Interview: „Digitalisieren oder untergehen“

Interview: „Digitalisieren oder untergehen“

Interview: „Digitalisieren oder untergehen“
Copyright: Gerd Altmann auf Pixabay.

Hoher Zeitaufwand, viele Kosten: Der Weg der Digitalisierung ist für viele Unternehmen in der Immobilienbranche ein steiniger. Nicht wenige schrecken deshalb davor zurück. Starthilfe für die digitale Transformation will die Architrave GmbH geben. CEO und Gründer Maurice Grassau zu Künstlicher Intelligenz, Datenmanagement und dem Roboter DELPHI.

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IMMOBILIEN AKTUELL: Bestseller-Autor Yuval Harari ist einer von denen, der vor der Künstlichen Intelligenz (KI) warnt, weil sie irgendwann Entscheidungen vorhersagen, Verhalten prognostizieren und Wünsche manipulieren kann. Sie sagen: „Digitalisieren oder untergehen“. Was macht für Sie KI aus?

Maurice Grassau: Sie kann helfen Prozesse zu automatisieren. Davon gibt es sehr viele – die wenigsten sind jedoch digitalisiert und an das Potenzial neuer Technologien angepasst. Die Immobilienbranche liegt, was dieses Thema betrifft, sehr weit hinter der Kurve. 60 Prozent aller weltweiten Assets sind Immobilienassets. Das heißt, dass ein Trillionen-Geschäft über ExcelSheets und PDFs gemanagt wird. Das geht alles viel effizienter, schneller und genauer. Nur haben sich darüber seit Jahrzehnten zu Wenige Gedanken gemacht.

Maurice Grassau. Copyright: Architrave.
Maurice Grassau. Copyright: Architrave.

IMMOBILIEN AKTUELL: Die Immobilienwirtschaft muss sich also der Digitalisierung zuwenden? Wobei die Betonung hier auf ‚muss‘ liegt.

Maurice Grassau: Der Immobilienmarkt unterliegt Zyklen. Momentan wird sehr viel Geld verdient. Allen ist aber auch klar, dass das nicht ewig so weiter geht. Irgendwann werden die Transaktionsvolumina zurückgehen. Also bleiben die Fragen: Wie kann ich Kosten sparen, wenn die hohen Umsätze ausbleiben? Wie kann ich meine Mitarbeiter effizienter einsetzen? Habe ich erst noch Geld mit An- und Verkäufen verdient, habe ich vielleicht irgendwann nur noch die Mieteinnahmen.

IMMOBILIEN AKTUELL: Da könnte man sich zum Beispiel von Immobilien trennen, ein oder zwei Niederlassungen schließen.

Maurice Grassau: Man sollte die Vorteile der Digitalisierung sehen. Eine beispielhafte Fragestellung bei einem Ankauf für Fonds lautet: Welche Faktoren muss ich bedienen, damit eine Immobilie in mein Portfolio passt? Und wie kann ich diese Frage datenbasiert beantworten? Momentan haben wir es mit einer Schere zu tun. Es gibt eine Menge Firmen, die verschiedene Prozesse ausprobieren, technische Möglichkeiten testen. Und es gibt die anderen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass letztere Unternehmen in den kommenden Jahren noch so erfolgreich sind und mit denen mithalten, die Digitalisierung als einen natürlichen Prozess integrieren.

IMMOBILIEN AKTUELL: Eine große Rolle spielt Robotic Process Automation (RPA), für viele scheint das immer noch der Kernphysik sehr nah. Dahinter versteckt sich das Einsetzen einer Software, die manuelle, wiederkehrende und regelbasierte Prozesse und Aufgaben automatisiert, dabei auf die unterschiedlichsten Daten und Programme zugreift. Für die Buchhaltung kann sich das jeder noch halbwegs vorstellen. Welchen Vorteil hat es speziell für die Branche?

Maurice Grassau: Firmen wie Deka bekommen in ihrem Immobilienmanagement etwa 500.000 Dokumente pro Jahr. Das ist eine hochkomplexe Angelegenheit: Was ist das für ein Schriftstück? Allein die Identifizierung ist schwierig. Jedes Einzelne muss aufgemacht, gelesen werden. RPA lernt mit Hilfe der KI mit jedem Dokument dazu. Das ergibt einen Quantensprung in der Effizienz. Ich bekomme dann nur noch die relevanten Daten, die ich brauche. Der ganz große Vorteil neben der Effizienz: Ein Asset Manager kann sich wieder seinen Kernkompetenzen widmen.

IMMOBILIEN AKTUELL: Was entgegnen Sie jenen, die einwenden, dass KI Arbeitsplätze vernichtet? Ihr KI-Roboter DELPHI klassifiziert Dokumente nicht nur, er benennt sie logisch, legt sie richtig ab ...

Maurice Grassau: Natürlich verändert das die Aufgaben der Mitarbeiter. Das sollte von Anfang an in die Überlegungen einfließen, das Team muss mitgenommen werden. Stupide Aufgaben fallen weg, andere kommen hinzu. Das ist eine große Chance hin zur Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen eines Immobilienmanagers.

IMMOBILIEN AKTUELL: Wer am Puls der Zeit sein möchte, nutzt ein digitales Datenmanagement (DMS) in Verbindung mit KI. Welche Datenmengen können damit bearbeitet werden?

Maurice Grassau: Der Mensch kann zwischen 150 und 200 Dokumente am Tag bearbeiten, unser
KI-Roboter DELPHI 20.000 in drei Minuten. Allein diese Zahlen sagen alles über die Power aus. Wenn ein Unternehmen nun bloß 20.000 Dokumente hat, dann schafft der Roboter die in drei Minuten, die Mitarbeiter in 133 Stunden. Noch einmal: Mit dieser Methode fallen lästige Aufgaben weg, die schönen Aufgaben bleiben doch.

IMMOBILIEN AKTUELL: Welche Zeitspannen müssen in Firmen für die Implementierung eines solchen Systems eingeplant werden, und wie funktioniert der Prozess?

Maurice Grassau: Das geht sehr schnell. Die Unternehmen bekommen unsere Software, mit der direkt gearbeitet werden kann. Wir stellen Schulungsvideos zur Verfügung, um alle Anwendungen zu zeigen. Zudem sind unsere Mitarbeiter in direktem Kontakt mit unseren Kunden.

IMMOBILIEN AKTUELL: Welche Erkenntnisse gibt es bisher zur Fehlerquote? Wie gestaltet diese sich im Vergleich gegenüber „normalem“ Personal?

Maurice Grassau: Der Mensch arbeitet nicht fehlerfrei, erst recht nicht, wenn er stupide Tätigkeiten verrichtet. Wir haben eine Quote von 60 bis 70 Prozent in den Daten unserer Kunden hinsichtlich der Genauigkeit festgestellt. Bei DELPHI liegt sie bei 90 Prozent plus.

IMMOBILIEN AKTUELL: Deka und Union Investment sind unter anderem bei Ihnen Minderheitsgesellschafter. Architrave wurde 2012 gegründet und gehört bereits jetzt zu den Leuchttürmen in Deutschland. Wie ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen in zehn Jahren?

Maurice Grassau: Diese neue Technologie wird die Immobilienbranche verändern, egal wann welcher Zyklus greift. Das Ziel muss es sein, dass bei einer Transaktion beispielsweise lediglich die Nutzungsbeschränkungen geändert werden, der neue Eigentümer sofort Zugriff auf alles hat. Die globale Frage ist, ob wir es in Europa schaffen, einen Technologieplayer aufzubauen, der hier innovativ tätig wird, oder ob wir den Kopf in den Sand stecken und uns dann die Expertise aus Amerika oder Asien holen. Ich fände es schön, wenn wir das in Europa selbst schaffen würden. Architrave ist darauf vorbereitet. Wir haben große Flaggschiffe mit an Bord, sehr unterschiedliche Firmen in Minderheitsbeteiligungen. Die Kombination aus allem wird uns dabei helfen, zu einem europäischen Player zu werden.

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