Mobilitätswende in Berlin durch mehr Kiezblocks und autofreie Zonen?

Mobilitätswende in Berlin durch mehr Kiezblocks und autofreie Zonen?

Mobilitätswende in Berlin durch mehr Kiezblocks und autofreie Zonen?
Mehr und mehr rot-weiße Poller prägen das Berliner Stadtbild. Copyright: Mara Kaemmel

Modalfilter, Diagonalsperre und Kiezblock: Wie für die Mobilitätswende in Berlin der motorisierte Individualverkehr in Wohngebieten eingeschränkt wird.

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Rot und Weiß – das sind die Farben der Mobilitätswende in Berlin. Die dazugehörigen Worte lauten Modalfilter, Diagonalsperre und Kiezblock. Wenn die rot-weiß gestreiften Poller quer über eine Kreuzung im Viertel gepflanzt sind, ist ein Durchkommen nur noch mit dem Fahrrad möglich. So wie im Samariter- oder dem Wrangelkiez in Friedrichhain-Kreuzberg.

Doch nicht nur in der Hochburg der Grünen sprießen Poller diagonal über die Straßen, mit denen Autofahrer ausgesperrt und mehr Verkehrssicherheit und Lebensqualität im Wohnviertel geschaffen werden sollen. Denn die Idee macht Schule: Andere Bezirke ziehen nach. In Mitte stehen Poller an der Kreuzung Bellermannstraße, Heidebrinker Straße und Eulerstaße. Der Klimakiez Badstraße wird zum Modellkiez für die Verkehrswende im Bezirk. Die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln hat drei Kiezblocks beschlossen: Rixdorf, der Reuter- und der Schillerkiez werden für den Durchgangsverkehr gesperrt und verkehrsberuhigt. In Pankow startet im Frühjahr ein Kiezblock-Feldversuch im Komponistenviertel. Die Initiative Changing Cities kämpft für insgesamt 180 Kiezblocks in der Hauptstadt, 54 werden derzeit bereits gefordert.

Autofreie Innenstadt nicht erzwingen, sondern in Form autofreier Oasen etablieren

Mit Bettina Jarasch (Bündnis 90/Grüne), der neuen Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, haben die Aktivisten eine prominente Unterstützerin. Sie betonte in einem RBB-Interview, es gehe bei der Mobilitätswende nicht nur um das Klima, sondern um Flächengerechtigkeit. Zuviel öffentlicher Raum sei durch Autos besetzt. Doch eine autofreie Innenstadt zu erzwingen, könne nicht der erste Schritt sein. „Berlin ist eine Stadt, die aus vielen Kiezen und Zentren besteht, und überall muss es autofreie Kieze geben. Nicht das eine große autofreie Stadtzentrum, sondern überall autofreie Oasen.“

Die Idee vom Kiezblock

Damit machte sie gleich zweierlei deutlich: Eine autofreie Innenstadt, wie von vielen Grünen gewünscht, wird in naher Zukunft nicht realisiert. Gleichzeitig geht sie mit der Forderung nach autofreien Oasen einen Schritt weiter als die Kiezblock-Aktivisten. Denn autofrei sind Kiezblöcke nicht. Zwar fehlt bislang eine einheitliche Definition zum Kiezblock in Berlin, aber es gibt ein Vorbild – die Superblocks in Barcelona.

Ein solcher umfasst dort bis zu neun Häuserblocks. Fahrradfahrer und Fußgänger haben Vorrang, Kreuzungen sind für den Durchgangsverkehr gesperrt. Flächen, die ehemals zum Parken dienten, werden zum Spielen, für Sitzgelegenheiten und Grünanlagen genutzt. Wer mit dem Auto von A nach B will, muss auf der Hauptverkehrsstraße um den Block fahren. Doch es geht eben nicht nur um Kiezblocks. Was unter autofreier Oase zu verstehen ist, zeigt die Friedrichstraße. Sie ist auf einer Länge von 500 Metern dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt.

Das Konzept gilt vielen als wenig durchdacht. Statt einer Flaniermeile wurde sie zu einer Fahrradrennstrecke mit Sitzgelegenheiten am Bordstein. Auch die Oranienstraße in Kreuzberg soll unter dem Stichwort Flaniermeile ab 2024 zur autofreien Zone gemacht werden, die Bergmannstraße bereits bis 2025 neugestaltet und weitgehend autofrei sein.

Fördergelder vom Senat für Autofreiheit in den Bezirken

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz unterstützt Konzepte für Autofreiheit in den Bezirken – mit einer Million Euro pro Jahr. Das Bezirksamt Mitte beziffert die Kosten für das Ausweisen von zwölf neuen Kiezblöcken innerhalb der nächsten fünf Jahre mit rund 3,1 Millionen Euro. Davon entfallen rund 2,4 Millionen auf die Analyse des Verkehrs vor Ort und die nötigen Baumaßnahmen. Rund 700.000 Euro sind für Planung, Koordination und Verwaltung veranschlagt. Zwei zusätzliche Stellen müssten dafür geschaffen werden.

Erste Schritte in Richtung autofreie Innenstadt. Copyright: Mara Kaemmel
Erste Schritte in Richtung autofreie Innenstadt. Copyright: Mara Kaemmel

Kosten, Personalnot und der Widerstand vor Ort stehen einer schnellen Umsetzung von Kiezblöcken entgegen. Denn nicht alle Anwohner begrüßen die Pollerei im Kiez. Deren Argumente dagegen werden als von gestern abgetan. Wenn es um die Mobilitätswende geht, zählt die Furcht vor höheren Mieten und Gentrifizierung in verkehrsberuhigten und begrünten Zonen nicht. So berichtete der Berliner Mieterverein auf seiner Webseite über verhärtete Fronten zwischen neu Zugezogenen und Alteingesessenen im Samariterkiez. Unter der Überschrift „Verkehr und Vernunft“ setzt sich dort eine Bürgerinitiative für verkehrsberuhigende Lösungen ein, die nicht von einer Minderheit durchgesetzt, sondern von einer Mehrheit der Anwohner getragen werden. Sie fordert eine fundierte Evaluierung der Maßnahmen.

Verlagerung des Verkehrs und die Gefahr der Gentrifzierung konstatierten bereits Natalie Mueller und deren Mitautoren 2020 in einer Studie über positive Gesundheitseffekte in Superblocks als mögliche, unerwünschte Folgen. Sie betonten darin, dass die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs für die Metropolregion Voraussetzung für Superblöcke sei. Um zu verhindern, dass sich die Verkehrsströme verlagern, müsse der motorisierte Individualverkehr durch weitere Maßnahmen unattraktiv gemacht werden, etwa durch eine City-Maut, die Reduktion von Parkplätzen und das Ausweiten des Konzeptes auf das gesamte Stadtgebiet.

City-Maut für Berlin kommt (noch) nicht

Der Vorschlag einer City-Maut ist in Berlin vorerst vom Tisch. Die Reduktion von Parkplätzen und das Verengen von Straßen gehören dagegen zum Tagesgeschäft. Ebenso das Akquirieren von zusätzlichen Einnahmen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Bettina Jarasch betonte noch einmal: „Wir werden die  Parkraumbewirtschaftung ausweiten müssen.“ Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken ist unter anderem festgehalten, dass der Preis für den Anwohnerparkausweis bis 2023 auf zehn Euro pro Monat erhöht wird, also 120 Euro im Jahr zu zahlen sind. Bislang kostet er 10,20 Euro pro Jahr.

Felix Reifschneider (FDP), verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, will die Aussage von Bettina Jarasch zur Ausweitung „autofreier Oasen“ nicht unkommentiert lassen. Er erklärte: „Die Schließung einzelner Kieze für den Durchgangsverkehr ist keine allgemeine Lösung für die Verkehrsprobleme. Dadurch wird vor allem zusätzlicher Verkehr in die sowieso schon hoch belasteten Hauptstraßen gelenkt.“ Von Kiezblocks und autofreie Zonen würden nur wenige profitieren. Gebraucht werde ein Gesamtkonzept für die Verkehrsflüsse, damit die Entlastung des einen nicht zur Belastung des anderen führe.

Mehr Stellplätze in Tiefgargen und Parkhäusern seien nötig, wenn Autos nicht mehr auf der Straße abgestellt werden sollen. Ebenso bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr und der Ausbau von Park-and-Ride-Plätzen für Pendler. „Das Radwegenetz sollte über Nebenstraßen geführt werden und nicht parallel zu den großen Verkehrsadern.“ Wer etwas für Fußgänger tun wolle, müsse die Fußwege breiter und barrierefrei machen. „Die Fußwege sind stadtweit in einem erbärmlichen Zustand“, sagt er. „Punktuelle Symbolpolitik wird den Herausforderungen Berlins nicht gerecht.“

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