Berliner Immobilienkongress 2023: „Die Hauptstadt muss ihr Potenzial endlich nutzen“

Berliner Immobilienkongress 2023: „Die Hauptstadt muss ihr Potenzial endlich nutzen“

Berliner Immobilienkongress 2023: „Die Hauptstadt muss ihr Potenzial endlich nutzen“
Wir blicken zurück auf den Berliner Immobilienkongress 2023. Copyright: IMMOCOM

Der Berliner Immobilienkongress von IMMOCOM ist mit über 300 Teilnehmern der größte Standortkongress für die Hauptstadt. Gesprochen wurde über Wohnen, Bestandssanierung, verschiedene Assetklassen wie Office oder Serviced Apartments und natürlich über Finanzierung. Eine Zusammenfassung.

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„Berlin hat sehr viel Potenzial und das sollte endlich genutzt werden“, sagte Klaus-Peter Hesse, Director City Development & Acquisition ECE Work & Live. Dieser Satz könnte das Motto des Berliner Immobilienkongresses von IMMOCOM sein, der mit über 300 Gästen die größte Standortveranstaltung der Hauptstadt ist. In neun Panels und mit über 50 Referenten wurden die derzeitigen Themen, übergreifend und in verschiedenen Assetklassen, besprochen. Fakt ist: Die Immobilienbranche steht vor einem Umbruch. Dr. Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt, Partner bei BK-LAW Bottermann Khorrami Rechtsanwälte, drückte das so aus: „Die Situation der Immobilienbranche momentan würde ich als historisch bezeichnen.“

Forderung nach Ermöglichungskultur in der Verwaltung

Berlin erlebt ebenfalls einen Umbruch, in diesem Fall eine neue Koalition. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hätte hier sehr viel über „seine“ Verwaltung erfahren. Allerdings verlautbarte das Büro von ihm, dass erst einmal zu prüfen sei, welche Relevanz solche Veranstaltungen für den Bürgermeister hätten. Die Prüfung dauerte, der Kongress ist vorbei. Allerdings nicht die vielen Erkenntnisse.

„Ich habe noch keine richtig schlaue und konstruktive Regierung hier in Berlin gesehen“, sagte beispielsweise Eike Becker, Geschäftsführer der Eike Becker_Architekten, im Auftaktpanel der Immobilien-Veranstaltung. Klaus-Peter Hesse forderte: „Wir brauchen eine Ermöglichungskultur in der Verwaltung.“ Carsten Sellschopf, Geschäftsführer der Instone Real Estate Development, bemühte sich um Gelassenheit: „Erstmal muss man der Koalition ein paar Tage geben, um in das Arbeiten zu kommen.“

Berliner Immobilienkongress Eike Becker
Eike Becker

Berliner Umland in Konkurrenz mit der Hauptstadt

Es ging um Licht und Schatten in dem Koalitionsvertrag und natürlich um das große Thema Wohnen: „Es wurde sehr viel über geförderten Wohnraum gesprochen, die Mittelschicht, für die das nicht in Frage kommt, ist immer hinten runtergefallen. Das muss sich ändern“, sagte Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer der DLE Land Development. Zudem ist er der festen Überzeugung, dass „Berlin und Brandenburg als ein Wirtschaftsraum begriffen werden müssen“.

Anja Schuhmann, Regional Manager Berlin und Leipzig bei Jones Lang LaSalle, zeigte in ihrem Vortrag auf, dass Wohnen in der Hauptstadt und auch im Speckgürtel seine Berechtigung hat. „Das Umland ist eine spannende Alternative, die Kernstadt deshalb aber nicht unattraktiv.“ Auf die Konkurrenzsituation verwies Oliver Müller, COO der Capital Bay Group. „Es ist immer ein Wettkampf, wer stärker reguliert. Die politische Unterstützung im Umland für Projekte ist sehr viel stärker als innerhalb Berlins“, konstatierte er.

Gabriel Khodzitski von der PREA Group brachte noch eine andere beeindruckende Zahl in die Diskussion ein: „Das Berliner Umland ist gemäß unseren KI-Auswertungen noch zu günstig und weist ein enormes Entwicklungspotential auf. Die Mietpreissteigerungen werden uns aufgrund des noch immer existierenden Nachfrageüberhanges von mehr als 466.000 Quadratmetern Wohnfläche noch Jahre verfolgen.“

Völlig verrechtlichte Situation verhindert Dynamik

Die Infrastruktur, das wurde in den verschiedenen Panels klar, stellt sich oft als Hemmnis dar. „Ich glaube nicht, dass wir ein Wohnungsproblem haben. Ich denke wir haben ein Infrastrukturproblem", fasste es Jens Wollschläger, Senior Projektleiter bei ASSMANN BERATEN + PLANEN, im Panel Hotspot Köpenick zusammen. Dazu kommen noch andere Hürden. „Wir sind in einer völlig verrechtlichen Situation", sagte beispielsweise Lars Loebner, Leiter Referat II W, Wohnungsbauprojekte - Äußere Stadt in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der Stadt Berlin. „Und es ist auch nicht so, dass jeder Juhu schreit, wenn wir bauen wollen."

Petra Müller, Head of Conceptual Development & Communication bei der DLE Land Development, konnte nur zustimmen: „Wir kranken an unseren ganzen Normen und Vorschriften. Jedes Mal, wenn die Politik versucht, die Dinge leichter zu machen, werden sie komplizierter." Zudem forderte die studierte Architektin, dass Wohnen zwingend zur Chefsache gemacht werden müsse.

Serielles Bauen kann nicht die Lösung sein

Erleichterung im Wohnungsbau erhoffen sich viele Marktteilnehmer durch serielles Bauen. „Der Backstein ist auch ein Modul. Das serielle Bauen, wie wir es heute sehen, kann nicht die Lösung sein“, hielt Architekt Prof. Johannes Kister, Gesellschafter kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, dagegen. Es komme auf Qualität an. Zudem sehe er im Ruf nach seriellem Bauen auch nicht die Lösung aller drängenden Aufgaben. Ingo Malter, Geschäftsführer der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft, konterte: „Wir müssen versuchen von der Stange zu bauen." Schon allein, um dem Druck auf dem Wohnungsmarkt standzuhalten.

Das Panel Wohnen beim Berliner Immobilienkongress 2023
Hier wurde angeregt über das Thema Wohnen diskutiert. Copyright: IMMOCOM

Größter Brocken: Bestandssanierung

Könnte der Mietmarkt nicht auch vom Bestand profitieren? Die Transformation ist im vollen Gang, nur wie mit alten Gebäuden umgehen? Bei Tim Sassen von der Greyfield Group und einer von denen, die sich seit Jahren der Revitalisierung widmen, klingt das fast banal: „Nicht jedes Gebäude ist umnutzbar. Wir brauchen mehr Mut und Kreativität. Zudem hat der Bestand ein sehr gutes Image, gerade bei der Bevölkerung.“

Berliner Immobilienkongress 2023 Wolfgang Saam
Wolfgang Saam

Peter Kneidinger, CEO der Materialnomaden, ließ verlauten, dass es alternativlos sei, mit dem umzugehen, was da sei. Wolfgang Saam, Abteilungsleitung Klimaschutz-, Energiepolitik und Nachhaltigkeit beim ZIA, sagte: „Der größte Brocken, der vor uns liegt, heißt Bestandssanierung. Dafür brauchen wir einen Schub und ein planvolles Angehen.“

Bauen im Bestand: Von Hightech zu Lowtech

Zum ersten Mal hatte IMMOCOM innerhalb des Berliner Immobilienkongresses einen bundesweite Bestandskongress integriert. Die große Nachfrage zeigte die Bedeutung der nachhaltigen Konversion. Armand Grüntuch, Gründer von Grüntuch Ernst Architekten, hatte gleich zwei Vorschläge: Zum einen forderte er einen Drittverwertungsnachweis, zum anderen sprach er sich für eine deutliche Reduzierung der Haustechnik aus.

Zustimmung vor allem zum letzten Punkt kam von Nicola Halder-Hass, Geschäftsführende Gesellschafterin von BRICKS&BEYOND und im Vorstand des Verbandes für Bauen im Bestand e.V., die sich für Low- statt Hightech aussprach. „Wir setzen immer zu schnell die Nutzerbrille auf und fragen zu wenig nach der DNA der Gebäude. Wenn wir da einen Mindset-Wandel hinbekommen, wäre schon viel geschafft.“

Überstrukturell große Nachfrage nach modernen Officeflächen

Wandel oder nicht: Diese Frage stellte sich in der Officerunde. „Ich kann die Homeoffice-Diskussion nicht mehr hören“, sagte Mathias Groß, Niederlassungsleiter Berlin bei PANDION. Einig waren sich alle, dass es in den kommenden Monaten eine überstrukturell große Nachfrage nach modernen Büroflächen geben wird. Robert Sprajcar, Vorstand der DIE Deutsche Immobilien Entwicklungs AG, der mit seinem Team 280.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche am Behrens-Ufer entwickelt und damit über eine Milliarde Euro investiert, sagt: „Bei diesem Projekt machen wir uns keine Gedanken um die Vermietung, weil wir bereits im Vorfeld in die Clusterbildung gegangen sind. Es sind eben nicht nur normale Büros, sondern beispielsweise auch Labore.“

Das größte private Gewerbeprojekt punktet zudem mit hohem ökologischem Anspruch, mit der Nähe zur HTW Berlin, mit guter ÖPNV-Anbindung und Wohlfühl-Faktoren wie Gastronomie und Aufenthaltsflächen. Michael Konen, Project Manager bei der ISG Deutschland GmbH, fasst die kommende Entwicklung so zusammen: „Büros wandeln sich immer mehr zum Lebensraum. Es wird der Anreiz geschaffen, dass Leute sich treffen, nicht so sehr, dass sie dort arbeiten.“

Hotelmarkt: „Renaissance der Individualität“

Es dreht sich sehr viel um die Bedürfnisse der Nutzer. Hier sind Parallelen zu einer Assetklasse zu sehen, die durch die Pandemie in eine Krise rutschte: Hospitality. „Ich habe den Eindruck, dass die Dynamik auf dem Hotelmarkt wieder zunimmt“, sagte Axel Deitermann, Geschäftsführender Gesellschafter der Hotel Affairs Consulting.

Dimitri Chandogin, Geschäftsführer der NUMA Group, erklärte die veränderte Volatilität der Raten, mit einer Verlagerung hin zum zweiten und dritten Quartal. Die Gen Z als kommende Hotelnutzer stehe bei ihm stark im Fokus: „2022 haben sie mehr für Reisen ausgegeben, sie sind die Hauptgruppe für morgen. Auf sie müssen wir uns einstellen.“ Einen Weg, der auch allen anderen Gästen zugute kommt, formulierte Axel Deitermann: „Im Hotelmarkt ist eine Renaissance der Individualität zu sehen, nicht nur bei den Betreibern, sondern auch bei den Immobilien.“

Bestandsimmobilienkongress Berliner Immobilienkongress
Erstmals wurde im Rahmen des Berliner Immobilienkongresses der Bestandskongress durchgeführt. Copyright: IMMOCOM

Serviced Apartments setzen Höhenflug auch in Berlin fort

Die Pandemie-Krise schon länger überstanden haben die Serviced Apartments, die im vergangenen Jahr eine hohe Auslastung verzeichnen konnten. Die Betreiber erreichten in Berlin bei allen drei Kennzahlen (Belegung, ADR und RevPAR) Spitzenwerte unter den Top-4-Städten mit München, Frankfurt am Main und Hamburg. Anett Gregorius, Gründerin von Apartmentservice und Deutschlands Expertin für dieses Segment, brachte neben den aktuellen Zahlen noch einen ganz anderen Gedanken in die Diskussion ein: „Wir denken sehr viel über den Begriff Temporäres Wohnen und die Eignung für die Assetklasse nach. Er sollte geändert werden, da er oft falsch interpretiert wird und den Fokus zu stark auf Wohnen legt.“

Paulina Held, verantwortlich für das Real Estate Expansion Management bei STAYERY, wies darauf hin, dass die Größen der Apartments kleiner werden. Gerold Springer, Director Transactions bei International Campus, zeigte derweil auf, warum es so wenig Konversionsprojekte bei den Serviced Apartments gibt: „Bauen im Bestand – gerade in Berlin und in denkmalgeschützten Gebäuden – ist sehr komplex und deutlich teurer als andere Projekte.“

Das Schlusswort zum Kongress bekommt an dieser Stelle Bernd Duda, Leiter Berlin bei der Berlin Hyp AG. Er legte den Finger in eine ganz andere Wunde: „Die größte Krise haben wir woanders: Hertha BSC ist abgestiegen.“

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