet, die Infrastrukturinvestitionen fördern sollen.
Wenn die Maßnahmen greifen, könnte das künftig zu einer veränderten Sicht auf Infrastruktur und Immobilien führen: „Bereits heute liegt das Transaktionsvolumen von Infrastruktur gleichauf mit dem von Immobilieninvestitionen. Ich halte es für realistisch, dass in acht bis zehn Jahren Immobilien als Unterklasse von Infrastruktur betrachtet werden. Schließlich gibt es schon jetzt zahlreiche Überschneidungen, etwa bei Pflegeimmobilien, Rechenzentren, Logistikhallen oder beim sozialen Wohnungsbau“, so Dirk Krupper abschließend.


