„Wir können nicht zaubern“: Die Herausforderungen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin

„Wir können nicht zaubern“: Die Herausforderungen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin

„Wir können nicht zaubern“: Die Herausforderungen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin
In Berlin stehen die Landeseigenen Wohnungsunternehmen vor gewaltigen Herausforderungen. Copyright: Allthings Berlin from Pixabay

Die Herausforderungen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWUs) von Berlin sind enorm. Die Politik reguliert auf der einen Seite die Einnahmen, auf der anderen Seite wird die Wunschliste an Leistungen immer länger. In welcher Lage sich die LWUs derzeit befinden, machte deren Sprecher Jörg Franzen den Abgeordneten im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen deutlich.

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Unter der Überschrift „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen als Garant für bezahlbare Mieten“ hat auf Antrag der Fraktionen der GRÜNEN, der SPD und der LINKEN eine Besprechung im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen stattgefunden. Sie gab einen Einblick in die derzeitige wirtschaftliche Situation. Denn im letzten halben Jahr hat sich die Lage grundlegend verändert. Daran ließ Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der GESOBAU und Sprecher der sechs LWUs, keinen Zweifel. Sein nüchternes Fazit vor den Abgeordneten lautete:

„Wir können nicht zaubern.“

Den LWUs wird bereits seit längerem ein wirtschaftlicher Spagat abverlangt. Erst kam der Mietendeckel, dann die Corona-Krise, jetzt wurde wieder ein Mietenmoratorium verordnet. Bis Ende 2023 dürfen die Landeseigenen die Miete nicht erhöhen und seit 1. Oktober Mieter wegen Rückständen aus Energiekosten nicht kündigen. Um die politisch verordneten Verluste auszugleichen, sind jetzt elf Millionen Euro in den Haushaltsentwurf des Landes Berlin für das kommende Jahr aufgenommen worden, sie sollen also aus Steuermitteln finanziert werden. Damit wird zwar die Wirtschaftlichkeit der Landeseigenen gesichert, aber auch der Weg zu einer Zweiklassen-Mieterschaft geebnet. Wer bei den Landeseigenen billig wohnt, egal ob er wenig oder viel verdient, wird aus Steuern von Mietern subventioniert, die keine LWU-Wohnung haben.

Eigenkapitalerhöhung für weiteren Neubau der Landeseigenen Wohnungsunternehmen

Und noch einmal 22 Millionen Euro kommen als Eigenkapitalerhöhung für die Landeseigenen obendrauf, damit sie ihren Neubauverpflichtungen nachkommen können. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.  Alles sechs Landeseigene werden insgesamt zum Ende des Jahres rund 6.500 Wohnungen fertiggebaut haben, für das nächste Jahr steht bei insgesamt 6.000 Neubauwohnungen der Baubeginn an. Und laut Kooperationsvereinbarung soll rund die Hälfte davon zu geförderten Mieten ab 6,50 Euro vermietet werden.

Die Baukosten sind in den vergangenen Monaten um 20 Prozent gestiegen und liegen derzeit bei 4.000 bis 5.000 Euro pro Quadratmeter, und das beim Bau auf landeseigenem Grund. Das Problem sind neben den extrem gestiegenen Baukosten auch die Zinsen, die bereits 4,5 Prozent betragen und mit Blick auf die anhaltende Inflation noch weiter steigen werden, so die Prognose des GESOBAU-Chefs. Die Investitionsvorhaben würden in der Regel zu 70 bis 80 Prozent fremdfinanziert. Das zusätzliche Eigenkapital reiche gerade mal für 400 Wohnungen, rechnete er vor.  „Das ist schön, löst aber nicht unsere Probleme.“

Preise unter den ortsüblichen Vergleichsmieten

Doch nicht nur für den Neubau steigen die Kosten, sondern auch für die Instandhaltung der rund 355.000 Wohnungen im Bestand der Landeseigenen Wohnungsunternehmen. Die Durchschnittsmiete beträgt rund 6,25 Euro, bei Neuvermietung 7,25 Euro. Sie liegen damit rund 0,50 Euro unter der zuletzt erhobenen ortsüblichen Vergleichsmiete und 3,30 Euro unter der Neuvertragsmiete, die laut IBB-Marktmonitor durchschnittlich in Berlin verlangt wird.

In die Berechnung sind allerdings alle LWU-Mieten eingeflossen, auch die geförderten. Auf der einen Seite niedrige Mieten ohne große Entwicklungsmöglichkeit, auf der anderen Seite ungewöhnliche Preissteigerungen für Instandhaltung, Neubau und zudem die Herausforderung der Wärmewende.  Das Problem ist mehr als deutlich. Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, betonte mit Blick auf die Fehler aus der Vergangenheit, die derzeitige Situation und die Zuschüsse aus Landesmitteln: „Wir sind gut beraten, unsere Landeseigenen wirtschaftlich zu halten.“

Wenn sich Zeitfenster schließen...

Jörg Franzen widersprach denn auch einer Behauptung der wohnungspolitischen Sprecherin Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der GRÜNEN. Sie hatte erklärt: „Den LWUs geht es gut.“ Doch ihre Zahlen stammen aus dem vergangenen Jahr. „Inzwischen hat sich die Erde weitergedreht“, betonte  Jörg Franzen. „Wir müssen in der Zukunft sehen, was wir noch machen können.“ Die Frage ist also, ob die Landeseigenen Wohnungsunternehmen auf Dauer so weiter wirtschaften und Maximalforderungen erfüllen können, Einsparungen vornehmen, unter anderen beim Neubau – oder neue Ideen für die Finanzierung finden müssen.

Er hatte bei einer vorangegangenen Besprechung zum Schumacher-Quartier vorgeschlagen, einen Teil des Neubaus durch den Bau von Eigentumswohnungen zu finanzieren und war mit diesem Vorschlag bei den Koalitionsparteien auf wenig Gegenliebe gestoßen. „Diese Finanzierungsmöglichkeit gibt es inzwischen nicht mehr“, erklärte er. „Das Zeitfenster hat sich geschlossen.“ Der Bau ist so teuer und die Zinsen sind so hoch, dass für die gewünschte Klientel eine Finanzierung nicht in Frage kommt.

Wirtschaftlichkeit hängt von Zinsverpflichtungen ab

 „Ab wann geht es nicht mehr weiter?“, wollte Björn Jotzo (FDP) wissen. Das sei eine berechtigte Frage, betonte Mario Hilgenfeld, Leiter Wohnungswirtschaft und -politik beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. „Wir sind mitten im Prozess, wir wissen nicht, was noch alles von uns verlangt wird.“ Nicht nur von der Berliner Politik, sondern auch vom Bund.

„Wie gehen wir mit gasbefeuerten Anlagen um, sollen wir die alle austauschen?“ Das seien große Investitionsfragen. Generell hänge die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen von den Zinsverpflichtungen ab. „Da sind unsere  Städtischen noch ein paar Jahre save. Wir können uns darauf verlassen, dass es noch ein paar Jahre funktionieren wird.“  Die Regulierung und die aktuelle Situation werden aber Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit haben. Die Vorsorge gebiete es, größere Investitionen oder Neubau zurückzustellen, also das “Fahren auf Sicht“. 

Der Tenor in der Wohnungswirtschaft sei im Augenblick allgemein: „Begonnene Projekte werden zu Ende gemacht, man holt sich eine Baugenehmigung, ob es dann noch gelingt, den Neubau im nächsten Jahr anzuschieben, werden wir sehen.“ Wenn man mit den gegenwärtigen Kosten Neubau stadtweit weiterverfolgen würde, brächte das größere Probleme: Denn Neubaumieten von 20 Euro am Stadtrand? „Das werden wir nicht durchhalten.“ Wie also können die Landeseigenen das schaffen? „Durch Quersubventionierung, wenn sich die Mieten weiter entwickeln könnten, wenn es eine Möglichkeit gäbe, im Bestand noch Reserven zu aktivieren.“ Das heißt, durch höhere Mieten – und attraktive Wohnraumförderung. 

Perspektive der Mietentwicklung ist ein Thema

Auch Jörg Franzen betonte, dass bei den anstehenden Gesprächen zur Kooperationsvereinbarung die Perspektive der Mietentwicklung ein Thema sei. Die Arbeitsgruppe „Wohnraumförderung“ im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen ist wiederum im Austausch mit dem Senat darüber, welche alternativen Fördermöglichkeiten es gibt. Die Vertreter des BBU haben einkommensorientierte Zuschuss-Modelle vorgeschlagen oder Aufwandsfinanzierungen, wie in der Vergangenheit bereits erprobt. Viel Zeit bleibt nicht, um eine neue Förderung zu entwickeln. Denn die derzeit gültige Wohnbauförderung 2022 ist bis September nächsten Jahres befristet.

Von dem aktuellen Förderprogramm verspricht sich Andreas Geisel allerdings viel. Rund 5.000 Sozialwohnungen sollen in Berlin pro Jahr eigentlich errichtet werden. Seit 2020 hätte also der Bau von 15.000 Sozialwohnungen beantragt worden sein müssen. Aber die Förderprogramme, basierend auf Zahlen von 2018, waren bereits 2020 und 2021 wirtschaftlich unattraktiv – und beantragte Förderungen auch defizitär.

In der Folge wurden 2021 lediglich Förderungen für rund 1.000 Wohnungen beantragt – und bis zum zweiten Drittel des Jahres 2022 gar keine. Seit September gilt nun die neue Wohnraumförderung 2022. In den acht Wochen seien rund 1.700 Anträge eingegangen, erklärte Andreas Geisel. „Ich hoffe, dass es bis zum Jahresende noch einige mehr werden.“ Mit der Nachfinanzierung von Anträgen aus dem Jahr 2020 und 2021 könnte die Zahl der beantragten Sozialwohnungen dann bei rund 4.000 liegen.

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