Herausforderungen der Baubranche: die sieben Todsünden des Bauens

Herausforderungen der Baubranche: die sieben Todsünden des Bauens

Herausforderungen der Baubranche: die sieben Todsünden des Bauens
„Wir bauen uns langsam zu Tode“, sagt Roland Kühnel von der timpla GmbH. Copyright: timpla/PR

Die Baubranche steht an einem Wendepunkt. Sie sieht sich vor allem mit der dringenden Notwendigkeit konfrontiert, Nachhaltigkeit und Innovation zu integrieren, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet Roland Kühnel die „sieben Todsünden des Bauens“, welche die Industrie laut dem Geschäftsführer der timpla GmbH überwinden muss, um eine nachhaltigere Zukunft gestalten zu können.

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Wie steht es um die Baubranche?

Roland Kühnel: Nicht gut. Und zwar in vielen Belangen, nicht nur wirtschaftlich. Die Baubranche steht vor der wahrscheinlich größten Herausforderung ihrer Geschichte. Fest steht, so bauen wir uns buchstäblich langsam zu Tode.

Können Sie das näher erläutern?

Roland Kühnel: Wo soll ich anfangen? Die Herausforderungen sind facettenreich. Fangen wir bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an: Die Immobilienbranche hat in den letzten Jahren von den sehr niedrigen Zinsen profitiert. Das wirkte wie Doping für den Bausektor. Höhere Zinsen fallen nun zusammen mit höheren Bau- und Kaufnebenkosten. Das alles wirkt, um im Bild zu bleiben, wie ein kalter Entzug für die Branche. Doch das sind nur die wirtschaftlichen und kurzfristigen Faktoren. Die haben bei einigen Unternehmen recht schnell zu Krisen und Insolvenzen geführt. Meine Aussage zielt eher auf die zusätzlichen langfristigen Faktoren, die ich immer einbeziehe. Ich fasse das gerne plakativ als die sieben Todsünden des Bauens zusammen.

Die sieben Todsünden des Bauens

Können Sie das genauer ausführen?

Roland Kühnel: Die Herausforderungen, mit denen die Baubranche konfrontiert ist, lassen sich in sieben kritische Bereiche gliedern, die ich als die 'sieben Todsünden des Bauens' bezeichne. Sie umfassen:

  1. Wir bauen zu klimaschädlich. Das liegt vor allem an den mineralischen Baustoffen; dennoch ist es möglich, selbst mit rein mineralischer Bauweise in Deutschland höchste Nachhaltigkeitssiegel zu erhalten und taxonomie-konform zu bauen.
  2. Wir verschwenden wertvolle Ressourcen. Auch hier wieder beispielgebend die Zement- und Betonindustrie: Sie benötigt große Mengen Wasser, Kies und Energie für die Erzeugung ihrer Produkte. Kies, Sand und Wasser sind jedoch nicht grenzenlos verfügbar, werden teils schon als kritische Ressourcen eingestuft.
  3. Wir erzeugen zu viel Müll. Die Bauindustrie ist einer der größten Müllproduzenten. Bauschutt wird so gut wie nicht recycelt und wenn ja, allenfalls für niedere Verwendungszwecke genutzt wie im Straßenbau.
  4. Wir bauen zu aufwändig. Wer aus dem Maschinenbau oder der Softwarebranche kommt, erlebt im Bau einen Kulturschock und wähnt sich in die Vergangenheit versetzt. Für manches ist die Baubranche selbst verantwortlich, wie ineffiziente Prozesse oder mangelnde Digitalisierung. Anderes haben Staat und Länder zu verantworten – Stichwort Bürokratie und Regulierung. Nirgends sonst hat sich die Produktivität so schlecht entwickelt wie im Bau. Dies führt dazu, dass Bauprojekte oft zu teuer, zu langwierig und von schlechter Qualität sind.
  5. Wir haben zu wenig Fachkräfte. Rund 300.000 Fachkräfte fehlen laut IG Bau. Zudem ist ein Drittel der Beschäftigten im Bau 55 und älter. Demografischer Wandel lässt grüßen. Das macht die Transformation des Bauens nicht einfacher.
  6. Wir bauen zu gefährlich. 100.000 Bauarbeiter wurden im Jahr 2022 verletzt, 74 starben sogar.
  7. Mangel an Innovation und Verantwortung. Viele in der Baubranche folgen veralteten Methoden, gestützt durch bestehende Regulierungen. Der Fokus auf Produktqualität und Kundenerfahrung fehlt weitgehend; es herrscht oft eine Mentalität des Bauens nach Vorschrift.

Serielles Bauen mit Holz als Lösungsansatz

Für welche der sieben Punkte bieten Sie bei timpla Lösungen an?

Roland Kühnel: Es wird Sie wenig überraschen. Holzhäuser speichern Kohlenstoff und Holz wächst nach, Beton ist für massive Emissionen verantwortlich. Heutzutage mit dem aktuellen Wissen rein mineralisch gebaute Häuser als nachhaltig zu zertifizieren, ist Greenwashing und ignoriert den Stand der Wissenschaft. Zudem ist Holzbau sehr gut für die Wiederverwendung geeignet. Serieller Holzbau ist digital getrieben. Die Lean-Methode sorgt für Effizienz und stetige Optimierung. Das Ergebnis sind geringe Bauzeiten, Kostentreue und eine hohe Qualität.

In Eberswalde entsteht aktuell eine Holzmodulfabrik der Timpla GmbH by Renggli. Copyright: timpla/PR
In Eberswalde entsteht aktuell eine Holzmodulfabrik der Timpla GmbH by Renggli. Copyright: timpla/PR

Aber ist serielles Bauen nicht ein Rückschritt in der Baukultur?

Roland Kühnel: Weil Sie glauben, wir bringen die Platte 2.0? Das ist ebenso ein Vorurteil wie die Argumente gegen Holz. Das serielle Bauen hat sich weiterentwickelt. Von der Platte der 70er sind wir weit entfernt. Diese Diskussion tut so, als würden für einen Großteil der Wohnungs- und Bürobauten sehr aufwändige, individuelle architektonische Konzepte umgesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Gehen Sie durch eine typische deutsche Großstadt. Den Großteil der Objekte würden Sie bei früher Einbeziehung in die Planung besser mit seriellem Holzbau umsetzen können, und Sie würden es von außen betrachtet nicht mal erkennen.

Aber serieller Holzbau ist einfach teurer und oft zu teuer!

Roland Kühnel: Nein, wenn Holzbauer rechtzeitig einbezogen werden, bieten sie marktfähige Preise. Umplanungen mineralisch geplanter Objekte oder Beharren auf ungünstigen Planungen hingegen machen den Holzbau teurer. Viel wichtiger ist, dass die bisher geltende wirtschaftliche Betrachtung von Bauvorhaben wichtige Kosten außer Acht lässt und sie auf die Allgemeinheit verlagert, Stichwort CO2-Preise. Insbesondere bei öffentlichen Vergaben fehlen vergaberechtlich sichere Bewertungskriterien, um die Nachhaltigkeit verschiedener Bauweisen auch finanziell in die Angebotsbewertungen eingehen zu lassen. Hier gibt es zum Beispiel über sogenannte Schattenpreise bereits gute Ansätze, die in einzelnen Bundesländern bereits Anwendung finden.

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