Interview zu Hotels und Corona: „Städtetourismus wird wieder kommen“

Interview zu Hotels und Corona: „Städtetourismus wird wieder kommen“

Interview zu Hotels und Corona: „Städtetourismus wird wieder kommen“

Axel Deitermann, Geschäftsführer der Hotel Affairs Consulting GmbH, spricht mit IMMOBILIEN AKTUELL über die Lage der Assetklasse, die Sorgen um Tagungs- und Flughafenhotels, verschiedene Distributionskanäle, über Bewertungsportale und Umwidmungen von Hotels.

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Sieht die Branche gerade Licht am Ende des Tunnels? Hotels dürfen wieder öffnen, die Sommerferien sind gerettet...

Axel Deitermann: Wir sind am Anfang einer anhaltenden Öffnungsphase. Es ist wieder möglich, irgendwohin zu fahren, damit ist aber die Saison nicht gerettet. Es gibt noch viele Einschränkungen und damit einen anderen Urlaub als vor der Pandemie. Trotzdem ist es der richtige Schritt, der mehr als überfällig ist.

Im Mai gab es das ZIA-Frühjahrsgutachten. Da steht der Satz, dass Hotels durch den „langen Lockdown an den Rand des Abgrundes manövriert“ wurden. Nicht unbedingt eine Neuigkeit nach über einem Jahr Pandemie. Gibt es aus Ihrer Sicht außer Willensbekundungen konkrete Unterstützungsmaßnahmen innerhalb der Branche?

Axel Deitermann: Die Überbrückungshilfen laufen gerade aus. Man muss gestehen, dass die Auszahlungen der Hilfen sehr schleppend waren. Die Branche hat hart dafür gekämpft, dass beispielsweise die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten noch einmal verlängert wird. Da ist die Politik der Branche ja überhaupt nicht entgegengekommen, die Pflicht gilt wieder seit dem 1. Mai. Insgesamt gab es großzügige Hilfen, wenn sie denn geflossen sind. Obwohl großzügig an dieser Stelle irgendwie das falsche Wort ist. Die Komplexität der Antragstellung und die Dauer bis ausgezahlt wurde, waren eher eine Katastrophe. Bestimmte Teilbereiche laufen bis heute noch nicht, die Hoteliers haben also weiter Einbußen.

Urlaubshotels werden am besten durch die Krise kommen

Was passiert mit Tagungs- und vor allem Flughafenhotels?

Axel Deitermann: Das sind im Moment tatsächlich die Sorgenkinder der Branche. Bei den Tagungshotels muss man unterscheiden. Zwischen denen, die kleine Veranstaltungen machen, und den großen, internationalen Häusern. Letztere werden nach wie vor leiden, bis die wieder in ein halbwegs normales Fahrwasser zurückkehren, wird es noch eine Weile dauern. Flughafenhotels boomten in den vergangenen Jahren, da wage ich momentan aber noch keine Prognose.

Im vergangenen Jahr konnte man erkennen, dass die Distanz zum Urlaubsort deutlich geringer wurde. Bleibt dieser Trend für einen Deutschland-Urlaub bestehen?

Axel Deitermann: Deutschland ist ja bereits eine der Urlaubsdestinationen. Mit ein bisschen Glück hätten wir 2020 das erste Mal die 500 Millionen-Übernachtungsgrenze geknackt. Die Attraktivität hat in den vergangenen Jahren unglaublich zugenommen. Aus meiner Sicht ist das kein Trend mehr, sondern verfestigt sich. Die Angebote sind besser geworden, die Anbieter professioneller, eine Fokussierung auf bestimmte Themen wie Natur oder Wellness fand statt. Am besten werden die Urlaubshotels durch die Krise kommen.

Wenn dem so wäre, würden potentielle Zielmärkte miteinander konkurrieren: Wer hätte aus Ihrer Sicht die Nase vorn und warum?

Axel Deitermann: Wenn man sich die jahreszeitlichen Belegungszahlen anschaut, hat der Alpen-Bereich unglaublich zugenommen. Wir beschäftigen uns gerade mit einem Standort in Reit im Winkel. 55 Prozent der Nächtigungen haben wir dort im Sommer. Ähnliches kann man für die Nord- und Ostsee sehen. Wer wäre denn vor zehn Jahren darauf gekommen im November oder Februar nach Sylt zu fahren? Dazu kommen Mittelgebirgs-Regionen wie der Schwarzwald, der Harz, das Sauerland. Das wird nicht zuletzt auch für Kurzreisende attraktiver.

Vermarktung der Urlaubsregionen und Buchungsportale der Hotels müssen besser werden

Wie wichtig ist hier die Vermarktung der jeweiligen Region und damit Zusammenschlüsse verschiedener Anbieter?

Axel Deitermann: Die Hoteliers sind auch in diesem Bereich viel professioneller geworden und haben die Sinnhaftigkeit von einer Regionvermarktung erkannt, um überhaupt erst einmal Geschmack auf eben dieses Urlaubsgebiet zu machen. Der Gast entscheidet sich für eine Mikrolage und dann für ein ganz bestimmtes Haus. Zwei Dinge sind wichtig: zum einen die Vermarktung der Region, zum anderen mit einem individuellen Konzept den Gast in mein Haus zu locken. Dazu gehört auch, dass die Buchungsportale der Hotels sowie die Angebotsstrukturen besser werden.

Durch die Pandemie haben die Hoteliers jede Menge Geld verloren. Vor dieser Zeit gab es große Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen für die Regionen, teilweise Werbespots im Fernsehen, Sonderauflagen von hochwertigen Broschüren, viel Werbung im Internet. Wie kann man denn nun auf sich aufmerksam machen?

Axel Deitermann: Die vielen Distributionskanäle, zu denen zuallererst auch das Internet zählen, werden weiterhin eine hohe Bedeutung haben. Es geht darum, Geschmack auf etwas zu machen. Trotz augenblicklich geringerer Mittel werden wir Länder wie beispielsweise die Türkei oder Island sehen, die durch eine staatliche Förderung weiterhin gute Werbung für sich machen können. Ich würde mir wünschen, dass da auch in Deutschland viel mehr passiert.

Der Städtetourismus wird sich schnell auf Vor-Corona-Niveau einpendeln

Wird der Städtetourismus wieder anziehen?

Axel Deitermann: Die Menschen sind in den vergangenen Jahren nationalitätsunempfindlicher geworden. Es werden Städte ausgesucht wie Lissabon, Rom oder Oslo, dazu gehören aber auch München, Berlin oder Hamburg. Ich glaube, dass die Leute sich nicht das Land aussuchen, sondern explizit die Stadt. Daran wird sich in Zukunft nicht viel ändern. Es wird mehr um die Attraktivität des Angebotes gehen, also Kultur, Umland, Nachtleben. Kurzum: Der Städtetourismus wird wieder kommen und sich sehr schnell auf das Vor-Pandemie-Niveau einpegeln.

Wie wichtig ist ein klarer Brand mit USP? In den vergangenen Jahren gab es ja sehr viele Marken, die auf den Markt kamen?

Axel Deitermann: Das wird immer wichtiger. Marriott beispielsweise hat um die 40 Brands im Portfolio. Da hat man von anderen Bereichen gelernt: Schauen Sie sich die Automobilkonzerne an. Die bieten für jeden Bedarf einen Wagen, klein und groß, schnell, gut und weniger gut ausgestattet. Auch in der Hotellerie hat man sich genau angeschaut, was die Kunden wollen, hat Trendscouts befragt. Noch vor Jahren war Standardisierung angesagt, das ist extrem hin zu Individualität gekippt.

Ist denn aber ein gewisser Standard nicht wichtig, damit der Kunde weiß, was er bekommt?

Axel Deitermann: Natürlich ist das gut. Nämlich dann, wenn die Kette mit ihrem Standard ein Qualitätsversprechen in den Markt bringt. Da gibt es Unternehmen wie Motel One, die machen das vorbildlich. Die Zimmer sind weitgehend standardisiert, dazu gibt es individuelle Freiflächen, die an den Standort angepasst sind. Die Bewertungsportale haben in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren irrsinnig viel bewegt. Die Einhaltung eines vorher gegebenen Qualitätsversprechens wird also ständig geprüft.

Hotels als Investment-Anlagen

Ihr Glaube ist unerschütterlich: Hotels werden wieder zu attraktiven Investment-Anlagen. Was stärkt Sie in Ihrer Meinung?

Axel Deitermann: Wir erleben, dass sehr viele Eigentümer in der Krise sehr positiv auf die Betreiber zugegangen sind. Was bleibt: Ein Hotel-Pachtvertrag läuft 20 Jahre. Vor vielen Jahren mussten wir gegen die Assetklassen Büro und Einzelhandel kämpfen. Ehrlicherweise habe ich aus Projektentwicklersicht verstanden, warum: Es gab sehr hohe Mietzahlungen. Aus Bestandshaltersicht ist ein Hotel ein attraktiveres Investment, weil es, wenn wir von Corona absehen, mit den langen Laufzeiten einfacher ist, als wenn aller drei oder vier Jahre die Büros für neue Mieter umgebaut werden müssen; es viele Einzelabrechnungen gibt.

Sehen Sie eine Umwidmung von Hotels in Senioren- oder Studentenwohnen oder andere Assets als einen Trend?

Axel Deitermann: Zunächst einmal: Es gibt auch Hotelentwicklungen, die gestoppt wurden. Laut einer Erhebung von STR Global verzögern sich derzeit in Deutschland etwa 20 Prozent der Hotelprojekte. Wir bearbeiten momentan sechs Hotelprojekte und erleben dort, dass es nicht mehr so eilig ist wie früher, wo alles immer fast über Nacht passieren sollte. Die Eröffnungen sollen nach der Pandemie stattfinden. Viele unserer Kunden kommen mit der Frage nach den Umwidmungen auf uns zu. Da gibt es keine verlässliche Auskunft. Ich möchte allerdings nicht, dass unsere Kunden aufgrund einer zeitlichen Krise, und dazu zähle ich die Pandemie, sich mit zum Teil erheblichen Investitionen in eine Umwandlung von einer eigentlich zuverlässigen Assetklasse in ein anderes Haifischbecken begeben, wo sie sich  oftmals nicht so gut auskennen.

Copyright Aufmacherfoto: (links) Hotel Affairs Consulting GmbH; (rechts) ming dai auf Pixabay

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