Pflegeheim-Atlas 2023: Bedarf steigt schneller als das Angebot

Pflegeheim-Atlas 2023: Bedarf steigt schneller als das Angebot

Pflegeheim-Atlas 2023: Bedarf steigt schneller als das Angebot
Der Bedarf an Pflegeplätzen steigt schneller als das Angebot. Copyright: Rosy / Bad Homburg / Germany auf Pixabay

Die Herausforderungen in der Pflegebranche sind vielfältig: Betreiber befinden sich aufgrund von Teuerung, Fachkräftemangel sowie einer stark verzögerten und schwierigen Refinanzierung im permanenten Krisenmodus. Investoren sehen sich mit steigenden Baukosten, einer veränderten Zinslandschaft bei zugleich rückläufigen Neubauaktivitäten konfrontiert. Und die Pflegebedürftigen? Die Schere zwischen ihren Einkommen und dem monatlichen Eigenanteil öffnet sich weiter, wodurch die Bezahlbarkeit eines Pflegeplatzes abnimmt und der Anteil der Sozialhilfeempfänger steigt.

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Die Markterhebung „Pflegeheim-Atlas Deutschland 2023:  Daten & Perspektiven“ von Wüest Partner widmet sich den gegenwärtigen Herausforderungen in der Pflege aus den unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Akteure (Betreiber, Investoren, Pflegebedürftige). Darüber hinaus beleuchtet die Studie aktuelle Kennzahlen und Entwicklungen der Pflege in 400 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten. Eine Angebots- und Bedarfsanalyse zum Betreuten Wohnen in deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern rundet die Studie ab. Einige Ergebnisse der Studie:

Zahl der Pflegebedürftigen steigt stärker als die der Pflegeeinrichtungen und Pflegeplätze

Der demografische Wandel und die damit einhergehende Alterung der Bevölkerung führen zu einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland: Im Jahr 2021 lag sie bei 4,96 Millionen, was einem Anstieg von 20,2 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 entspricht. Die Pflegequote, die den Anteil der Pflegebedürftigen an der Bevölkerung wiedergibt, lag 2021 bei sechs Prozent und stieg gegenüber 2019 um einen Prozentpunkt.

Aufgrund der unterschiedlichen regionalen Altersstrukturen ist die Pflegequote in den Bundesländern und Kreisen unterschiedlich hoch: So weisen der Landkreis Prignitz (Brandenburg; 11,1 Prozent) und der Kyffhäuserkreis (Thüringen; 10,6 Prozent) die höchsten Pflegequoten auf. In den bayerischen Landkreisen Freising und Erding (jeweils 2,9 Prozent) sowie in der kreisfreien Stadt München (3,0 Prozent) war die Quote am niedrigsten.

Um dem steigenden Pflegebedarf und der damit verbundenen Nachfrage nach Pflegeeinrichtungen gerecht zu werden, wurden vermehrt Pflegeheime und Pflegeplätze geschaffen. Die Zahl der Pflegeeinrichtungen, die teil- oder vollstationäre Pflege anbieten, lag laut Wüest Partner im Jahr 2021 bei 16.115. Das entspricht einem Plus von 4,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Gleichzeitig stieg die Zahl der verfügbaren Pflegeheimplätze um 1,6 Prozent auf 984.688 Plätze. Davon entfielen 877.878 Plätze auf vollstationäre Heime.

Auch hier zeigen sich regionale Unterschiede: Die meisten Pflegeheime befinden sich in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (3.149 Pflegeheime), Bayern (2.089), Niedersachsen (2.034) und Baden-Württemberg (2.013).

Ein besonders starker Anstieg der Zahl der Pflegeheime war beispielsweise in Brandenburg an der Havel, im Landkreis Elbe-Elster sowie in Weimar zu beobachten. Dort hat sich der Bestand an Pflegeheimen seit 2011 mehr als verdoppelt. Besonders auffällig war dagegen der starke Rückgang um 35,3 Prozent im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

Bedeutung der häuslichen Pflege nimmt zu

Wie Wüest Partner in der Studie feststellt, werden immer mehr Pflegebedürftige zu Hause, ambulant oder teilstationär gepflegt und betreut. Dies zeigt sich auch am Rückgang der Heimquote. Diese gibt den Anteil der Pflegebedürftigen, die vollstationär in Heimen versorgt werden, an der Gesamtzahl der Pflegebedürftigen an. Die Heimquote lag im Jahr 2021 bei 16 Prozent und ging somit gegenüber 2019 um 3,8 Prozentpunkte zurück.

2011 hatte die Quote noch bei rund 30 Prozent gelegen. Die Heimquote für Pflegebedürftige, die ausschließlich in vollstationärer Dauerpflege versorgt werden, lag mit 15,6 Prozent noch etwas niedriger und sank ebenfalls (2019: 19,3 Prozent).

In den meisten von Wüest Partner untersuchten Kreisen und Städten bewegt sich die Heimquote zwischen 14 und 20 Prozent, wobei bevölkerungsreiche und wirtschaftsstarke Regionen tendenziell höhere Heimquoten aufweisen. So liegt die deutschlandweit höchste Heimquote mit 32,5 Prozent in Landshut. Der Landkreis Rosenheim und die Stadt Bayreuth erzielen je 29,4 Prozent und Lübeck 25,6 Prozent. Die niedrigsten Quoten verzeichnen die Landkreise Uckermark (8,5 Prozent), Südliche Weinstraße (9,1 Prozent) und Südwestpfalz (9,5 Prozent).

Demgegenüber stieg die Zahl der ambulant versorgten Pflegebedürftigen seit 2019 um 6,5 Prozent auf rund 1,05 Millionen im Jahr 2021. Der Anteil der ambulant versorgten Pflegebedürftigen (an allen Pflegebedürftigen) lag damit deutschlandweit bei 21,1 Prozent.

Steigender Bedarf an Heimplätzen bis 2040

Für das Jahr 2040 prognostizieren die Experten von Wüest Partner bis zu 5,8 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Entsprechend erhöht sich auch der Bedarf an Pflegeheimplätzen. Bis zu 144.390 zusätzliche Pflegeplätze in 1.444 Heimen mit durchschnittlich 100 Plätzen werden den Berechnungen nach benötigt. 

Bei der Betrachtung der Bedarfsprognose zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Deutschlands. Der durchschnittliche Zusatzbedarf über alle 400 kreisfreien Städte und Landkreise liegt bei 358 Pflegeplätzen. Neben Berlin (4.369 fehlende Plätze) haben der Ortenaukreis (1.444 Plätze), Hamburg (1.443), die Region Hannover (1.313) und der Kreis Steinfurt (1.295) den höchsten rechnerischen zusätzlichen Bedarf an Pflegeplätzen. Demgegenüber haben Landkreise wie Oberspreewald-Lausitz und Zweibrücken bis 2040 einen nahezu vernachlässigbaren Zusatzbedarf.

Der aktuelle Pflegeheim-Atlas fördert für elf Städte eine überraschend anmutende Entwicklung zutage: In Städten wie Chemnitz, Dresden, Magdeburg und München könnte es nach den Berechnungen künftig zu einem rechnerischen Überangebot an Pflegeplätzen kommen. Wüest Partner erklärt diese Entwicklung damit, dass in diesen Kommunen bereits heute eine ausreichende Zahl von Pflegeheimplätzen vorhanden ist und die Zahl der Pflegebedürftigen gemäß der Prognose zurückgehen wird.

Darüber hinaus hat Wüest Partner den zusätzlichen Bedarf an Pflegeplätzen bis 2040 mit dem aktuellen Bestand verglichen. Das Ergebnis: Der errechnete Nachholbedarf ist in Bayern (19,3 Prozent) am höchsten, gefolgt von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg (jeweils 18,8 Prozent). Relativ niedrige Quoten wurden für die Bundesländer Sachsen (4,8 Prozent) und Sachsen-Anhalt (4,0 Prozent) ermittelt.

Die Pflege wird zum Pflegefall

Thomas Lehmann, Director bei Wüest Partner, sagt: „Die Pflege ist selbst zum Pflegefall geworden. Die aktuellen Herausforderungen für Betreiber und Investoren werden die Wartelisten der Bedürftigen in den Einrichtungen weiter füllen. Der zusätzliche Bedarf an Pflegeimmobilien ist daher enorm. Im aktuellen Marktumfeld sind Neubauten jedoch aufgrund des Missverhältnisses zwischen Erstellungskosten und Exit Value nur schwer realisierbar.“

Der Pflegeheim-Atlas zum Download

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