Bundesregierung feiert Wohnraumoffensive - Scharfe Kritik aus Immobilienbranche

Bundesregierung feiert Wohnraumoffensive - Scharfe Kritik aus Immobilienbranche

Bundesregierung feiert Wohnraumoffensive - Scharfe Kritik aus Immobilienbranche
Bundesinnenminister Horst Seehofer lud zum Wohngipfel. Copyright: (links) Solarimo auf Pixabay; (rechts) Henning Schacht

Im Dezember 2018 schob die Bundesregierung ihre Wohnraumoffensive mit einem Maßnahmenpaket an. Dessen Durchschlagskraft galt es heuer bei einem Wohngipfel zu bilanzieren. Während die Regierung ihre Maßnahmen als vollen Erfolg feiert, bewerten Experten aus der Immobilienwirtschaft sowie Vermieter- und Mieterverbände selbige komplett anders…

Einladung zum Magdeburger Immobiliengespräch

Auf Einladung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer trafen sich am Dienstag, den 23. Februar 2021, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Olaf Scholz sowie weitere Vertreter der Bundesregierung, der Länder, Kommunen und Verbände zum digitalen Bilanzkongress der Wohnraumoffensive.

Große Koalition erklärt Wohnraumoffensive zum vollen Erfolg

Auf dem Kongress wurde die Wohnraumoffensive als „außergewöhnlich erfolgreich“ bewertet. Bis zum Ende der Legislaturperiode würden 1,5 Millionen neue Wohnungen in Deutschland fertig gestellt oder befänden sich im Bau. Damit seien 2020 erstmalig seit 2001 wieder mehr als 300.000 neue Wohnungen innerhalb eines Jahres gebaut worden. Zudem sei der Bau von Sozialwohnungen massiv vorangetrieben und die vereinbarte Bewilligung von 100.000 neuen Sozialwohnungen in vier Jahren deutlich übertroffen worden.

Horst Seehofer: „Wir haben alle zentralen Maßnahmen umgesetzt. Die Bauwirtschaft war trotz Pandemie der Motor der deutschen Wirtschaft schlechthin. Wir haben 1,2 Millionen neue Wohnungen geschaffen, hinzu kommen 770.000 erteilte Baugenehmigungen. Das ist ein gigantisches Wohnungsbauprogramm. Es ist eine stolze Bilanz, die nur im Zusammenwirken von Bund und Ländern erreicht werden konnte. Aber: Wir lehnen uns jetzt nicht zurück. Wir müssen in den kommenden Jahren stark weitermachen, verstetigen und insbesondere die Innenstädte und die Dorfkerne revitalisieren, bevor wir neue Baugebiete an den Rändern ausweisen.“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz fügt hinzu: „Mit unserer aktiven Wohnungsbaupolitik haben wir die Trendwende eingeleitet. Der Bund fördert den sozialen Wohnungsbau mit viel Geld, unterstützt junge Familien mit dem Baukindergeld dabei, die eigenen vier Wände zu erwerben, geht entschlossen gegen Bodenspekulationen vor und schützt Mieterinnen und Mieter. Mehr Tempo, mehr Innovation und mehr Steuerung brauchen wir, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.“

Michael Müller, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Regierender Bürgermeister von Berlin, sprach ebenfalls von einem „guten Erfolg“ und drängte im Zuge dessen auf die Umsetzung weiterer beschlossener Maßnahmen – etwa des Umwandlungsverbotes.

Leerstand und überhitzte Wohnungsmärkte – es bleibt einiges zu tun

Kritischer äußerte sich Ralph Spiegler, Vorsitzender der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes: „Der Flaschenhals für die Schaffung bezahlbarer Wohnungen bleibt die Baulandmobilisierung. Hier müssen die Kommunen stärkere Steuerungsmöglichkeiten erhalten, etwa durch erweiterte Vorkaufsrechte. Zudem müssen wir die erheblichen Potentiale zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in unseren Innenstädten und Ortskernen heben, insbesondere durch Mobilisierung des leerstehenden Bestandes von annähernd zwei Millionen Wohneinheiten in Deutschland. Hierzu bedarf es auch einer Erhöhung der Bundesstädtebauförderung auf 1,5 Milliarden Euro jährlich. Dies trägt im Ergebnis auch zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei und entlastet die überhitzten Wohnungsmärkte in den Metropolen.“

Harsche Kritik an Wohnraumoffensive: Kehrtwende auf dem Wohnungsmarkt bleibt aus

Deutscher Mieterbund fordert sechsjährigen Mietenstop

Weniger euphorisch sieht der Deutsche Mieterbund die Ergebnisse der Wohnraumoffensive. Die auf dem Wohngipfel 2018 beschlossenen Maßnahmen hätten keine Kehrtwende auf dem Wohnungsmarkt eingeleitet und die Bundesregierung bleibe weit hinter ihren selbstgesteckten Zielen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zurück: Demnach…

Die Corona-Pandemie verschärfe die Situation zusätzlich. Viele Menschen hätten mit erheblichen Einkommensverlusten zu kämpfen und müssten befürchten, ihr Zuhause zu verlieren, weil sie die Mieten nicht mehr aufbringen können. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes: „Wir brauchen wirksame Maßnahmen, die weitere Mieterhöhungen unterbinden. Aus diesem Grund fordern wir einen bundesweiten sechsjährigen Mietenstopp.“

Haus & Grund Deutschland sieht schädigende Überregulierung

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland zieht ebenfalls eine kritische Bilanz zur Wohnungspolitik der vergangenen vier Jahre: „Leider hat sich die Bundesregierung auf die Verwaltung des Wohnraummangels beschränkt. Sie hat es vollständig versäumt, Privatpersonen zu ermuntern, Mietwohnraum anzubieten“, erklärte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke nach dem Wohngipfel. Zunehmende Mietenregulierung, staatliche Wohnraumlenkung sowie steigende Bürokratielasten führten dazu, dass sich das Vermieten für viele private Kleinvermieter nicht mehr lohne.

Die Verlängerung der Mietpreisbremse, die Einschränkung der Modernisierungsmieterhöhungen, die Ausweitung der Baugebote, das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, die Einschränkung der Umlage von Betriebskosten und die Beeinflussung von Mietspiegeln würden zusätzlich für eine Überregulierung sorgen, die viele Privatpersonen die Vermietung aufgeben und verkaufen lasse.

Zentraler Immobilien Ausschuss bemängelt: Regulieren geht immer noch vor Bauen

Schon am Vortag der Bilanzkonferenz der Wohnraumoffensive trafen sich Experten aus der Immobilienwirtschaft, um selbst Bilanz zu ziehen. Aygül Özkan, Geschäftsführerin vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft: „Das Neubauziel wird klar verfehlt werden“, so Özkan. Die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes lägen zwar bisher nur für 2018 und 2019 vor, aber, so Özkan: “Die Fertigstellungszahlen haben nie die erforderlichen 375.000 neuen Wohnungen pro Jahr erreicht.  Der positive Trend bei den Fertigstellungszahlen muss in den kommenden Jahren deutlich verstärkt werden.“

Özkan bemängelte, dass die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode mit diversen Mietrechtsregulierungen und zuletzt auch mit dem Baulandmobilisierungsgesetz die Erreichung des Zieles selbst verspielt habe. „Regulieren geht in Deutschland leider noch immer vor Bauen. Mit immer neuen und immer schärferen Regulierungen werden wir die angespannten Wohnungsmärkte in den Metropolen nicht entlasten können. Wir hätten uns mehr Rückenwind gewünscht zum Beispiel durch ein Planungsbeschleunigungsgesetz.“

Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland fordert Nachjustierungen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) fordert von der Politik, ihre Wohnraum-Strategie nachzujustieren. Denn das Angebot sei weiterhin knapp, Bauland fehle und Genehmigungsverfahren seien zu komplex und langwierig. Zusätzlich beschleunige Corona die Transformationsprozesse und stelle die Immobilienwirtschaft vor neue Herausforderungen. Zudem müsse die Förderung von Wohneigentum mehr in den Fokus rücken.

Andreas Ibel, BID-Vorsitzender und Präsident des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen: „Bauland ist die Grundvoraussetzung für bezahlbaren Wohnraum, die nur die Kommunen durch Baulandausweisung schaffen können. Dabei geht es nicht um die Vernichtung ökologisch wertvoller Flächen, sondern überwiegend um die Umnutzung vorhandener Brachflächen. Dort, wo die Nachfrage groß ist, brauchen wir mehr und vor allem effizient genutztes Bauland sowie eine aktuelle Bauplanung der Kommunen, um schnell auf die Nachfrage nach neuem Wohnraum reagieren und Preissteigerungen entgegenwirken zu können. Kommunal geplante Bodenpreise sind dagegen keine Lösung, denn dadurch bleiben Grund und Boden knapp.“

Aus Sicht von Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, wurden beim Wohnen und Bauen einige, aber nicht genügend Hebel in Bewegung gesetzt: „Das Wohngeld wurde erhöht und steigt nun regelmäßig, das serielle Bauen und Sanieren hält Einzug in die Bauordnungen und dank einer Verfassungsänderung kann der Bund den sozialen Wohnungsbau auch künftig mitfinanzieren. Aber insgesamt ist zu wenig passiert und alles läuft viel zu analog. Die Wohngeldvergabe, aber auch alle Planungsprozesse müssen digitalisiert werden, wir brauchen ein elektronisches Kataster über alle bebaubaren Grundstücke. Damit all das koordiniert umgesetzt werden kann, brauchen wir in der kommenden Legislaturperiode dringend ein eigenständiges Bundesministerium für Wohnen und Bauen.“

Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland: „Wir wünschen uns von der Politik, dass es keine neuen Regulierungen für die Immobilienwirtschaft gibt, dafür aber mehr Anstrengungen bei der Förderung von Wohneigentum. Die Politik sollte der steigenden Nachfrage nach den eigenen vier Wänden – auch durch die Corona-Pandemie bedingt – nachkommen und das Baukindergeld entfristen und erweitern. Zudem ist eine Reform der Grunderwerbsteuer überfällig.“

Abschließend erklärt Wolfgang D. Heckeler, Präsident des Verbandes der Immobilienverwalter: „Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen noch weiter einzuschränken, konterkariert das Ziel der Bundesregierung selbstgenutztes Wohnungseigentum zu ermöglichen und der Gentrifizierung entgegenzutreten.“

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