Die Gemeinde Rottenburg am Neckar in Baden-Württemberg will weg von Gas und Öl. Sie lässt analysieren, wie ein Nahwärmenetz funktionieren könnte und ist damit nicht allein. Anderswo macht man sich über den Regen Gedanken.
Die Gemeinde Rottenburg am Neckar wagt ihre eigene Energiewende. Konkret soll diese im Ortsteil Oberndorf realisiert werden. Mit einem Nahwärmenetz für 1.500 Einwohner. Doch zuerst bedarf es dafür einer Studie, die derzeit von Drees & Sommer erarbeitet wird und im Herbst 2023 Klarheit bringen soll, wie das Projekt umgesetzt werden kann. „Was das Heizen betrifft, sind wir im Raum Rottenburg noch stark von Öl und Erdgas abhängig. Das wollen wir ändern und prüfen beginnend mit Oberndorf verstärkt die Möglichkeiten für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in unseren Stadtteilen. Lokale Wärmenetze stehen dabei besonders im Fokus“, sagt Jörg Weber, Klimaschutzbeauftragter der Stadt Rottenburg. Damit bekommt die Bürgerinitiative Oberndorfer Nahwärme, die sich seit rund zwei Jahren aktiv für den Ausbau eines Nahwärmenetzes im ländlichen Oberndorf einsetzt, Rückenwind seitens der Stadt.
Nahwärme bezeichnet die Wärmeversorgung eines kleineren Gebiets durch eine Heizzentrale, die sich in der Nähe des zu versorgenden Gebietes befindet. Mit Hilfe eines oder mehrerer Wärmeerzeugers wird Wasser erwärmt und über ein verzweigtes Rohrleitungsnetz – das Nahwärmenetz – zu den Abnehmern transportiert. Die Vorteile dieses Systems werden immer wieder von Experten hervorgehoben: Wegfall der Kosten für die Anschaffung und Wartung der Heizungstechnik in einzelnen Gebäuden; die Investition in die zentrale Heizanlage verteilt sich zudem auf alle angeschlossenen Haushalte.
Nahwärme auch in anderen Gemeinden: Tragfähige Konzepte nur durch Daten möglich
Auch in anderen Gemeinden ist Nahwärme ein Thema. In Immenstadt im Allgäu beispielsweise kümmert sich eine private Initiative darum. Ein Heizungsbauer und ein Bauunternehmer nehmen das hier in die Hand. Sie kümmern sich ebenfalls zuerst um einen Stadtteil. Gebaut werden soll ab 2024. In die Häuser fließt dann die Wärme ab Frühjahr 2025.

Im bayerischen Jetzendorf haben Bürger die Energiegenossenschaft Eck gegründet - Eck ist ein Ortsteil. Die Genossenschaft will in Eigenregie ein Nahwärmenetz bauen und betreiben. Bisher dafür kalkulierte Kosten: 1,3 Millionen Euro.
Die Voraussetzungen sind in jeder Stadt andere. „Um ein Nahwärmenetz zu planen, braucht es viele Daten – selbst in einem Dorf. Viele alte oder gar historische Gebäude und die Infrastruktur machen es zu einer besonderen Herausforderung. In der Gemeinde Rottenburg am Neckar kommt zum Beispiel Geothermie wegen des gipshaltigen Untergrundes nicht infrage. Es gilt also zu prüfen, welche alternativen Wärmequellen technisch und wirtschaftlich möglich sind“, sagt Anika Zwiener, Energiemanagerin bei Drees & Sommer.
Kombination aus Wasserkraft und Photovoltaik
Der Projektentwickler HOS-Gruppe hat ein smartes Wärmenetz für sein Projekt Neckarspinnerei Quartier in Wendlingen bei Stuttgart ausgerufen. Bis 2027 entsteht auf dem Areal der alten Baumwollspinnerei der OTTO Textil GmbH, die bis 2020 noch produzierte, aus saniertem, denkmalgeschütztem Gebäudebestand sowie Neubauten ein neues Mischquartier. Hier ist ein Laufwasserkraftwerk installiert, das seit der Fabrikeröffnung das am Neckar gelegene Areal mit Energie versorgt. Klimafreundlichen Strom liefern zudem Photovoltaikanlagen auf den Dächern.
Rund zwei Drittel der erzeugten Energie, davon etwa 62 Prozent aus Wasserkraft und 38 Prozent aus Photovoltaik, werden mithilfe eines Stromspeichersystems vom Quartier selbst verbraucht, der Rest in das Netz eingespeist. Ihre regenerative Wärme bezieht das Neckarspinnerei Quartier künftig über Wärmepumpen aus dem Oberflächenwasser des Neckars und einem großen Eisspeicher. Auch die Abwasserwärme bleibt nicht ungenutzt.
Die Nutzung von Wasser insgesamt etabliert sich immer mehr. Das zeigt eine Studie der Mall GmbH. Darin geben 77 Prozent der befragten Architekten, Ingenieure und Behördenvertreter an, dass eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv sei. Deshalb erwarten insgesamt 99 Prozent eine steigende oder zumindest gleichbleibende Nachfrage bei Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung.
