Sachsen-Anhalt: Wohnungsfirmen heben Heizkosten um das Zwei- bis Dreifache an

Sachsen-Anhalt: Wohnungsfirmen heben Heizkosten um das Zwei- bis Dreifache an

Sachsen-Anhalt: Wohnungsfirmen heben Heizkosten um das Zwei- bis Dreifache an
Die Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen besitzt viele sanierte Plattenbauwohnungen in Wolfen-Nord. Diese werden mit Fernwärme versorgt. Quelle: (rechts) WBG Wolfen; (links) Gerd Altmann from Pixabay

Die Wohnungsgesellschaften in Quedlinburg und Wolfen erhöhen die Warmmieten wegen gestiegener Fernwärmepreise teilweise um mehrere hundert Euro im Monat. Verbandschef Jens Zillmann sorgt sich um die finanzielle Stabilität der Unternehmen und die Zahlungsfähigkeit der Mieter.

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Seit Monaten steigen die Gaspreise an den Großhandelsmärkten kräftig an. Die meisten Mieter in Deutschland haben diese Aufschläge in ihrer Geldbörse aber noch nicht zu spüren bekommen. Ihre Betriebskosten werden nur einmal im Jahr angepasst. Doch nun erhöhen die ersten großen Wohnungsgesellschaften in Sachsen-Anhalt die Abschläge. Die Warmmieten steigen dadurch teilweise um mehrere hundert Euro im Monat.

Quedlinburg: Fernwärmepreis verdoppelt sich

Bei der Wohnungswirtschaftsgesellschaft Quedlinburg (Landkreis Harz) hat sich der Fernwärmepreis nach Angaben von Geschäftsführer Sven Breuel im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um das 2,34-fache erhöht. Er legt gegenüber IMMOBILIEN AKTUELL detailliert die Kostenrechnung dar: Im Bereich der Fernwärmeversorgung sind nach seinen Angaben bei der Gesellschaft 1.169 Haushalte mit einer Gesamtwohnfläche von 66.199 Quadratmetern. Das Unternehmen habe noch im vergangenen Jahr für den Bezug von 11.253 Megawattstunden Wärme einen Betriebskostenaufwand in Höhe von 893.397,47 Euro gehabt. Das mache einen durchschnittlichen Fernwärmepreis von 79,39 Euro je Megawattstunde aus.

In diesem Jahr steigt der Preis der Fernwärme laut Sven Breuel aufgrund einer Preisgleitklausel im Fernwärmeliefervertrag auf durchschnittlich 185,98 Euro je Megawattstunde. „Unter Annahme eines gleichbleibenden Wärmebedarfes ergibt sich daraus ein Gesamtkostenaufwand in Höhe von rund 2.1 Millionen Euro“, so der Geschäftsführer. Die Zusatzbelastung für die Gesellschaft aufgrund der Vorverauslagung gegenüber dem Stadtwerk belaufe sich in diesem Jahr auf rund 1,2 Millionen Euro.

Mit der Betriebskostenabrechnung 2021 erhöht das Quedlinburger Wohnungsunternehmen daher nun die Nebenkosten für Wärme. Bezogen auf eine Kaltmiete von fünf Euro je Quadratmeter liegen die monatlichen Wärmekosten im Schnitt bei 2,63 Euro – zuvor waren es ein bis 1,10 Euro. „Bei einer Wohnung, die 60 Quadratmeter groß ist, steigt die Warmmiete dadurch um etwa 90 Euro“, rechnet Sven Breuel vor. Die Wohnungsgesellschaft wird von den Stadtwerken Quedlinburg versorgt, die die Fernwärme mit Erdgas erzeugt.

Wohnungswirtschaft von Sachsen-Anhalt kämpft mit Kostenexplosion

Nach Einschätzung von Jens Zillmann, Verbandsdirektor der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt, kämpfen fast alle Wohnungsfirmen mit „einer Kostenexplosion“. Die Preise in der Fernwärme seien in der Spitze um bis zu 450 Prozent gestiegen. „Die Unternehmen müssen diese Kosten vorfinanzieren, das bringt sie an den Rand der Belastbarkeit“, so Jens Zillmann. Er fürchtet, dass es schwierig wird, diese Kostensteigerungen an alle Mieter weiterzugeben.

„Ich weiß nicht, wie die Mieter das bezahlen sollen“, sagt Jens Zillmann. Bei Hartz-IV-Empfängern würden die Jobcenter die Heizkosten tragen. „Geringverdiener oder Ruheständler mit einer geringen Rente trifft es besonders hart“, so Jens Zillmann weiter. Staatliches Wohngeld helfe da nicht immer weiter, da dieses nach dem Einkommen, nicht nach den anfallenden Kosten gezahlt werde.

Wolfen: Wärmekosten werden um das Dreifache erhöht

Bei der Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen (Landkreis Anhalt Bitterfeld), die einen Großteil ihrer Plattenbauwohnungen in Wolfen-Nord mit Fernwärme versorgt, werden die Wärmekosten sogar um das Dreifache angehoben. „Sollten die Vorauszahlungen bisher niedrig sein und der Verbrauch hoch, sind die Steigerungen sogar noch höher“. sagt Geschäftsführer Christian Puschmann. Er legt ebenfalls eine Beispielrechnung für eine 60 Quadratmeter große Wohnung vor, bei der die Nebenkosten seit 1. Juli 2022 von 3,42 Euro auf 9,24 Euro pro Quadratmeter gestiegen sind. Die Warmmiete erhöhte sich dadurch von monatlich 501,99 auf 849,25 Euro.

Preise für Gas schlagen unterschiedlich durch

Einige Wohnungsgesellschaften in Sachsen-Anhalt hatten in den vergangenen Monaten die Betriebskosten für die Mieter bereits auf freiwilliger Basis angehoben. Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 werden nun die Vorauszahlungen verbindlich angepasst. Nach Angaben von Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund sind die Wohnungsunternehmen dazu berechtigt. Die Vermieter müssten jedoch eindeutig belegen, in welchem Umfang die Heizkosten 2022 steigen.

Bei den aktuellen Anhebungen gibt es noch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wohnungsunternehmen. Die Stadtwerke, die in der Vergangenheit eher kurzfristig, teilweise zu sehr günstigen Preisen Erdgas eingekauft haben, müssen nun als erste die Preise sehr stark anheben. Bei Ihnen schlägt der aktuell hohe Großhandelspreis voll durch. Andere Stadtwerke wie Halle (Saale) besitzen noch langfristige Lieferverträge, so dass sie zumindest in der Fernwärme dieses Jahr noch keine Preisanhebungen planen. In Magdeburg wird ein Teil der Fernwärme über eine Müllverbrennungsanlage erzeugt. Dort werden die Preise wohl nicht so deutlich steigen.

Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, geht von einer Verdreifachung der Gaspreise für Verbraucher aus. „Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppeln sich die Abschläge bereits – und da sind die Folgen des Ukraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt“, sagte Müller den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland. „Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens.“ Es sei „absolut realistisch“, dass Kunden, die derzeit 1.500 Euro im Jahr für Gas bezahlten, künftig 4.500 Euro und mehr zur Kasse zahlen müssten, so Klaus Müller weiter.

In Sachsen-Anhalt werden rund 38 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt, 27 Prozent durch Zentralheizung – häufig auf Erdgas-Basis – und zwölf Prozent mit Heizöl. Der Rest verteilt sich auf Wärmepumpe, Holz und andere Energieträger.

Politik muss Wohnungsfirmen finanziell unterstützen

Bei den privaten Haushalten, die mit Gas heizen, ist der Anstieg noch nicht ganz so hoch. Mitteldeutschlands größter Energieversorger, Envia-M, hat nach eigenen Angaben die Erdgas-Preise von 6,99 Cent je Kilowattstunden im Jahr 2021 auf aktuell 12,49 Cent angehoben – ein Plus von 78,7 Prozent. Bei einer Wohnung mit 80 Quadratmetern und einem jährlichen Verbrauch von 163 Kilowattstunden je Quadratmeter ergeben sich jährliche Mehrkosten von 717,20 Euro oder 60 Euro im Monat. Auch Envia-M profitiert offenbar noch von langfristigen Lieferverträgen.

Wohnungsverbandschef Jens Zillmann dringt darauf, dass die Politik die Wohnungsfirmen künftig finanziell unterstützt. Die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt würden insgesamt 320.000 Wohnungen bewirtschaften. Durch die steigenden Energiepreise würden im schlimmsten Fall, sollte die Bundesregierung eine Gasmangel-Lage ausrufen, Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro im Jahr entstehen, hat der Verband ausgerechnet. Diese Summe ließe sich nicht vollständig auf die Mieten umlegen.

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