Fels in der Brandung: Bürovermietungsmarkt überrascht mit starkem Halbjahresergebnis

Fels in der Brandung: Bürovermietungsmarkt überrascht mit starkem Halbjahresergebnis

Fels in der Brandung: Bürovermietungsmarkt überrascht mit starkem Halbjahresergebnis
Der Bürovermietungsmarkt erwies sich im ersten Quartal 2022 als unvermutet stark. Copyright: Israel Andrade on Unsplash

Der deutsche Bürovermietungsmarkt hat zur Halbzeit des Jahres 2022 für eine Überraschung gesorgt: In den Top-7-Hochburgen summierte sich das Vermietungsvolumen auf rund 1,93 Millionen Quadratmeter. Das sind 45 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

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Diese sehr positive Bilanz überrascht, da doch aktuell nichts in Deutschlands Unternehmensetagen so sehr diskutiert wird, wie die im Herbst und Winter drohende Energiekrise. Und doch gibt es positive Zeichen und Impulse: Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany and Head of Markets: „Die Pandemie und die grundlegende Veränderung der Arbeitswelt im Büro haben traditionelle Grundsätze der Bürovermietung außer Kraft gesetzt: Verursachte bisher ein Anstieg des Leerstands einen Rückgang der Spitzenmiete, sehen wir seit einigen Monaten wie stark sich der Markt nach Qualität ausdifferenziert. Nun ist zu beobachten, wie der Leerstand in der Breite zunimmt, während der Wettbewerb um Topflächen sogar intensiver geworden ist, wodurch die Spitzenmieten weiter zulegen.“

Kortmann sieht eine veränderte Sicht auf Büroflächen: „Stärker denn je spielen attraktive Büroflächen eine strategische Rolle, wenn es darum geht, die Rückkehr in die Büros und damit die Zusammenarbeit, Kreativität und Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern. Im Wettbewerb um die besten Köpfe können moderne Arbeitswelten in zentraler Lage zudem den entscheidenden Unterschied machen. Im Spitzensegment werden wir deshalb auch weiterhin eine dynamische Entwicklung erleben.“

Das sehen auch die Analysten von Colliers so. Sie bescheinigen dem Bürovermietungsmarkt ein aktuelles Quartalsergebnis, das den zehnjährigen Halbjahresdurchschnitt um 20 Prozent übertrifft. Stephan Bräuning, Head of Office Letting Deutschland bei Colliers: „Die Bürovermietungsmärkte der TOP 7 zeigen sich bisher wenig beeindruckt von dem veränderten makroökonomischen Umfeld. Wir haben ein sehr starkes erstes Halbjahr gesehen, mit besonderer Dynamik in den zurückliegenden drei Monaten. Viele Unternehmen setzten in der ersten Jahreshälfte konsequent ihre New Work Strategien um, die oft in neuen Anmietungen oder auch teilweise in Eigennutzerbaustarts mündeten."

Bürovermietungsmarkt zieht im zweiten Quartal 2022 stark an

Vor diesem Hintergrund lassen sich die zum ersten Halbjahr registrierten guten Vermietungszahlen erklären, wobei der starke Ausschlag nach oben doch überraschend ist. Der Blick auf die einzelnen Immobilienhochburgen zeigt ein einheitliches Bild. In jeder Stadt konnte ein Umsatzplus registriert werden, dies reicht von plus drei Prozent in Berlin bis plus 335 Prozent in Stuttgart.

Umsatzspitzenreiter ist nun wieder München mit 396.000 Quadratmeter, gefolgt von Berlin mit 377.000 Quadratmetern und Hamburg mit 321.000 Quadratmetern. Sowohl in Stuttgart als auch in der Hansestadt sorgten unter anderem großvolumige Abschlüsse im fünfstelligen Quadratmeterbereich für diese gute Performance.

Stephan Bräuning, Colliers: „Besonders aktiv auf den Büromärkten waren im bisherigen Jahresverlauf die krisenresistente Öffentliche Hand, Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsbranche sowie Beratungsunternehmen. Zusammen kommen sie auf einen Anteil von 42 Prozent am gesamten Büroflächenumsatz in den sieben großen Büromärkten.“ Auch Behörden haben demzufolge die Bedeutung attraktiver Büros bei der Mitarbeitergewinnung erkannt. Gleichzeitig treiben gesetzliche Vorgaben für ESG-konforme Flächen diese Investition.

„Die Ergebnisse des ersten Halbjahres resultieren aus unserer Sicht sowohl aus Nachholeffekten der Corona-Zeit als auch der Umsetzung von hybriden Arbeitswelten im Wettbewerb um Talente. Vor dem Hintergrund des guten Halbjahresergebnisses rechnen wir nun mit einem Gesamtjahresergebnis von gut 3,5 Millionen Quadratmetern. Das wäre ein Plus von mehr als sieben Prozent gegenüber 2021“, blickt Stephan Leimbach, Head of Office Leasing JLL Germany, auf den weiteren Jahresverlauf.

Dass sich die starke Performance des ersten Halbjahres vermutlich nicht ganz wiederholen lasse, habe mehrere Gründe: „Hatten wir bei der Nachfrage in den ersten Monaten des Jahres eine mitunter starke Belebung gesehen, stellte sich das Bild zuletzt wieder eher verhalten und etwa auf dem Niveau der jüngsten Krisenjahre dar“, sagt Stephan Leimbach.

Leerstandsquote stabilisiert sich auf niedrigem Niveau

In den vergangenen Quartalen zeigte der Trend der Leerstandsentwicklung konsequent nach oben. Das hat sich nun zum Ende des zweiten Quartals geändert. Die über alle sieben Metropolen gemittelte Leerstandsquote liegt wie drei Monate zuvor bei 4,7 Prozent. Zwar erhöhte sich das absolute Leerstandsvolumen im gleichen Zeitraum minimal, gleichzeitig stieg aber der Bestand in ähnlichem Umfang, sodass sich das in einer insgesamt konstanten Quote widerspiegelt. In Summe stehen den suchenden Unternehmen in den sieben Immobilienhochburgen nun 4,5 Millionen Quadratmeter kurzfristig zur Verfügung.

Bis zum Jahresende erwartet JLL einen weiteren leichten Anstieg der Leerstandsquote auf 5,2 Prozent. Mehr denn je wird angesichts der gestiegenen Baupreise und der unsicheren Terminplanung bei Projekten die weitere Entwicklung wesentlich davon abhängen, inwieweit geplante Neubau- oder Sanierungsprojekte auch tatsächlich noch in diesem Jahr realisiert werden können.

Die Kollegen von Colliers verbuchen eine minimal höhere Leerstandsquote von 4,8 Prozent, kommen aber trotzdem zu dem Schluss, dass der Leerstand sich insgesamt auf einem historisch niedrigen Niveau bewege. Dazu Stephan Bräuning von Colliers: „Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und ersten durchaus positiven Erfahrungen mit mobilem Arbeiten wurde des Öfteren die Frage gestellt, ob wir alle den Schreibtisch im Büro gegen unseren Küchentisch tauschen werden. Diese Frage kann aktuell nur mit ‘nein‘ beantwortet werden, denn nicht nur kehren die Mitarbeiter in großer Anzahl zurück in ihre Büros – auch die Bereitschaft der Unternehmen, in die Qualität, die Ausstattung und die Lage ihrer Büroflächen zu investieren, nimmt spürbar zu. Die leichte Zunahme der Leerstände speist sich vor allem aus Büroflächen in peripheren Lagen und Objekten einfacherer Qualität.“

Noch wird gebaut und fertiggestellt - Neubaupläne werden vermehrt verschoben

Auf Seiten der Projektentwickler hat sich die Marktlage in den letzten Wochen und Monaten nochmals verschärft. Lieferengpässe und der nach wie vor anhaltende rasante Anstieg bei den Einkaufspreisen für Baumaterialien belasten deren Aktivitäten. Bereits im ersten Quartal hat sich der Baukostenindex des Statistischen Bundesamts für Büro- und betriebliche Gewerbeimmobilien gegenüber 2021 um 15 Prozent erhöht. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend auch im zweiten Quartal fortgesetzt hat. In der Folge dürften sich die Gesamtkosten für eine Projektentwicklung signifikant erhöhen und entsprechend Druck auf die Mieten ausüben. „Hier rechnen wir mit erhöhten Mietpreisforderungen bis hin zu Gleitklauseln zur Abfederung der Unsicherheiten im Projektverlauf seitens der Entwickler“, sagt Stephan Leimbach von JLL.

Der Projektentwicklermarkt stehe aber nicht vor einem Kollaps, so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Er funktioniere weiterhin, wenn auch unter anderen Vorzeichen: „Dazu gehört auch, dass Ausschreibungen für einzelne Gewerke deutlich früher als bisher üblich vonstattengehen müssen und Preisbindungsklauseln in Verträgen gekürzt werden, um flexibel auf mögliche Lieferengpässe reagieren zu können. In den Statistiken zum zweiten Quartal machen sich diese Trends noch nicht bemerkbar. Im Gegenteil, im Vergleich zum ersten Quartal hat das Volumen der Fertigstellungen in den sieben Metropolen sogar noch leicht zugenommen.“

Für das erste Halbjahr 2022 stehen nun 950.000 Quadratmeter an neuer und umfassend sanierter Bürofläche zu Buche, ein Plus gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 von 16 Prozent. Das bestätigt auch die JLL-Beobachtung, dass angefangene Projekte zu Ende geführt werden. Hierfür werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Investoren und Mietern, die gegebenenfalls auf den Einzug warten, gerecht zu werden.

Für das zweite Halbjahr 2022 befindet sich aktuell mit rund 960.000 Quadratmetern nochmals genauso viel Fläche in der Pipeline wie im ersten Halbjahr. Das Fertigstellungsvolumen würde sich somit auf 1,9 Millionen Quadratmeter für 2022 summieren. Gegenüber der Jahresanfangsprognose entspräche dies einem Minus von etwa 200.000 Quadratmetern Bürofläche, die nicht realisiert werden wird oder – wie überwiegend der Fall – zeitlich verschoben wird. Hier schiebt sich eine Bugwelle an Neubauprojekten über die nächsten Jahre, denn auch für 2023 und 2024 stehen aktuell erneut rund eine halbe Million Quadratmeter weniger in der Planung, als noch vor drei Monaten für diesen Zweijahreszeitraum erwartet wurden.

Stephan Bräuning von Colliers zieht dazu folgendes Fazit: „Wir könnten uns demzufolge in zwei bis drei Jahren in einer Situation wiederfinden, in der die ohnehin stark nachgefragten modernen Neubauflächen noch knapper sind als derzeit schon.“

Auf der einen Seite wird die Reduzierung des Angebots den Druck von den Leerständen nehmen. Andererseits werden mittelfristig die für die Unternehmen benötigten Neubauflächen fehlen. Damit einhergehen wird ein Wettbewerb um die Topflächen, der deren Mietpreise nach oben treiben wird. Neben der Inflation, die sich zumindest bei indexierten Mietverträgen bemerkbar macht, ist dies ein weiterer Treiber für die weitere Mietentwicklung.

Spitzenmieten steigen im ersten Halbjahr 2022 kräftig

Die im ersten Quartal skizzierten zwei Trends aus Inflation und Fokus der Nutzer auf die Qualität gelten auch zum Ende des ersten Halbjahres unangefochten fort: „Seit vielen Jahren waren voll indexierte Mietverträge aufgrund der fast nicht vorhandenen Inflation die Regel. Das hat sich nun geändert und wir beobachten bei den Nutzern den ausgeprägten Wunsch, keine inflationsgekoppelten Verträge mehr abzuschließen und stattdessen Staffelmieten zu akzeptieren, bei denen etwa zwei- bis dreiprozentige Mieterhöhung pro Jahr fixiert werden“, sagt Stephan Leimbach von JLL.

Zu diesen beiden Trends gesellt sich vermehrt die Kostenbelastung durch höhere laufende Nebenkosten. Hierzu zählen in erster Linie Energiepreise (Gas, Wasser, Strom), aber auch steigende Lohnkosten machen sich langsam in den Bilanzen bemerkbar. Der Faktor Bürofläche spielt zwar in der unternehmensweiten Betrachtung nicht die entscheidende Rolle, dennoch wird nun auch bei den flächenspezifischen Kosten genauer hingeschaut.

Der JLL-Spitzenmietpreisindex zog im zweiten Quartal kräftig an und erreichte knapp 237 Punkte. Das entspricht einem Plus von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. So ist in fast allen Hochburgen Bewegung in die Spitzenmiete gekommen. In Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln stiegen die Spitzenmieten im Quartalsvergleich zum Teil deutlich. In Stuttgart, wo wir bereits vor drei Monaten einen starken Sprung gesehen haben, stabilisierten sie sich auf diesem Niveau.

„Bis Ende des Jahres werden die nominalen Spitzenmieten in den sieben Hochburgen aller Voraussicht nach um weitere 2,6 Prozent steigen. So positiv steigende Mieten für die laufenden Erträge und den Werterhalt des Objektes auch sein mögen, eine Grenze ist dann erreicht, wenn die Warmmietbelastung der Nutzer durch deren eigenes Geschäftsumfeld an seine Grenzen stößt. Noch sind die Unternehmensumsätze gerade im Dienstleistungssektor intakt, sodass kurz- bis mittelfristig keine Störungen zu erwarten sind, bei Mietern aus anderen Branchen – wie zum Beispiel der Industrie – kann es allerdings bis Ende des Jahres auch anders aussehen“, erwartet Helge Scheunemann von JLL.

Colliers analysierte derweil Durchschnittsmieten, die im Vergleich mit dem Vorquartal mehrheitlich seitlich tendierten, im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum hingegen an fast allen Standorten spürbar gestiegen seien. Bei den Spitzenmieten zeichnen sie ein ähnliches Bild wie JLL und verweisen auf einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021.

Fazit zu den Entwicklungen am Bürovermietungsmarkt

Die Bürovermietungsmärkte in den sieben größten deutschen Bürohochburgen erwiesen sich, trotz des schwierigen und unsicheren Umfeldes und anders als die Investmentmärkte, als äußerst robust. Während der Investmentmarkt in den letzten drei Monaten einen Dämpfer erlitt, war die Aktivität auf den Bürovermietungsmärkten weiterhin sehr dynamisch. „Das erste Halbjahr war für die Bürovermietung ein Gutes“, konstatiert Stephan Bräuning von Colliers, wenngleich er ergänzt: „Besonders die sich eintrübende Konjunktur könnte den Bürovermietungsmarkt im weiteren Jahresverlauf negativ beeinflussen. Hier zeichnen sich gleich mehrere potentielle volkswirtschaftliche Risiken ab, wie beispielsweise die historisch hohe Inflation, eine mögliche neu aufflammende Eurokrise durch stark gestiegene Zinsen auf Staatsanleihen südeuropäischer Länder oder eine weitere Verknappung der Gasimporte und somit weiter rapide steigende Energiekosten, die sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen kontinuierlich belasten.“

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