Mietenschutzschirm der Berliner Grünen:  Alles Enteignung oder was?

Mietenschutzschirm der Berliner Grünen: Alles Enteignung oder was?

Mietenschutzschirm der Berliner Grünen:  Alles Enteignung oder was?
Bettina Jarasch von Bündnis 90 / Die Grünen fordert einen Mietenschutzschirm für Berliner Mieter. Copyright: Dominik Butzmann

Der Mietendeckel ist gescheitert. Im September stimmen die Berliner nun darüber ab, ob das Land Berlin große Wohnungsunternehmen enteignen soll. Die Grünen haben vor dieser Drohkulisse im Wahlkampf einen Alternativvorschlag zur Enteignung gemacht. Was es damit auf sich hat und wie die Akteure reagieren.

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Bettina Jarasch lässt keinen Zweifel an ihrem Standpunkt: Sie werde beim Volksentscheid im September über die Enteignung von Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen mit „Ja“ stimmen. Gleichzeitig präsentierte die Grünen-Spitzenkandidatin für das Bürgermeisteramt auf einer Pressekonferenz am 27. Juli 2021 eine Alternative zur Enteignung: den Mietenschutzschirm. „Mit dem Berliner Mietenschutzschirm werden wir, egal wie das Volksbegehren ausgeht, einen verbindlichen Pakt zu Gunsten der Mieter*innen mit den Vermieter*innen aushandeln.“ Als Ultima Ratio würden sich die Grünen das Instrument der Vergesellschaftung vorbehalten.

Mietenschutzschirm oder Enteignung

Worum geht es den Grünen bei diesem Pakt, der eine Seite bevorzugt und der mit einer Drohung - Mietenschutzschirm oder Enteignung – eingefordert wird? Ziel sei, den Mietenanstieg in Berlin zu bremsen. Die Ursachen für steigende Mieten sind jedoch vielschichtig. Ein Hauptproblem ist der Mangel an Wohnraum. Eine hohe Nachfrage trifft auf ein geringes Angebot. Bis 2030 wird ein Bedarf an 200.0000 neuen Wohnungen prognostiziert.

Der Berliner Senat, in dem die Grünen seit 2016 mitregieren, hat seine Neubauziele in den vergangenen Jahren immer wieder verfehlt. Hinzu kommt, dass die Stadt nur noch über rund 95.700 Sozialwohnungen verfügt, Tendenz fallend. Als Preistreiber gelten den Enteignungs-Befürwortern aber vor allem die großen privaten Vermieter mit der Deutschen Wohnen an der Spitze, die aktuell eine Durchschnittsmiete von 7,09 Euro in der Hauptstadt ausweist – und damit geringfügig über der Berliner Durchschnittsmiete von 6,79 Euro liegt.

Grüne fordern gemeinwohlorientiertes Wohnen

Von den rund anderthalb Millionen Mietwohnungen in Berlin gehören aktuell rund 335.000 den landeseigenen Unternehmen. Die Grünen streben an, dass 50 Prozent aller Wohnungen in Berlin nach Wiener Vorbild gemeinwohlorientiert angeboten werden. Über den Mietenschutzschirm sollen daher die Bestände privater Vermieter einbezogen werden.

Als Kriterien für gemeinwohlorientiertes Wohnen nennen die Berliner Grünen in ihrem Konzept:

Nur wer sich am Mietenschutzschirm beteiligt, bekommt Zugang zu städtischen Grundstücken

Im Gegenzug soll die Stadt Berlin den Teilnehmern am Schutzschirm Vorteile gewähren: Nur sie bekommen Zugang zu städtischen Grundstücken und einen verringerten Erbbauzins. Nur sie erhalten höhere Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau, für den Bau von Wohnungen im mittleren Preissegment sowie für energetische Sanierungen, erleichterte Bürgschaften des Landes, kostenlose Beratung und Planung der energetischen Sanierung. Auch das Vorkaufsrecht könne zugunsten von Vermietern ausgesprochen werden, die den Berliner Mietenschutzschirm mit aufspannen. 

Vieles an dem Vorschlag bleibt unklar

Unklar bleibt, was das im Detail bedeutet. Was verstehen die Grünen unter sozial ausgerichteter Wiedervermietung oder einer fairen Umlage der Modernisierungskosten? Wie hoch sollen die Zuschüsse für energetische Sanierung sein? Können kleinere Privatvermieter Zuschüsse der Stadt für die energetische Modernsierung erhalten, ohne sich eine dauerhafte Sozialbindung einzuhandeln? Mehr als die Eckpunkte geben die Grünen nicht preis. Unklar bleibt auch die Zielgruppe. Geht es ihnen nur um Unternehmen mit einem Bestand ab 3.000 Wohnungen?

Reaktionen aus der Immobilienbranche auf den Mietenschutzschirm

Die Reaktionen auf das Grünen-Konzept fallen verhalten bis ablehnend aus. Marko Rosteck, Pressesprecher der Deutschen Wohnen, erklärt, dass das Unternehmen einzelne Parteiprogramme oder -konzepte im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus nicht kommentieren möchte.  Rolf Buch, Vonovia-CEO, twitterte: „Wir brauchen ein breites Bündnis aus allen Akteuren der Wohnungsbranche, um klimafreundlichen und bezahlbaren Wohnraum nachhaltig zu realisieren.“ Sein Unternehmen stünde bereit. „Die einzelnen Vorschläge müssen analysiert werden. Engeignungen bringen Berlins nicht weiter.“

Auch Caroline Oelmann, Country Manager Heimstaden Deutschland, begrüßt zumindest das Signal zu einem Dialog. „Viele Punkte in dem Konzept sind allerdings realitätsfremd und versuchen wieder an den gescheiterten 'Mietendeckel' anzuknüpfen. Es entsteht der Eindruck eines kurzfristig für den Wahlkampf erstellten Papiers, das erneut ökonomische und rechtliche Gesichtspunkte – auch in Hinblick auf die landeseigenen Gesellschaften – nicht genau genug berücksichtigt. Ich freue mich jedenfalls, dass ich bald die Möglichkeit für einen persönlichen Austausch mit Bettina Jarasch haben werde. Solche Gespräche zwischen Politik und privater Wohnungswirtschaft sind wichtig, um die gegenseitigen Positionen besser zu verstehen."

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmer (BFW) wertet den Vorstoß der Grünen dagegen klar als Erpressungsversuch: Nach fünf Jahren Stillstand sei es an der Zeit für einen konstruktiven Dialog. Es sei jedoch der falsche Weg, den Dialog mit einer Drohung auf Enteignung für die Privaten zu beginnen, erklärt Verbandspräsident Andreas Ibel. „Der vorgesehene Schutz von Mietern bringt den Mietendeckel durch die Hintertür, verkleidet als Mietenschutzschirm. Damit werden keine Probleme gelöst.“ Es sei das knappe Angebot an Wohnraum in der wachsenden Stadt, das die Preise treibe. Daher müsse es vor allem um Wohnungsneubau gehen. Die Grünen machten die Förderung von Neubau jedoch abhängig von der Bereitschaft, sich dem Mietenschutzschirm zu unterwerfen.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ließ über seinen Pressesprecher David Eberhart mitteilen: Positiv sei, dass nicht nur Forderungen an die Wohnungswirtschaft formuliert, sondern auch Verpflichtungen und Anreize seitens des Landes geboten würden. „Viele Fragen wären allerdings – auch rechtlich – noch klärungsbedürftig.“ So zählen zu den Mitgliedern des BBU viele Genossenschaften. Deren Wohnungen können nicht einfach per Tausch an Genossenschaftsfremde vermietet werden.

Ronald Slabke, Hyperport-CEO und Aufsichtsrat des Immobilienkreditvermittlers Dr. Klein, hat sich bereits jahrelang um ein Erbbaurecht bei der Stadt Berlin bemüht. Seine Erfahrung fasste er auf Twitter zusammen: „Dieser Senat ist völlig unfähig ein Erbbaurecht für professionellen Wohnungsbau an Private zu gewähren.“ Für viele private Bauherren kommt Wohnungsbau auf Erbbaugrundstücken ohnehin nicht in Frage.

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