Der Markt für studentisches Wohnen wird erwachsen. Internationale Nachfrage, institutionelle Investoren und flexible Betreiberkonzepte verändern ein Segment, das lange als Nische galt. Enis Bayik, Chief Operating Officer und Chief Marketing Officer bei Home & Co, erklärt, warum sich das Geschäftsmodell professionalisiert, wie Value-Add im Bestand funktioniert – und weshalb Geopolitik inzwischen direkten Einfluss auf die Vermietung hat.
IMMOBILIEN AKTUELL (IA): Der Markt für studentisches Wohnen hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Welche Entwicklungen prägen ihn derzeit?
Enis Bayik (EB): Der Markt ist deutlich institutioneller geworden. Ich bin seit über zehn Jahren in diesem Segment tätig, und erstmals sehen wir echte Bewegung. Neben internationalen Plattformen wie der International Campus Group (Brookfield), Yugo (GSA) und Milestone / Basestack (Macquarie Asset Management) treten jetzt auch neue Player auf: asiatische Fonds, kanadische Investoren wie CPP oder Rockfield / Ardian. CPP hat unlängst 460 Millionen Euro in die Übernahme und Expansion von Nido Living (Student Housing Plattform, 13.000 Betten, Ziel bis 2031: 25.000 Betten in Iberia, Italien, Deutschland; Anm. d. Red.) investiert. Das zeigt, dass sich die Wahrnehmung verändert. Der deutsche Markt war bislang der am wenigsten transparente in Europa, weil kaum große Transaktionen stattgefunden haben. Das ändert sich jetzt.
IA: Home & Co ist eine der größten privaten vertikal integrierten Immobilienplattformen von studentischem Wohnen in Deutschland. Wie ist Ihr Unternehmen aufgestellt?
EB: Wir managen aktuell in Deutschland und Spanien über 17 Objekte mit insgesamt mehr als 3.100 Einheiten und decken den gesamten Lebenszyklus der Immobilie ab – von der Akquisition über Entwicklung und Betrieb bis zum Management. Unser Fokus liegt auf Micro-Living und studentischem Wohnen. Besonders stark wachsen wir an Universitätsstandorten, an denen internationale Studierende den Markt prägen.
IA: Welche Rolle spielt diese internationale Zielgruppe für Ihre Strategie?
EB: Eine entscheidende. Von rund drei Millionen Studierenden in Deutschland sind etwa 500.000 international – Tendenz steigend. Besonders stark wächst der Anteil aus Asien, für uns anhand der letzten Zahlen überraschend deutlich aus Indien und der Türkei. In acht unserer 16 Projekte stellen türkische Studierende inzwischen den größten Anteil. Diese Zielgruppe sucht Sicherheit, Planbarkeit und Service. Wir bieten All-in-Mieten, die sich regional unterscheiden. Zum Beispiel rund 450 Euro in Ludwigsburg, bis zu 1.200 Euro in München.
IA: Wie hoch ist die Nachfrage derzeit und wie reagieren Sie darauf operativ?
EB: In München sind wir regelmäßig bereits im August komplett für Oktober vermietet. Rund 30 Prozent unserer Mieter zahlen zwölf Monate im Voraus. Denen räumen wir auch einen Preisnachlass ein, das ist aber nicht der ausschlaggebende Punkt. Die Wiederbuchungsquote liegt bei 50 Prozent. Das zeigt, dass es nicht nur um Wohnraum geht, sondern um ein Umfeld, in dem man sich langfristig wohlfühlt.
IA: Im vergangenen Jahr haben Sie begonnen, stärker in den Bestand zu investieren. Was steckt hinter dieser Entscheidung?
EB: Wir sehen wieder mehr Transaktionen, vor allem bei Objekten, die untermanagt sind. In Frankfurt am Main haben wir im September ein Haus mit 164 Apartments übernommen, das wir während des laufenden Betriebs sanieren. Wenn Mieter ausziehen, werden die Einheiten modernisiert, und wir schaffen zusätzliche Gemeinschaftsflächen. Solche Projekte sind wirtschaftlich sinnvoller als viele Neubauten, deren Margen durch Baukosten und Regulierung stark belastet sind.
IA: Welche Standorte sind für Sie aktuell besonders interessant?
EB: Neben klassischen Universitätsstädten rücken auch B-Standorte stärker in den Fokus. Bonn ist ein gutes Beispiel, wo wir ein hybrides Modell aus studentischem Wohnen und Aparthotel entwickelt haben. Solche Konzepte sind betrieblich effizient und eröffnen neue Perspektiven, auch in Städten mit gemischter Nachfrage.
IA: Community gilt als zentrales Element Ihrer Häuser. Welche Bedeutung hat sie wirtschaftlich?
EB: Eine große. Je länger Studierende bleiben, desto stabiler wird die Auslastung. Unsere Community ist kein Marketingthema, sondern Teil unseres Betriebsmodells. Sie schafft Identifikation und sorgt dafür, dass sich Menschen aus über 120 Nationen bei uns zu Hause fühlen. Das macht uns stabil, auch in schwankenden Märkten.
IA: Digitalisierung spielt in Ihrem Geschäftsmodell eine wichtige Rolle. Welche Systeme setzen Sie ein?
EB: Wir nutzen digitale Tools dort, wo sie Abläufe vereinfachen: Online-Buchung, digitale Mietverträge, Zutrittssysteme. Entscheidend ist, dass sie Betriebskosten senken und Prozesse beschleunigen. Wir investieren nicht in Technik, die nur gut aussieht, aber keinen Nutzen bringt.
IA: Studentisches Wohnen steht zunehmend im Wettbewerb zu klassischen Wohnprojekten. Wie überzeugen Sie Investoren von der Rentabilität?
EB: Mit Fakten. Unsere Häuser sind voll vermietet, die Zahlungsdisziplin ist hoch, die Nachfrage stabil. Das überzeugt. Gleichzeitig passen wir unsere Mietmodelle an: Wir vermieten nicht mehr nur für zwölf Monate, sondern auch semesterweise oder kürzer bei gewerblichen Konzepten. So können wir auf die tatsächliche Nutzung reagieren und Leerstände vermeiden. Im europäischen Vergleich zeigt sich: Während Studierende in Berlin mit monatlichen Lebenshaltungskosten zwischen 1.500 und 2.000 Euro rechnen müssen, liegen in London allein die Mieten oft bei über 450 Pfund pro Woche. Das macht den deutschen Markt sehr interessant.
IA: Wie wird sich das Segment aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren entwickeln?
EB: Studentisches Wohnen bleibt ein verlässlicher Teil des Wohnimmobilienmarktes. Der internationale Zustrom wird weiter zunehmen, allein der Traffic auf unserer Homepage aus Indien ist im letzten Jahr um mehr als 400 Prozent gestiegen. Viele kommen zum Studium und bleiben für den Beruf. Das zeigt: Studentisches Wohnen ist längst Teil der Bildungs- und Arbeitsmarktinfrastruktur geworden.


