Berliner Wohnungspolitik: Vier von fünf Berlinern sind unzufrieden

Berliner Wohnungspolitik: Vier von fünf Berlinern sind unzufrieden

Berliner Wohnungspolitik: Vier von fünf Berlinern sind unzufrieden
Petra Müller, Sebastian Czaja und Sascha Nöske bei der Diskussion zur Berliner Wohnungspolitik. Copyrights: (links) Mara Kaemmel; (rechts) WagnerAnne auf Pixabay

Experten der Berliner Wohnungspolitik diskutierten vor der Wahlwiederholung in Berlin über die derzeitige Gemengelage und Lösungsansätze, die sie sich von der zukünftigen Landesregierung wünschen. Eine Lösung sehen sie in der Förderung von Wohneigentum, die als Aufgabe auch in der Berliner Verfassung verankert ist.

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Einar Skjerven müsste eigentlich die LINKEN wählen, denn sie sichern seinen Wohlstand. Er ist der Gründer und CEO der Skjerven Group, die sich auf die Sanierung von Bestandshäusern und den Weiterverkauf als Eigentumswohnungen in Berlin spezialisiert hat. Der Mann ist für die LINKEN das ideale Feindbild. Er baut keine Wohnungen, er verdient am Verkauf von Bestandswohnungen. Er müsste die LINKEN wählen, sagt er, weil sie mit ihrer Politik dafür sorgen, dass die Ware, die er zu verkaufen hat, knapp und teuer bleibt.

„Bestandswohnungen sind wahres Gold.“ Ihr Wert werde weiter steigen. Doch Einar Skjerven sieht den Zustand durchaus kritisch: „Was für mich gut ist, ist schlecht für Berlin.“ Das zeigt auch die Umfrage, die André Schlüter von RUECKERCONSULT bei einer Pressekonferenz präsentierte: Demnach sind vier von fünf Berlinern mit der Wohnungspolitik in Berlin unzufrieden.

So bewerten die Berliner die Wohnungspolitik in der Hauptstadt. Copyright: CIVEY
So bewerten die Berliner die Wohnungspolitik in der Hauptstadt. Copyright: CIVEY

Der Wohnungsmangel bleibt

Die Situation ist inzwischen so verfahren, dass eine Lösung kaum möglich scheint. Immer mehr Regulierung des Marktes, immer mehr Vorschriften, Rechtsunsicherheit und die Androhung einer Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen, dazu noch steigende Baupreise und Zinsen zwingen private Investoren zum Rückzug. Und die landeseigenen Wohnungsunternehmen ächzen unter der Last, die ihnen von der Landesregierung aufgebürdet wird.

Durchschnittlich zehn Jahre dauert es inzwischen, bis eine Baugenehmigung vorliegt. Der Wohnungsmangel bleibt. Zur Diskussion über die Wege aus der Misere eingeladen waren neben Einar Skjerven auch Uwe Bottermann, Spezialist für Wirtschafts- und Immobilienrecht, Petra Müller vom Projektentwickler DLE Land Development, Sascha Nöske von der STRATEGIS AG sowie Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der FDP. Er sieht noch eine größere Mangellage auf dem Wohnungsmarkt als offiziell angegeben. Nicht 200.000 Wohnungen würden in den nächsten zehn Jahren gebraucht, sondern noch 50.000 mehr. Die Fertigstellungszahlen mit 16.500 Wohnungen seien da nicht zufriedenstellend. Was also tun?

Berlin hat sich auf das Wachstum nicht vorbereitet

Petra Müller sieht ein Grundproblem in der fehlenden Infrastruktur. „Berlin hat sich auf das Wachstum nicht vorbereitet, es ist keine neue U-Bahnstrecke oder S-Bahnstrecke gebaut worden.“ Ausgenommen die Kanzler-U-Bahn. „Ich kann in den Außenbezirken bauen wollen, aber ich brauche eine Infrastruktur, die dahinführt.“ Nachverdichtung sei natürlich eine Lösung, durch Aufstockung mit Holzbau. Dem stünden aber wieder eine Reihe DIN-Normen entgegen. Eins greife ins andere: Die Berliner Verwaltung sei überfordert, weil es an Mitarbeitern mangele.

Petra Müller plädiert dafür, Denkverbote aufzuheben. „Wenn es nicht ausreichend Fachleute in den Behörden gibt, warum holen wir für die Bearbeitung nicht externe Bearbeiter ins Boot?“ Sascha Nöske ist überzeugt, dass in den Verwaltungen ausreichend Mitarbeiter beschäftigt sind. „Wenn wir so arbeiten würden, wären wir längst insolvent.“ Er sehe den Einsatz von mehr digitaler Technik als Lösungsansatz, um die Bearbeitungsdauer zu reduzieren. Mit Hilfe einer entsprechenden Software ließe sich die Einhaltung von rund 16.000 Vorschriften bei Bauvorhaben in wenigen Sekunden prüfen.

Paradigmenwechsel gefordert: Von der Mieterstadt zur Eigentümerstadt

Einar Skjerven sprach sich nicht für Detaillösungen, sondern für einen Paradigmenwechsel aus. Den Weg von einer Mieterstadt zu einer Eigentümerstadt. Doch eben diesen Wechsel sieht er in Berlin nicht gewollt, weil SPD, LINKE und Grüne damit ihre Wählerklientel verlören. Uwe Bottermann beobachtet seinerseits im Mandantenkreis, dass Menschen ins Eigentum wollen. „Eigentum ist Wohlstand, die Leute wollen kaufen.“ Aber nicht nur Doppelvierdiener, sondern auch die Geringverdiener müssten ins Eigentum kommen, weil damit die Armutsspirale durchbrochen werden könne. „Wir brauchen ein Klima der Ermöglichung, statt eines der Verbote“, sagt er.

Die Bewertung der Wohnungspolitik nach Parteipräferenz. Copyright: CIVEY
Die Bewertung der Wohnungspolitik nach Parteipräferenz. Copyright: CIVEY

Der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja pflichtet ihm bei. „In der Verfassung steht, Eigentum ist zu fördern, aber es gibt kein Programm bei der Investitionsbank Berlin zur Eigentumsförderung.“ Die FDP hat in den vergangenen Jahren diverse Vorschläge gemacht, damit der Traum vom Eigentum nicht unerreichbar bleibt. Sie wurden allesamt abgelehnt mit dem Hinweis, Berlin sei eine Mieterstadt. Zu den Vorschlägen, die nach wie vor aktuell sind, gehören: Ein Förderprogramm mit der IBB aufsetzen, Mietkaufmodelle entwickeln und einen Grunderwerbsteuerfreibetrag bis 300.000 Euro für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum einführen.

Sogar landeseigene Wohnungsunternehmen hätten die Bereitschaft signalisiert, bei einem Teil der Wohnungen Miete in Eigentum zu überführen. Doch der politische Rahmen fehlt. „Man will die Menschen in dieser Stadt nicht groß werden lassen“, lautet das Fazit von Sebastian Czaja. Weil die derzeitige Landesregierung diesen Rahmen nicht schaffen will, setzt die FDP auf die Förderung von Genossenschaften. Deren Anteil am Wohnungsmarkt auf 30 Prozent auszubauen, hat sie als politisches Ziel formuliert. „Da gehen wir den Mittelweg zwischen Miete und Eigentum.“

Wohnungen sind zu einer politischen Ware verkommen

Auch zur Beschleunigung von Bauvorhaben hat die FDP eine Reihe von Vorschlägen gemacht: Die Einführung von Typenbaugenehmigungen und einer Genehmigungsfiktion nach der Bauvorhaben als genehmigt gelten, wenn innerhalb von sechs Monaten kein Bescheid vorliegt. Ein Thema ist ebenfalls die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren. „Und mittelfristig müssen wir uns mit einer Sonder-Afa auseinandersetzen.“ Dieses Instrument habe in Berlin schon einmal zur Beschleunigung des Wohnungsbaus geführt. „Wir würden gern die Diskussion dazu eröffnen.“

Grundstücke gebe es in der Stadt, sie müssten nur aktiviert werden. Das Tempelhofer Feld böte Potenzial für eine Randbebauung auf 100 Hektar, sofern sich die Berliner in einer erneuten Befragung dafür aussprechen würden. Mehr als 200 Grundstücke sind bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften unbebaut und es gibt noch eine Reihe unentdeckter Flächen. Sebastian Czaja betont: „Meiner Ansicht nach ist Berlin die lückenhafteste Metropole Europas.“ Aber ein Baulückenkataster gibt es nicht. Es könnte in die Höhe gebaut werden, um weniger Flächen zu versiegeln. „Auch dazu sagt in dieser Regierung keiner ja, denn mit der Wohnung wird in Berlin Politik gemacht.“ Sie ist zu einer politischen Ware verkommen.

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