Mehr Leerstand als Nachfrage: Der Wohnungsmarkt Sachsen-Anhalts driftet regional auseinander

Mehr Leerstand als Nachfrage: Der Wohnungsmarkt Sachsen-Anhalts driftet regional auseinander

Mehr Leerstand als Nachfrage: Der Wohnungsmarkt Sachsen-Anhalts driftet regional auseinander
Halle (Saale) steht im Bericht als jener Hochschulstandort, in dem sich die strukturellen Entwicklungen des Landes besonders verdichten. Quelle: prom23/Pixabay

Das Ministerium für Infrastruktur und Digitales hat den neuen Wohnungs- und Mietmarktbericht vorgelegt. Die Analyse macht deutlich, wie stark Demografie, Leerstand und ein überalterter Bestand den Wohnungsmarkt prägen und warum selbst niedrige Mieten vielerorts kein Entlastungsfaktor sind.

Agentur

Der aktuelle Wohnungs- und Mietmarktbericht Sachsen-Anhalt beschreibt ein Land, das vor tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen steht. Ministerin Dr. Lydia Hüskens betont zu Beginn des Berichts, dass die Landesregierung Verlässlichkeit bieten, Investitionen ermöglichen und kommunale wie private Akteure unterstützen müsse, um einen stabilen Wohnungsmarkt zu gewährleisten. Die Lage selbst ist alles andere als homogen.

Zu den prägendsten Entwicklungen gehört der anhaltende Bevölkerungsrückgang. Der Bericht hält fest, dass Sachsen-Anhalt weiterhin zu den Bundesländern mit dem stärksten Bevölkerungsrückgang zählt. Ursache ist vor allem die dauerhaft negative natürliche Bevölkerungsentwicklung: Die Zahl der Sterbefälle übersteigt die der Geburten deutlich. Die Verschiebung der Altersstruktur verstärkt diesen Trend zusätzlich. Die Zahl der über Achtzigjährigen wird ab Mitte der dreißiger Jahre spürbar wachsen. Die Autoren sprechen von einem strukturprägenden Faktor, der die Wohnraumnachfrage grundlegend verändert.

Schon heute prägt die Alterung den Wohnungsmarkt deutlich: 29,4 Prozent aller Haushalte bestehen ausschließlich aus Seniorinnen und Senioren – weit über dem Bundeswert. Viele dieser Haushalte leben in Wohnungen, die nicht altersgerecht oder energetisch modernisiert sind. Der Wunsch vieler älterer Menschen, im vertrauten Wohnumfeld zu bleiben, führt zugleich zu wachsender Nachfrage vor allem im Bestand und innerhalb der Quartiere.

Einer der sichtbarsten Indikatoren der strukturellen Veränderungen ist der Leerstand. Mit einer Quote von 8,9 Prozent liegt Sachsen-Anhalt deutlich über dem Bundesschnitt. In einzelnen Gemeinden erreicht er über fünfzehn Prozent, etwa in Völpke, Karsdorf oder Zeitz. Der Bericht benennt Ursachen, die weit über Preisfragen hinausgehen. Sämtliche Daten zeigen, dass selbst niedrige Mietpreise keinen ausreichenden Anreiz schaffen, Leerstand zu reduzieren. Stattdessen seien strukturelle Faktoren ausschlaggebend: Bevölkerungsrückgänge, sanierungsbedürftige Gebäude und wirtschaftlich schwache Regionen. Besonders betroffen sind Bestände aus den siebziger und achtziger Jahren, deren energetischer Zustand und Lage die Vermietbarkeit erheblich erschweren.

Gleichzeitig zeigt der Bericht ein Potenzial, das bislang kaum genutzt wird: 46.803 leerstehende Wohnungen wären innerhalb von drei Monaten wieder für den Bezug verfügbar. Ein Großteil des Leerstands ist also nicht strukturell blockiert, sondern kurzfristig reaktivierbar – sofern Investitionen, Vermarktung und Modernisierung wirtschaftlich darstellbar sind.

Beim Thema Bezahlbarkeit zeichnet der Bericht ein differenziertes Bild. Trotz insgesamt niedriger Mieten gibt es soziale Belastungen. Haushalte mit weniger als eintausendfünfhundert Euro Nettoeinkommen verwenden über 35 Prozent ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten. Die Autoren betonen deshalb, dass die Mietbelastung wesentlich von der Einkommenshöhe abhängt und nicht allein von den Mietpreisen.

Regionale Unterschiede werden insbesondere in Hochschulstädten sichtbar. Halle weist eine angespannte Lage bei kleinen, zentralen Wohnungen auf, die knapp und teurer geworden sind. In kleineren Hochschulstandorten wirkt dagegen der hohe Leerstand entlastend. Gleichzeitig steigen die Kosten für studentisches Wohnen, weil Bau- und Energiekosten die Studierendenwerke zwingen, Preissteigerungen teilweise weiterzugeben.

Auch perspektivisch wird der Bedarf nicht allein über die Zahl der Haushalte definiert. Der Bericht stellt klar, dass selbst in Regionen mit rechnerischen Überhängen qualitative Neubedarfe entstehen, etwa durch unpassende Grundrisse, fehlende Barrierefreiheit oder energetische Mängel. Die qualitative Nachfrage sei deshalb ein eigenständiges Element der Wohnungsbedarfsentwicklung.

Im Ausblick positioniert sich der Bericht deutlich: Die Transformation des Wohnens könne nur gelingen, wenn das Land Wohnen als Querschnittsaufgabe begreift. Ein stabiler Wohnungsmarkt entstehe nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Gelingt dies, könne Sachsen-Anhalt zum Modellraum einer sozialverträglichen, klimaneutralen und demografiefesten Wohnungsentwicklung werden.

Halle (Saale): Demografie, studentische Nachfrage und strukturelle Herausforderungen prägen den Markt

Halle (Saale) steht im Bericht als jener Hochschulstandort, in dem sich die strukturellen Entwicklungen des Landes besonders verdichten. Die Stadt verzeichnet eine vergleichsweise niedrige Leerstandsquote im Landesvergleich, dennoch bleibt sie beim Thema Wohnraumversorgung ambivalent. Vor allem kleinere, zentral gelegene Wohnungen sind knapp und teurer geworden. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, angetrieben durch Studierende, junge Erwachsene und Einpersonenhaushalte, die die innerstädtischen Lagen bevorzugen.

Der hohe Anteil älterer Menschen im Land wirkt auch in Halle: Viele Senioren leben länger im vertrauten Quartier, häufig in Wohnungen, die nicht altersgerecht oder energetisch modernisiert sind. Dieser Trend erhöht den Druck auf barrierearme Bestände und beeinflusst die Fluktuation im Wohnungsmarkt. Gleichzeitig zeigt sich in Halle-Neustadt ein gegenläufiges Bild. Dort bleiben periphere Standorte trotz günstiger Preise weniger attraktiv. Der Bericht beschreibt, dass attraktive Lagen, kompakte Grundrisse und gute ÖPNV-Anbindung in der Hochschulstadt deutlich stärker über die Nachfrage entscheiden als der reine Mietpreis.

Besonders sichtbar wird dies im studentischen Wohnungsmarkt. Halle gilt als angespannt, weil die kleinen, modernen und innenstadtnahen Wohnungen knapp sind, während größere oder unsanierte Objekte trotz Leerständen außerhalb nicht ausreichend nachgefragt werden. Bau- und Energiekosten belasten zusätzlich die Studierendenwerke, die ihre Mietpreise nicht mehr vollständig stabil halten können. Halle ist damit ein Wohnungsmarkt, der trotz landesweit niedriger Mieten klare Engpässe zeigt, allerdings punktuell und qualitätsabhängig. Strukturelle Faktoren wie Alterung der Bevölkerung, Energiekosten und Modernisierungsbedarf im Bestand wirken stärker als der Mietpreis selbst. Der Markt bleibt im Kern stabil, aber sensibel gegenüber Preissteigerungen und Qualitätsdefiziten.

Magdeburg: Wachstumssignale treffen auf Markt mit Überhängen

Magdeburg gehört im Bericht zu den Städten mit niedrigerer Leerstandsquote als das Umland, bleibt aber Teil eines insgesamt heterogenen Marktes. Die Landeshauptstadt profitiert von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, dem Zuzug jüngerer Haushalte und ihrem Status als Verwaltungssitz. Dennoch existieren auch hier strukturelle Belastungen, die demografisch und städtebaulich bedingt sind. Die Leerstandsquote liegt unterhalb des Landesdurchschnitts, ist jedoch weiterhin signifikant. Das dämpft das Mietniveau und zeigt, dass die Stadt in Teilen noch von früheren Bevölkerungsverlusten geprägt ist. Zugleich entstehen Aufwertungspotenziale: Regionen im Umland Magdeburgs weisen stabilere Nachfrage und geringere Leerstände auf, was auf Pendlerströme und suburban geprägte Wohnpräferenzen hinweist.

Wie im gesamten Land spielt auch in Magdeburg die Alterung der Bevölkerung eine zentrale Rolle. Ein hoher Anteil älterer Haushalte nutzt Wohnungen, die häufig nicht energiestandard- oder altersgerecht sind. Die geringe Fluktuation in diesem Segment führt zu ungenutzten Anpassungs- und Umzugsoptionen. Gleichzeitig wird modernisierter Wohnraum in vielen Lagen nachgefragt, was den Druck auf einen ohnehin begrenzten Teil des Bestands erhöht.

Magdeburg zeigt aber auch positive Signale: Der urban geprägte Kern zieht jüngere Erwachsene an, insbesondere Haushalte aus den Altersgruppen der 20- bis 40-Jährigen, die laut Bericht im Land sonst eher stagnieren. Diese Nachfrage stabilisiert das Mietniveau und kann in Kombination mit wirtschaftlicher Dynamik der Stadt mittelfristig zu einer Erholung führen. Gleichzeitig ist ein struktureller Überhang weiterhin sichtbar. Viele Leerstände stammen aus älteren Mehrfamilienhausbeständen, deren Sanierung wirtschaftlich schwierig bleibt. Die Kombination aus niedrigen Mieten und teuren Modernisierungen bremst Investitionen. Dennoch gilt Magdeburg als ein Markt, der von neuen Impulsen profitieren kann, insbesondere durch zusätzliches Nachfragepotenzial in Verbindung mit wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten.