Interview mit Stefan Gräf: „Gesundheit und Pflege nehmen eine besondere Stellung ein“

Interview mit Stefan Gräf: „Gesundheit und Pflege nehmen eine besondere Stellung ein“

Interview mit Stefan Gräf: „Gesundheit und Pflege nehmen eine besondere Stellung ein“

Stefan Gräf, Vorstand der IGP Advantag AG, spricht im Interview mit IMMOBILIEN AKTUELL über dritte Mieten, neue und alte Baustoffe, Megatrends, Expansion und Unternehmensbeteiligungen sowie über hohe Kosten für Krankentransporte und wie man mit Gesundheitsimmobilien darauf reagieren kann.

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Sie planen in Oranienburg eine modellhafte vernetzte Quartiersentwicklung, die CO2-neutrales und klimaadaptiertes Leben und Arbeiten verspricht. Was ist das für ein Projekt? Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?

Stefan Gräf: Klimaneutralität bedeutet für mich sehr viele Dinge. Das eine betrifft den Betrieb, das andere die Nutzung. Zum Gesamtpaket gehören E-Mobilität, Car-Sharing, vernetztes Wohnen und Arbeiten, das Thema CO2-Emission. Dafür steht auch unsere Beteiligung an der Advantag Services GmbH, die sich bereits seit 2014 mit dem CO2-Emissionshandel beschäftigt. Damals war dieses Thema in der Immobilienbranche noch gar nicht angekommen. Seit Anfang des Jahres rückt es immer mehr in den Vordergrund. So zahlen zum Beispiel viele über die Brennstoffpreise wahnsinnige Abgaben. Die Entwicklung geht dahin, dass wir eine dritte Miete haben. Ein Beispiel: Wenn mit Heizöl geheizt wird, kommen zwischen 1,20 und 1,40 Euro pro Quadratmeter obendrauf. Das wollen wir verhindern. Wir wollen Lebensräume schaffen, die Klimaneutralität leben – sowohl in der Errichtung als auch im späteren Betrieb.

Über die globalen Themen haben Sie Oranienburg vergessen. Was ist das für ein Areal?

Stefan Gräf: Wir sprechen über 14 Hektar im Stadtteil Sachsenhausen. Dort wollen wir ein Bebauungsplan-Konzept, das moderne Wohn- und Arbeitsformen, aber auch notwendige Infrastruktur wie autonomes Fahren oder eine Quartiers-App beinhaltet, im Rahmen einer klimaadaptierten und CO2-neutralen Bebauung umsetzen. Das ist ein in sich funktionierendes Quartier, mit Anbindung ans Zentrum von Oranienburg und natürlich an Berlin über die S-Bahn.

Alternative Baumaterialien und der Klimakiller Immobilienwirtschaft

Nun wieder zu den großen Themen: Mit der Übernahme der IGP Advantag AG haben Sie für die Zukunft gehandelt. Hat die Branche an sich das Thema verschlafen?

Stefan Gräf: Ich glaube, dass es viele erst jetzt realisieren und die letzten Jahre nicht oder nur wenig darüber nachgedacht haben, dass einer der großen Klimakiller die Immobilienwirtschaft ist. Auf der Welt werden pro Jahr 60 Millionen Tonnen Zement produziert. Dabei entstehen 20 Milliarden Tonnen CO2. Die Zahlen zeigen, dass ein Umdenken erforderlich ist, auch im Umgang mit Roh- und Baustoffen. Es sollten Produkte verwendet werden, die eine negative CO2-Bilanz haben, zum Beispiel Holz.

Welche Alternativen gibt es, ist doch Holz gerade nicht so einfach zu bekommen und dazu teuer?

Stefan Gräf: Da wird es immer neue geben. Vor kurzem sah ich einen Bericht über einen österreichischen Bauern, der Hanfziegel entwickelt hat. Ich komme aus dem Bergischen Land, dort sind Fachwerkhäuser gebietsprägend. Und die sind aus Lehm. Momentan ist aber der Rohstoff schlechthin Holz. Es gibt zudem sehr interessante Bauprodukte. Wir arbeiten beispielsweise mit CLT-Material, das ist fester als Beton. Das machen wir auch, um eine möglichst hohe Vorfertigung zu erreichen, was wiederum auf eine Emissionsreduzierung einzahlt.

IGP Advantag AG setzt auf Gesundheit und Pflege 

Welcher dieser Megatrends beschäftigt Sie am meisten: Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Digitalisierung?

Stefan Gräf: Wir kommen über unsere Dienstleistung aus der Gesundheitswirtschaft und sind als Projektsteuerer für einen großen Berliner Klinikkonzern tätig. Hier sehen wir große Bedarfe deutschlandweit. Natürlich nehmen Gesundheit und Pflege schon allein wegen des demographischen Wandels eine besondere Stellung ein. Daneben kämpfen Akut-Krankenhäuser mit den Fallpauschalen, die nicht kostendeckend sind. In unserem Gesundheitscampus in Steinfurt (NRW) wird deshalb ein Rehabilitationszentrum unmittelbar integriert. Das entlastet das benachbarte Krankenhaus, das Rehazentrum bekommt wiederum Patienten von dort. Noch eine andere Zahl ist interessant: In Deutschland werden pro Jahr sechs Milliarden Euro für Krankentransporte ausgegeben. Wir wollen mit der direkten baulichen Verbindung von Krankenhaus und Reha einen kleinen Teil dazu beitragen, dass zumindest in Steinfurt diese Kosten entfallen.

Also steht bei Ihnen Gesundheit an erster Stelle?

Stefan Gräf: Ja, denn hier gibt es eine große Vielfalt. Neben Pflegezentren und Krankenhäusern beschäftigen wir uns mit Pflegeeinrichtungen und modernen Wohnformen, die Eigenständigkeit bis ins hohe Alter unterstützen. Zudem etablieren wir in unserem intersektoralen Gesundheitscampus in Steinfurt beispielsweise eine Pflegeschule sowie ein klassisches Wohnheim. Der Arbeitskräftemangel wird dazu führen, dass Menschen aus dem Ausland gewonnen werden müssen. Die müssen irgendwo wohnen – zu vernünftigen Preisen. Mit der IGPmed in unserem Haus haben wir eine Consulting-Firma für den Gesundheitsbereich, in der Ärzte arbeiten, die Anforderungen und Abläufe für die Ingenieure übersetzen und daraus passgenaue Immobilien entwickeln.

greenovation campus: Klimneutrale Startup-Center in Essen und Berlin

IGP entwickelt außerdem ein Startup-Center in Essen. Das hat ein Pendant in Berlin. Was macht den greenovation campus in Berlin aus?

Stefan Gräf: Zuerst: Das wird ein Holzrahmenbau mit klimaneutralem Betrieb. In Berlin kommt Geothermie dazu sowie eine Holzpelletheizung. Der Inhalt ist für uns entscheidend. Aus unseren Dienstleistungen erkennen wir ein gefragtes Produkt in der klassischen sowie der modernen Büro- und Arbeitswelt. Wir sehen ein Verschmelzen von Wohnen, Arbeit und Freizeit, um eine maximale Produktivität zu erreichen. Das haben wir in dem Berliner Konzept umgesetzt: Gastronomie, Fitnessbereiche gemischt mit klassischen Büros, dazu auf 1.500 Quadratmetern Wohnen. Früher sagte man zu letzteren Werkswohnungen, heute ist das Coliving.

Die drei Säulen der IGP Unternehmensgruppe

IGP als Unternehmensgruppe besteht aus drei Säulen. Können Sie diese bitte kurz skizzieren?

Stefan Gräf: Das eine ist die Dienstleistung mit Projektmanagement bis hin zur Generalplanung, dann sind es Projektentwicklungen und das dritte sind Beteiligungen, wie eben die an der Advantag Services GmbH. Letzteres brauchen wir, um unsere bundesweite Expansion voranzutreiben und uns neue Märkte, Mitarbeiter und Netzwerke zu erschließen. Frankfurt am Main wird ein nächster Schritt sein. Da eröffnen wir aber nicht einfach nur ein Büro, sondern beteiligen uns an einer Firma. Dazu können wir aber zu einem späteren Zeitpunkt sprechen.

Es gibt auch eine IGP Beteiligungs AG. Was verbirgt sich dahinter?

Stefan Gräf: Wie schon gesagt: Es bedarf Beteiligungen für eine Expansion. Im Bereich Lean Management haben wir uns engagiert, um Prozesse aus der Industrie in unser Business zu übersetzen und dafür das vorhandene Knowhow zu nutzen. Eines unserer letzten Engagements galt einem Architekturbüro in Hamburg, das mit dem heute typischen Nachfolger-Problem zu kämpfen hatte.

Frankfurt am Main und Hamburg stehen also auf der Liste: Welche Städte sind für IGP noch interessant?

Stefan Gräf: Stuttgart und ganz Baden-Württemberg wären da zu nennen. Wir wollen zudem unser Leistungsportfolio erweitern und das Thema Fassadenplanung und Technische Gebäudeausrüstung stärker bedienen und unsere Expertise in diesem Bereich weiter ausbauen. Das zahlt auf die große Bedeutung der Klimaneutralität ein.

Umwidmungen als neue Realität in der Assetklasse Hotel?

Die Assetklasse Hotel wird besonders durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogen. In Berlin widmen Sie ein Haus um: Was wird aus der vorher inhabergeführten Immobilie mit 76 Zimmern?

Stefan Gräf: Auch hier ist wieder das Thema Nachhaltigkeit integriert. Also: Wie kann man ressourcenschonend ein Haus revitalisieren? Ursprünglich wollten wir dort Coworking integrieren, was daran scheiterte, dass wir keine Mieter während der Pandemie fanden. Jetzt wird es eine psychologische Tagesklinik für Kinder und Jugendliche. Auch hier zahlt das Projekt wieder auf die bereits besprochenen Fahrwege ein, denn diese Klinik liegt in der Nähe der Wohnorte der Patienten.

Glauben Sie, dass Umwidmungen mehr zur Normalität werden?

Stefan Gräf: Ja, auf jeden Fall. Es findet ein Wandel statt. In welcher Ausprägung kann man noch nicht sagen.

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