Stadtentwicklung: IHK Berlin veröffentlicht Leitfaden zu BIDs

Stadtentwicklung: IHK Berlin veröffentlicht Leitfaden zu BIDs

Stadtentwicklung: IHK Berlin veröffentlicht Leitfaden zu BIDs
Expertin Nina Häder arbeitet seit Jahren an BIDs und war an der Erarbeitung des Leitfadens beteiligt.

Business Improvement Districts (BID) gelten als „mächtiges Instrument der Stadtentwicklung“. Die IHK Berlin hat einen Leitfaden veröffentlicht, der aufzeigen soll, wie es gehen kann.

Agentur

„BIDs hatten es in Berlin immer schwer, das wird sich nun ändern.“ Robert Rückel, Vizepräsident der IHK Berlin meint damit Business Improvement Districts (BID). Für ihn ein „mächtiges Instrument der Stadtentwicklung“. Mit verschiedenen Playern hat die IHK nun einen Leitfaden dazu erstellt. Zur Erklärung: Ein BID ist ein geografisch klar abgegrenztes Stadtgebiet, in dem sich Immobilieneigentümer – teils auch Gewerbetreibende – verpflichten, gemeinsam in die Standortentwicklung zu investieren. Die Grundlage stellt eine befristete Sonderabgabe dar, die alle Beteiligten innerhalb des Gebietes zahlen und mit der zusätzliche Maßnahmen finanziert werden, die über die regulären kommunalen Leistungen hinausgehen. Dazu gehören zum Beispiel häufigere Straßenreinigungen, Sicherheitsdienste, Gestaltung des öffentlichen Raums, Standortmarketing oder Veranstaltungen. Ziel ist es, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Quartiers zu steigern.

Dieses Modell stammt ursprünglich aus Nordamerika. Als erstes BID gilt die Bloor West Village Business Improvement Area in Toronto, die 1970 von einer Gemeinschaft lokaler Händler und Eigentümer gegründet wurde. In den USA wurde das Modell erstmals 1974 in New Orleans umgesetzt. Von dort aus verbreitete es sich schnell: Allein in New York City gibt es heute über 70 BIDs, darunter bekannte Beispiele wie der Times Square oder der Union Square Partnership. Die BIDs in den USA haben maßgeblich zur Revitalisierung von Stadtzentren beigetragen, insbesondere in Phasen wirtschaftlicher Transformation oder Verödung durch Suburbanisierung.

Nach Europa gelangte das Konzept Anfang der 2000er-Jahre. Das erste BID im Vereinigten Königreich wurde 2005 in Kingston upon Thames eingerichtet. Die Übertragung auf deutsche Verhältnisse erfolgte nicht eins zu eins. Stattdessen wurde das Modell an die föderale Struktur und die kommunalrechtlichen Anforderungen angepasst. Den Anfang machte Hamburg: Hier trat 2005 das bundesweit erste BID-Gesetz in Kraft, das seither anderen Ländern als Blaupause diente. Inzwischen verfügen elf Bundesländer über eine eigene gesetzliche Grundlage für BIDs, häufig unter leicht abgewandelter Bezeichnung wie Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) oder Quartiersgemeinschaft.

„Das Schwerste ist immer der Anfang“, so Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin. Die Hauptstadt wolle Innovationsstandort Nummer eins in Europa werden, BIDs seien dafür wichtig. „Deshalb sind wir auch der Bitte nachgekommen und habe eine Anschubfinanzierung auf die Strecke gebracht.“ Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ist ebenfalls ein großer Befürworter der BIDs, allerdings: „Sie sind kein Allheilmittel, um strukturelle Probleme zu lösen.“ Zentren seien Identifikationsorte und schon deshalb gebühre ihnen intensive Aufmerksamkeit.

Nina Häder, Geschäftsführerin der Stadt + Handel City- und Standortmanagement BID GmbH, ist eine der Expertinnen zu diesem Thema, betreut seit Jahren BIDs, arbeitete intensiv an dem Leitfaden mit. Etwa 80 BIDs gebe es in Deutschland, Hamburg sei führend. „Ich möchte Mut machen zu beginnen, denn es ist wirklich ein wirkungsvolles Instrument.“ In aller Kürze umriss sie einige Projekte, die es derzeit gibt, meist fünf Jahre. Viele davon gehen dann in die Verlängerung. „Die Maßnahmen, die durch die BIDs initiiert werden sind sehr vielfältig“, so Nina Häder. „Das reicht von Sitzmöbeln, der Umgestaltung von Verkehrsführung, Beleuchtung, Spielgeräten, Veranstaltungen oder Standortmarketing."

Best Practices von BIDs

BID Neuer Wall / Hamburg

Der BID am Neuen Wall in Hamburg besteht seit 2005 und befindet sich bereits in der fünften Laufzeit. Das Gebiet erstreckt sich über 600 Meter und umfasst 51 Grundstücke. Die Budgets der bisherigen Laufzeiten lagen zwischen 1,5 und 7,2 Millionen Euro. Zu den umgesetzten Maßnahmen gehören unter anderem die Gestaltung von Stadtmobiliar, Pflanzkonzepte, bauliche Aufwertungen der Nebenflächen, Parkraummanagement sowie Marketingmaßnahmen wie Veranstaltungen und ein E-Magazin.

BID Tibarg / Hamburg

Dieser BID wurde 2010 gegründet und befindet sich aktuell in der dritten Laufzeit. Das Gebiet umfasst eine 600 Meter lange Fußgängerzone mit 28 Grundstücken. Pro Laufzeit standen zwischen 1 und 1,7 Millionen Euro zur Verfügung. Zu den Maßnahmen zählen die Errichtung von Bänken und Spielgeräten, eine Brunnenanlage, saisonale Bepflanzungen, ein Straßenmeister, Quartiersmanagement sowie Weihnachtsbeleuchtung.

ISG Solingen-Ohligs

Die Immobilien- und Standortgemeinschaft Solingen-Ohligs wurde 2018 gegründet und befindet sich in der zweiten Laufzeit. Sie umfasst 80 Grundstücke und arbeitet mit einem Budget von 500.000 Euro je Laufzeit. Umgesetzt wurden unter anderem Maßnahmen zur Sauberkeit und Sicherheit durch einen Straßenmeister, die Entwicklung einer eigenen Stadtteil-Marke samt Produkten, Leerstandsmanagement und Beleuchtungskonzepte.

BID Ansgari Quartier / Bremen

Das älteste und kleinste BID Deutschlands wurde 2009 gegründet. Das Quartier blickt auf eine lange Geschichte zurück, u.?a. mit Bezug zur St.-Ansgarii-Gemeinde (seit 1229) und zur Handwerkskammerfassade (1621). Ziel war es, Sicherheit, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität zu steigern sowie ein klares Standortprofil zu kommunizieren. Das BID umfasst sieben Grundstücke und befindet sich in der vierten Laufzeit. Das jährliche Budget stieg von anfangs 50.000 auf zuletzt 70.000 Euro. Maßnahmen umfassten u.?a. Standortmarketing, kostenfreies WLAN, Stadtmöblierung, temporäre Gärten, private Reinigungsdienste, Winterbeleuchtung und Veranstaltungen wie Sommerkonzerte oder den Winterwald-Markt.

BID Ku’damm-Tauentzien / Berlin

Dieser BID bestand von 2018 bis 2023 mit einem Budget von 8,9 Millionen Euro. Das Gebiet umfasst 1,2 Kilometer. Aktuell läuft ein BID light (2023–2024). Der BID konzentrierte sich auf Sonderreinigungen durch die BSR, saisonale Bepflanzungen, Verschattung durch Sonnenschirme, Kunstausstellungen im öffentlichen Raum, WLAN-Ausbau, gebündelte Werbemaßnahmen und ein Markenkonzept inklusive Logo und Internetpräsenz. Ziel ist es, den Kurfürstendamm als hochwertigen, urbanen Premium-Standort zu stärken – mit Fokus auf Handel, Kultur, Aufenthaltsqualität und Urbanität.

Eine Studie des Urban Research & Practice Journal beschreibt die Übernahme treffend: „The originally American business improvement district (BID) institutional form was adopted in Germany when its political culture was open to it“ (Minton, A. (2009), Urban Research & Practice, Vol. 2, Issue 1). Die Adaption sei dabei weniger eine direkte Übernahme als vielmehr eine bewusste Institutionenübersetzung gewesen – also eine Neugestaltung unter Berücksichtigung nationaler Strukturen, Beteiligungskulturen und kommunaler Zuständigkeiten. Während BIDs in den USA häufig stark vom Einzelhandel geprägt sind, nehmen sie in Deutschland zunehmend Aufgaben im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung wahr – etwa in Form von Klimaanpassungsmaßnahmen, Begrünung oder sozialer Infrastruktur.

Der BID-Gedanke hat sich seit seiner Einführung in Deutschland vielfach bewährt. In Städten wie Hamburg, Berlin, Bremen oder Solingen sind Business Improvement Districts zu festen Bestandteilen strategischer Stadtentwicklung geworden. Dabei zeigt sich, dass die Kombination aus lokaler Verankerung, gesetzlicher Grundlage und gemeinschaftlicher Finanzierung neue Wege eröffnet, um urbanen Wandel aktiv zu gestalten – jenseits rein staatlicher Steuerung oder rein privatwirtschaftlicher Einzelinteressen.