Mit der aktuellen Erhebung »PflegeData 2024« hat die Stadt Jena eine zentrale Datengrundlage zur pflegerischen Versorgung vor Ort geschaffen.
Im Rahmen einer Online-Befragung wurden Informationen zu stationären und ambulanten Einrichtungen, teilstationären Angeboten sowie zum Service-Wohnen systematisch erfasst. Die Ergebnisse zeigen: Der Bedarf an professioneller Pflege nimmt weiter zu – gleichzeitig gerät das bestehende System durch fehlendes Personal immer stärker unter Druck.
Demografischer Wandel trifft auf strukturelle Engpässe
„Je älter ein Mensch wird, desto wichtiger wird eine professionelle Versorgung. Besonders bei Demenzerkrankungen stoßen pflegende Angehörige oft an ihre Grenzen. Die Stadt Jena muss darauf reagieren, indem sie die bestehenden Pflegeeinrichtungen und Beratungsangebote stärkt und alternative Versorgungsstrukturen und -konzepte ausbaut“, betont Kathleen Lützkendorf, Dezernentin für Soziales, Gesundheit, Zuwanderung und Klima der Stadt Jena.
Wie dringend dieser Handlungsbedarf ist, zeigt auch eine aktuelle Studie des Prognos-Institutes zur „Pflegelandschaft Deutschland“. Die Experten prognostizieren für das Jahr 2045 eine massive Überlastung des Pflegesystems in Deutschland. Die Kombination aus steigendem Pflegebedarf durch die Alterung der Gesellschaft und wachsendem Fachkräftemangel werde zu nahezu unüberbrückbaren Problemen führen. Bereits heute zeigt sich die Entwicklung deutlich: Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 ist die Zahl der Pflegebedürftigen von rund einer Million auf knapp 5,6 Millionen im Jahr 2023 gestiegen. Bis 2045 rechnen die Studienautorinnen und -autoren mit einem weiteren Anstieg auf über 6,4 Millionen Menschen. Die Pflegequote – also die Zahl der Pflegebedürftigen je 1.000 Einwohner – werde von 60 auf 77 steigen. Bereits in zwanzig Jahren könnte bundesweit rund jeder dritte Pflegefall ohne adäquate Betreuung bleiben: „2045 können deutschlandweit im Durchschnitt 35 Prozent des Pflegebedarfs nicht von den Beschäftigten in der Altenpflege gedeckt werden“, heißt es in der Untersuchung, die im Auftrag des Magazins Der Spiegel erstellt wurde.
Pflegeeinrichtungen fehlen nicht – Fachkräfte schon
Die Ergebnisse der Jenaer Erhebung bestätigen diese Tendenz im lokalen Kontext: Während der Bedarf an vollstationärer Pflege steigt, können vorhandene Plätze vielerorts nicht genutzt werden, weil es an qualifiziertem Personal fehlt. „Neue Einrichtungen zu bauen ist daher nicht zielführend – wir müssen stattdessen gezielt in die Fachkräftegewinnung investieren“, so Kathleen Lützkendorf. Eine zentrale Rolle für die Gesundheits- und Pflegebranche in Jena spielen das Universitätsklinikum Jena (UKJ) und die Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Beide Institutionen verfügen über fundierte akademische und praktische Expertise. „Ich bin sehr dankbar, dass wir in Jena solch starke Institutionen haben, die eine zentrale Rolle in der Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften spielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir hier künftig noch enger zusammenarbeiten – etwa in der Ausbildung, bei innovativen Versorgungsmodellen oder in der Unterstützung von Fachkräften“, erklärt Kathleen Lützkendorf.
Pflege in der Nachbarschaft und soziale Teilhabe stärken
Um die Belastung stationärer Einrichtungen zu verringern, will die Stadt Jena zudem häusliche Pflegeformen und nachbarschaftliche Hilfen gezielt fördern. Diese sind jedoch nicht für alle Menschen eine tragfähige Lösung – insbesondere bei niedrigem Einkommen oder komplexen Krankheitsbildern. Daher soll parallel in die Stärkung von Gesundheitsförderung, sozialen Begegnungsorten und Teilhabe investiert werden. „Einsamkeit ist ein erheblicher Risikofaktor für körperliche und psychische Erkrankungen. Deshalb setzen wir gezielt auf präventive Maßnahmen wie das bewährte aufsuchende Beratungsangebot ›agathe‹, das ältere Menschen in schwierigen Lebenslagen unterstützt“, so Kathleen Lützkendorf.