Rückschritt als Fortschritt

Rückschritt als Fortschritt

Rückschritt als Fortschritt
Gehören zum Bestand der GWB Elstertal: Wohnungen in der Geraer Heinrichstraße. Quelle: GWB Elstertal

Die GWB Elstertal Geraer Wohnungsbaugesellschaft mbH hat sich komplett neu aufgestellt und in diesem Zuge tausende Wohnungen verkauft. Der Mehrheitsgesellschafter zieht auch deshalb eine positive Bilanz über sein Engagement in der drittgrößten Stadt Thüringens. 

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Knapp 7.000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten nannte die GWB Elstertal Geraer Wohnungsbaugesellschaft mbH noch im Herbst 2017 ihr Eigen. Mehr als anderthalb Jahre später ist der Bestand um rund 2.000 Einheiten geschrumpft, das Portfolio um fast 30 Prozent gesunken. Grund dafür sind unter anderem umfangreiche Verkäufe im Geraer Stadtteil Bieblach. Doch was auf den ersten Blick wie ein Rückschritt anmutet, erweist sich beim zweiten als Fortschritt. Denn das ursprünglich städtische Unternehmen, immerhin einer der großen Vermieter in der kreisfreien Stadt Gera mit ihren rund 95.000 Einwohnern, kann sich heute als kerngesundes Unternehmen mit guter Zukunft präsentieren. 

Der Prozess der Neuausrichtung lässt sich bis zum 27. Juni 2014 zurückführen. An diesem Tag stellte die Stadtwerke Gera AG einen Insolvenzantrag. Ein bis dahin in Deutschland im kommunalen Bereich einzigartiger Fall, wie es damals hieß. Mit in den Strudel der Illiquidität der Stadtwerke geriet die GWB Elstertal, weil die Stadtwerke seit 2003 mit 74,9 Prozent an der Wohnungsbaugesellschaft beteiligt waren. Nach Durchführung eines EU-weit ausgeschriebenen Transaktionsprozesses ging dieser Anteil im Sommer 2016 an Benson Elliot. Die britische Beteiligungsgesellschaft war als letzter von anfangs rund 100 potenziellen Käufern übrig geblieben. Die restlichen 25,1 Prozent und damit eine Sperrminorität an der GWB behielt die Stadt Gera. Auf welche Kaufsumme sich Benson Elliot und der Insolvenzverwalter der Stadtwerke geeinigt hatten, darüber vereinbarte man Stillschweigen. 

Schwerpunkt Kernportfolio 

Mit dem Mehrheitserwerb verbanden die Briten eine strategische Partnerschaft mit nachhaltigen Investitionen in den Wohnungsbestand. Für die GWB mit ihren bis dahin rund 7.000 Wohnungen und Gewerbeobjekten bedeutete das einen konsequenten Fokus auf ihr Kernportfolio und damit verbunden die Pflege des Gebäudebestandes. So sollte es gelingen, die entsprechenden Immobilien qualitativ weiterzuentwickeln. Es folgten der Abriss alter Wohnblöcke, etwa in Bieblach-Ost, und der Verkauf von 250 Wohnungen im Herbst 2017 im dortigen Stadtteil. Abnehmer war die Jenaer Saale Immobilienverwaltung GmbH – ohne nähere Angaben zum Preis. Verkauft wurden darüber hinaus Schloss Osterstein, das Ferbersche Haus im Geraer Zentrum sowie Grundstücke und Einfamilienhäuser. Bekannt ist, dass die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen 710.000 Euro für das Ferbersche Haus zahlte.

Höhepunkt im Prozess der Neuausrichtung der GWB: Ende 2018 veräußerte die Geraer Vermieterin weitere 828 nur teilweise sanierte Wohnungen und Gewerberäume am Bieblacher Hang an die ImmoMa Gesellschaft für Immobilienmarketing GmbH aus Berlin. Über den Kaufbetrag legte sich abermals der Mantel des Schweigens. Die neue Eigentümerin plant eine schrittweise Erneuerung der erworbenen Gebäude und Wohnungen, von denen rund die Hälfte zum Zeitpunkt des Deals leer stand. Wie die GWB erklärte, sollen die bestehenden Mietverträge unverändert gültig bleiben. Mit dem Verkauf „sei die Konzentration unseres Portfolios auf den Kernbestand im Wesentlichen abgeschlossen“, so Geschäftsführer Markus Popp. Rund 5.000 Wohn- und Gewerbeobjekte zählt die Gesellschaft heute. 

Dass die beträchtliche Reduktion der eigenen Bestände nur vermeintlich ein Rückschritt war, tatsächlich aber mehr Progressives in sich barg, hat Benson Elliot Anfang dieses Jahres deutlich gemacht. Demnach seien alle Vorsätze für die GWB umgesetzt worden, die sich mit der Übernahme vor über zwei Jahren verbanden: Fokus auf das Kerngeschäft, bedarfsgerechte Sanierung (etwa 700 Wohnungen) und Neuvermietung (mehr als 1.300) – rund 15 Millionen Euro Investitionssumme, Reduzierung des Wohnungsleerstandes von 20 auf zehn Prozent, Senkung der Nebenkosten um 50 bis 100 Euro pro Jahr und Wohnung. „Unser Ziel ist erfüllt. Die GWB hat jetzt die Struktur, den Fokus und die Ressourcen, die Aufgaben der nächsten Jahre zu meistern“, verkündete Cedric Reimers, Principal bei Benson Elliot, Ende Januar im Geraer Stadtrat. 
 

Mehrheitseigner plant Rückzug 

Schneller als gedacht hat die von Beginn an geplante Refinanzierung der Bankverbindlichkeiten ihren Abschluss gefunden. Deshalb will Benson Elliot seine Anteile schon in diesem Jahr wieder veräußern – privatwirtschaftlich, also ohne Vergabeverfahren und für einen erhofft höheren Wert als den Kaufbetrag. Die GWB hätte sich zwar „noch ein paar Jahre mehr“ gewünscht, wie Martina Schramm sagte, ebenfalls Geschäftsführerin beim Wohnungsunternehmen. Auch weil die Zusammenarbeit in der Sache konstruktiv und menschlich angenehm verlaufen sei. Doch nun steht wahrscheinlich zur Jahresmitte ein Gesellschafterwechsel an. 

Die Stadt, so die Essenz Mitte März im Stadtrat, werde wohl den Versuch wagen, die GWB vollständig in die kommunale Verantwortung zu holen und folglich die Anteile von Benson Elliot zu übernehmen. Mitte April gab dann auch die Thüringer Landesregierung laut Medienberichten grünes Licht, die Stadt Gera beim möglichen Rückkauf finanziell unter die Arme zu greifen. 

Die GWB selbst will künftig ihren Sanierungstrend fortsetzen. Vor allem die 750 Wohnungen im Innenstadtquartier profitieren. Bereits in diesem Jahr bekommen die Objekte zwischen Schuhgasse und Böttchergasse eine Schönheitskur. In den nächsten fünf Jahren sind Investitionen in die übrigen Zentrumswohnungen in unsanierter Bausubstanz geplant. 

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