Ist das höchste DGNB-Zertifikat im Pflegeimmobilienbau immer die beste Wahl?

Ist das höchste DGNB-Zertifikat im Pflegeimmobilienbau immer die beste Wahl?

Ist das höchste DGNB-Zertifikat im Pflegeimmobilienbau immer die beste Wahl?
Foto: Heribert Schindler, Visualisierung: Arne von Hörsten

Nachhaltigkeitszertifizierungen, wie die der DGNB, sind heute im Neubau unverzichtbar – nicht nur als Nachweis für Bauqualität, sondern auch als Beleg für die Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen und als Voraussetzung für die Förderung vieler Projekte. Christian Möhrke, CEO von Cureus, analysiert für IMMOBILIEN AKTUELL.

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Mit einem Anteil von über 80 Prozent ist das DGNB-Zertifikat als "Global Benchmark for Sustainability“ auch in Deutschland am weitesten verbreitet und wird in verschiedenen Stufen vergeben: Bronze für Bestandsgebäude, Silber, Gold und Platin für Neubauten. Gerade im besonders auf Kosteneffizienz auszurichtenden Pflegeimmobilienbau stellt sich jedoch die Frage, ob immer die höchste Auszeichnung sinnvoll ist – oder ob eine ausgewogene Lösung nicht oft die bessere Wahl darstellt.

Höhere Standards, mehr Kosten

Höhere Zertifizierungsstufen wie Gold oder Platin sind in der Praxis mit deutlich höherem Aufwand und spürbaren Mehrkosten verbunden. Diese entstehen beispielsweise durch die Integration aufwendiger technischer Systeme – wie wartungsintensiven Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung oder komplexer Gebäudeautomation. Eine derart aufwändige Haustechnik, die zur Erfüllung der höheren Standards erforderlich wäre, führt im Pflegealltag eher zu höheren Betriebs- und Wartungskosten, als dass sie einen spürbaren Nutzen für Bewohner oder Umwelt bringt.
Darüber hinaus wird die Dokumentation während der Bauphase von den DGNB-Auditoren eng begleitet und verlangt eine lückenlose Nachweisführung: etwa zur Materialherkunft oder zum Abfallmanagement, die umfangreich bis in die Baustellenlogistik eingreift. Das bindet personelle Ressourcen, verlängert die Bauzeiten und erhöht zudem die Planungs- und Baukosten. Für höhere Zertifizierungsstufen muss daher mit erheblichen Zusatzkosten gerechnet werden, die je nach Projektgröße, Bauweise und zu erfüllenden Nachhaltigkeitskriterien stark variieren. Kostentreiber sind vor allem steigende Anforderungen an Materialien (z. B. Cradle-to-Cradle), Energieeffizienz (KfW-40++), Tageslichtquotienten, Lebenszykluskostenanalysen oder die Verwendung klimaneutraler Baustoffe. Aber auch für die DGNB-Silber-Zertifizierung sind bereits Zusatzinvestitionen von fünf Prozent und mehr erforderlich.

KfW-Förderung und umweltschonende Planung

Für Betreiber und Investoren von Pflegeimmobilien stellt sich immer die Frage nach dem realen Mehrwert. Um Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, kommen neben den Anforderungen der DGNB bei Neubauten zusätzlich KfW-Vorschriften und DIN-Normen zum Tragen, die Bauprozesse ebenfalls komplexer gestalten. Vorgaben, die in Büro- oder Wohngebäuden langfristig zu Effizienzgewinnen führen können, sind im Pflegebereich oft wenig praxisrelevant: zum Beispiel die Begrünung von begehbaren Dachflächen oder eine hohe Anzahl von Fahrradstellplätzen, die von den Senioren nicht genutzt werden.

Pflegeimmobilien clever gestalten – Lösungen, die funktionieren

Die Wahl der geeigneten DGNB-Zertifizierung im Pflegeimmobilienbau sollte sich an einer sinnvollen Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Alltagstauglichkeit orientieren. Das Silber-Zertifikat bietet hier in der Regel den besten Kompromiss. Es erfüllt die Anforderungen an energieeffizientes Bauen und ermöglicht den Zugang zu wichtigen Förderprogrammen, wie etwa dem der KfW, ohne den Kosten- und Bürokratieaufwand der höchsten Stufen. Gerade im Pflegebereich sind Betreiber auf niedrige Bau-, Energie- und Betriebskosten angewiesen, um Pflegeplätze bezahlbar anbieten zu können.
Am effektivsten ist es, von Anfang an ressourcenschonend zu planen. Das bedeutet: Technik nur dort einzusetzen, wo sie wirklich gebraucht wird – denn auch ihre Herstellung belastet die Umwelt. Auch sollte man auf große Glasflächen verzichten und das Gebäude so ausrichten, dass natürliche Verschattung und Belichtung optimal genutzt werden können. So entstehen Pflegeimmobilien, die ökologisch und ökonomisch effizient sind, im Betrieb überzeugen und den Ansprüchen der Zukunft nachhaltig gerecht werden.