Berliner Enteignungskommission beginnt mit der Arbeit

Berliner Enteignungskommission beginnt mit der Arbeit

Berliner Enteignungskommission beginnt mit der Arbeit
Berlin hat seine eigene Enteignungskommission, die just ihre Arbeit aufnahm. Adam Vradenburg on Unsplash

Beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen hatten 59,1 Prozent der Wähler mit Ja gestimmt. Ein 13-köpfiges Team unter Leitung der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat nun ein Jahr Zeit, zu prüfen, ob ein Enteignungsgesetz verfassungskonform wäre.

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Mit der konstituierenden Sitzung am 29. April hat die Berliner Enteignungskommission ihre Arbeit aufgenommen. Das Gremium besteht aus 13 Fachleuten, die meisten von ihnen sind Rechtswissenschaftler. Sie haben nun die Aufgabe, innerhalb eines Jahres zu prüfen, ob die Enteignung von privaten Immobiliengesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, vom Grundgesetz gedeckt wäre. Sie sollen ebenfalls klären, welche Kosten ein Enteignungsgesetz verursacht und die Folgen für die Wohnungswirtschaft ausloten.

Frage der Vergesellschaftung muss diskutiert werden

Herta Däubler-Gmelin (SPD), Vorsitzende der Expertenkommission, sagte nach der ersten Sitzung: „Ich habe die Aufgabe übernommen, weil ich der Auffassung bin, dass die Frage der Vergesellschaftung diskutiert werden soll.“ Das Thema bezahlbares Wohnen interessiere nicht nur in Berlin, sondern auch in München, Stuttgart und anderen Regionen. Es soll eine Anhörung auch mit externen Partnern geben, auf der alle Seiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln ihre Standpunkte vorbringen können. Die kommende Sitzung Anfang Juni werde öffentlich tagen. Die Ergebnisse und Protokolle sollen auf einer eigenen Seite im Internet veröffentlicht werden.

Das Einsetzen dieser Kommission ist ein Ergebnis des Volksentscheides der Initiative Deutsche Wohnung & Co enteignen, das bei der Wahl am 26. September 2021 mit 59,1 Prozent Ja-Stimmen erfolgreich war. In Berlin mangelt es aufgrund jahrelanger politischer Versäumnisse an Wohnungen, die Mieten sind gestiegen. Die Initiatoren und viele Mieter hoffen, dass mit der Überführung großer Immobilienbestände in Gemeineigentum das Problem gelöst werden kann. Sie sind der Meinung, dass ein derartiges Vorhaben nach §15 des Grundgesetzes möglich ist, ebenso eine Entschädigung der Eigentümer weit unter Marktwert. Die Aktivisten geben eine Entschädigungssumme von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro an. Laut Kostenschätzung des Berliner Senats liegt die Summe zwischen 28,8 bis 36 Milliarden Euro.

R2G mit unterschiedlichen Positionen zum Thema Enteignung

Die Koalitionspartner im Berliner Senat vertreten unterschiedliche Auffassungen, die sich auch in der Auswahl der Experten widerspiegelt. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass für sie Enteignung kein geeignetes Mittel sei. Die GRÜNEN sehen Enteignung als Mittel an, wenn eine Mietregulierung auf anderem Weg nicht möglich ist. Die LINKEN sind dafür und unterstützen die Initiative tatkräftig. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid hatten sich die Koalitionspartner darauf verständigt, binnen 100 Tagen eine Expertenkommission zum Thema einzusetzen und diese Zusage gehalten. Vor der konstituierenden Sitzung erklärte Franziska Giffey der Deutschen Presse-Agentur: „Der Berliner Senat nimmt das Ergebnis des Volksentscheids sehr ernst.“ Das sei mit fachlich renommierten Persönlichkeiten vertrauensvoll und ausgewogen gelungen. 

Die Initiatoren hatten dagegen im Vorfeld eine Expertenkommission als Versuch kritisiert, ein Enteignungsgesetz zu verhindern und deshalb gefordert, die Mehrzahl der Mitglieder in der Kommission zu stellen. Die Koalitionspartner waren aber übereingekommen, dass jede Partei und die Initiative je ein Viertel der Mitglieder benennen darf. Nach einigem Zögern entschieden sich die Enteigner doch für die Mitarbeit.

Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen wirksamer als Enteignungen?

Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, hatte bereits bei Einsetzen der Kommission Ende März erklärt: „Viele Berlinerinnen und Berliner haben für die Enteignungs-Initiative gestimmt, weil sie die Wohnraumversorgung insbesondere für einkommensschwache Haushalte verbessert sehen wollen. Dieses Ziel ist richtig und wichtig. Statt mit einer nach unserer Überzeugung verfassungsrechtlich nicht zulässigen und finanziell nicht stemmbaren Enteignung, wäre es hierzu aber viel sinnvoller, alles für eine Trendwende hin zu mehr Neubau in Berlin zu unternehmen. Dabei ist es nicht egal, was gebaut wird. Was Berlin braucht, sind vor allem günstige Mietwohnungen. Um das zu erreichen, ist das derzeit verhandelte ‚Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen‘ der richtige Rahmen.“

Derweil werden in Berlin weitere Ideen verfolgt, um die Miete zu regulieren. Nach dem gescheiterten Mietendeckel prüft der Senat jetzt eine Sonderabgabe auf hohe Mieten. Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, erklärte dazu: „Es geht bei der Abgabe, um die Frage, wie wir die erheblichen Bodenwertsteigerungen und erheblichen Mietsteigerungen, die leistungslos stattgefunden haben in den letzten Jahren, gegebenenfalls abschöpfen können.“ Es gehe um den Anteil, der oberhalb der zehn-prozentigen Überschreitung des Mietspiegelhöchstbetrages liege. Mit dem Geld könne mehr Neubau finanziert werden. Allerdings hat Berlin derzeit keinen gültigen Mietspiegel und über die Einkommenssteuer oder Unternehmenssteuern verdient der Fiskus bereits ohne Sonderabgabe kräftig an den Mieten und damit an der Mietsteigerung bei privaten Unternehmen mit.

Das ist die Expertenkommission zum Thema Enteignung großer privater Immobiliengesellschaften

Von der Initiative Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co sind nominiert:

Die SPD hat neben Herta Däubler-Gmelin folgende Experten berufen:

Die GRÜNEN und die LINKEN haben sich auf folgende Mitglieder verständigt:

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