Martin Pollpeter von der Bockermann Fritze plan4buildING GmbH hat für IMMOBILIEN AKTUELL Resilienz als zentrales Kriterium der Standortwahl bei Logistikimmobilien analysiert.
Unsere Logistik, das Herzstück der Wirtschaft, steht unter wachsendem Druck. Extreme Wetterereignisse und zunehmende Stromausfälle sind keine fernen Prognosen mehr, sondern Realität, die unsere Lieferketten gefährdet. Trotzdem fehlt es in der Planung neuer Logistikimmobilien oft an einer umfassenden Risikobewertung, die über das Minimum hinausgeht. Diese kurzsichtige Haltung wird uns teuer zu stehen kommen.
Die Herausforderung ist zweigeteilt: Zum einen haben wir es mit der Klimakrise zu tun, deren Auswirkungen sich in Form von Starkregen oder Dürren manifestieren. Zum anderen ist unsere Infrastruktur, insbesondere unsere Brücken, oft in einem besorgniserregenden Zustand. Bei unseren Bauwerksprüfungen stellen wir regelmäßig Sanierungsbedarf fest. Eine Brückensperrung, wie die aktuelle auf der A100 in Berlin, kann eine ganze Stadt lahmlegen und den Warenfluss massiv behindern. Solche Szenarien führen zu Lieferengpässen und erheblichen wirtschaftlichen Schäden. Es ist höchste Zeit, diese Risiken proaktiv anzugehen.
Resilienz als zentrales Kriterium der Standortwahl
Die traditionelle Standortanalyse für Logistikzentren, die sich auf Verkehrsanbindung, Fläche und Wirtschaftlichkeit konzentriert, reicht nicht mehr aus. Resilienz muss zum vierten und entscheidenden Pfeiler werden. Das bedeutet eine umfassende Risikoabschätzung: Ist der Standort sicher vor Hochwasser? Wie stabil ist die Stromversorgung? Welche Notfallressourcen sind verfügbar? Auch die Position im kommunalen Versorgungsnetzwerk und die damit verbundenen Priorisierungen im Krisenfall müssen genau analysiert werden. Entscheidend ist zudem die bauliche Robustheit der umliegenden Verkehrswege. Eine marode Brücke kann monatelang Lieferwege blockieren. Daher sind redundante Zufahrtswege essenziell.
Einige Projekte zeigen bereits, wie es geht: Standorte werden auf erhöhten Arealen mit Versickerungssystemen gebaut. Die Stromversorgung ist dreifach redundant, oft mit Photovoltaik und Batteriespeichern. Hybride Heizsysteme und Sensorik zur Überwachung von Umweltdaten sind Standard. Wichtig ist dabei immer, dass mehrere unabhängige Zufahrten bestehen, die nicht gleichzeitig durch eine Störung betroffen sein können.
Ganzheitliche Prävention durch Technologie und Planung
Eine krisenfeste Logistikimmobilie benötigt weitreichende Voraussicht. Dazu gehört die multimodale Erreichbarkeit, die eine Anbindung über verschiedene Verkehrsträger und unabhängige Zufahrten sichert, selbst bei Brückensperrungen oder Überschwemmungen. Eine autarke Energieversorgung mittels Photovoltaik, Blockheizkraftwerken und Speichern gewährleistet den Betrieb bei externen Ausfällen. Technisches Risikomanagement mit Frühwarnsystemen für Rauch, Temperatur oder Wasserstand ist unverzichtbar. Eine robuste digitale Infrastruktur mit redundanten IT-Systemen und Offline-Betriebsfähigkeit schützt vor Internetausfällen. Die klimasensible Bauweise mit Retentionsflächen und Begrünung erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Wasser. Und nicht zuletzt ist organisatorische Resilienz durch klare Notfallpläne und regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter entscheidend.
Technologische Lösungen wie Geoinformationssysteme (GIS) zur Modellierung von Standortrisiken, Simulationssoftware für Extrembedingungen, Smart Grid-Technologien zur intelligenten Energieverteilung und IoT-Monitoring mit vernetzten Sensoren sind bereits vorhanden. Auch Digitale Zwillinge und die Nutzung von Satellitendaten und Predictive Maintenance für präzise Frühwarnsysteme sind wichtige Bausteine der Prävention.
Appell: Resilienz als strategisches Investment verstehen
Es ist an der Zeit für ein Umdenken bei Betreibern und Investoren. Frühzeitige Resilienzplanung muss ein zentrales Bewertungskriterium bei der Flächenwahl sein, inklusive der Prüfung der umliegenden Verkehrsinfrastruktur. Ganzheitliche Risikoanalysen müssen über Naturgefahren hinaus auch soziale, geopolitische und vor allem infrastrukturelle Schwachstellen wie den Zustand von Brücken berücksichtigen. Das Einrichten von Krisenstäben, die auch Szenarien von Verkehrssperrungen üben, und die Integration in kommunale Katastrophenschutzpläne sind unerlässlich. Auch die Nachrüstbarkeit sollte von Beginn an mitgedacht werden. Letztlich ist Resilienz ein Investmentargument: Resiliente Immobilien sind wertstabiler, verursachen weniger Ausfallzeiten und sind für Nutzer und Versicherer attraktiver. Ein Standort, der auch bei großflächigen Infrastrukturproblemen erreichbar bleibt, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil und sichert die Geschäftskontinuität.
Die Botschaft ist unmissverständlich: Resilienz ist kein Luxus, sondern ein fundamentales Qualitätsmerkmal moderner Logistikplanung. Wir müssen gemeinsam neue Maßstäbe setzen für Standorte, die unter Extrembedingungen funktionieren und optimal in eine zunehmend anfällige Verkehrsinfrastruktur eingebettet sind. Nur wer vorbereitet ist, kann im Ernstfall liefern und die Folgen von Krisen minimieren. Die Zukunft der Logistik hängt von unseren heutigen Entscheidungen ab.
Über den Autor:
Martin Pollpeter ist Experte in der Steuerung komplexer Bauvorhaben und der nachhaltigen Generalplanung sowie Geschäftsführer der Bockermann Fritze plan4buildING GmbH. Sein Tätigkeitsfeld erstreckt sich von der Gebiets- und Standortentwicklung mit allen Fachplanungen bis zur Generalplanung sowie dem umfassenden Projektmanagement. Dabei konzentriert er sich auf die Realisierung von Gewerbe- und Logistikprojekten für Projektentwickler, Gewerbetreibende und Investoren im Bauwesen sowie für öffentliche Bauaufgaben.